Vom 1. bis 24. Dezember wird täglich ein Weihnachtsalbum vorgestellt und in diesem Artikel hinzugefügt, gewissermaßen als musikalischer Wegweiser durch die Adventszeit. 24 Weihnachtsalben, die es wert sind gehört zu werden.
1. Dezember
Samara Joy: A Joyful Holiday (Verve Records, 2023)
Die Zeiten sind dunkel, aber es gibt auch Licht, das immer wieder (verzweifelt oder nicht) die Düsternis zu durchbrechen versucht. An dieser Stelle soll daher ein freudvolles Weihnachtsalbum den Beginn machen, nämlich das Mini-Album "A Joyful Holiday" von der Jazzsängerin Samara Joy, die für ihr Album "Linger Awhile" (Verve Records, 2022) und der Single "Tight" mit zwei Grammy Awards (bestes Vokal-Jazz-Album und Bester Neuer Künstler) ausgezeichnet wurde.
Die Weihnachts-EP der jungen Sängerin liefert den perfekten Einstieg in den Dezember, heißt das erste Lied doch "Warm in December". Ein Song, der erstmals 1956 von Julie London für das Album "Calendar Girl" aufgenommen wurde, das auf dem Cover eine Fotografie von ihr für jeden Monat des Jahres zeigt, ähnlich wie die Posen im Playboy-Magazin. Dieser Idee folgend brauchte die Sängerin freilich auch für jeden Monat einen Song, und so entstanden exquisite Versionen von Liedern wie "June In January", "I’ll Remember April", "Sleigh Ride In July" und eben auch "Warm in December". Samara Joy zollt aber nicht nur Julie London Tribut, sondern folgt auch Vocal-Jazz-Vorbildern wie Ella Fitzgerald, wenn die 1999 geborene z.B. in großartiger Manier "Have Yourself a Merry Little Christmas" intoniert. Das einzige Manko von "A Joyful Holiday" besteht eigentlich darin, dass nur sechs Lieder enthalten sind, neben den zwei erwähnten sind da noch "The Christmas Song" (eine Studio- und eine Live-Version) sowie "Twinkle Twinkle Little Me", das 1965 von den Supremes aufgenommen und etwas später auch von Stevie Wonder veröffentlicht wurde. Mit "O Holy Night" beweist Samara Joy schließlich, welch außergewöhnliche Sängerin sie ist, die sämtliche Vergleiche mit all den großen Namen locker Stand hält. "O Holy Night" erweist sich als eine umwerfende Gospelversion, so wie auch die Live-Version vom "Christmas Song", den sie gemeinsam mit ihrem Vater im Duett singt, von atemberaubender Schönheit ist. Musikalisch kann jedenfalls in den Dezember kaum besser gestartet werden. Diese Weihnachts-EP gibt es in unterschiedlichen Formaten, so u.a. auch erfreulicherweise in einer klanglich sehr schön aufbereiteten Vinyl-Version, die an dieser Stelle besonders ans Herz gelegt wird. //
2. Dezember
Kate Bush: 50 Words For Snow (Fish People, 2011)
Um über den strengsten Winter zu kommen gibt es einige nützliche Rezepturen, eine davon ist "50 Words For Snow" auf CD oder Vinyl zu hören, das 10. und weiterhin aktuelle Studio-Album mit neuen Liedern von Kate Bush, das nun auch als limitierte Vinyl-Edition erhältlich ist, illustriert von Timorous Beasties, gestaltet von Fish People und ausgeliefert mit einer speziellen Weihnachtskarte. Die sich küssenden zieren das Originalcover von 2011, der Schneemann mit Hut und Karottennase ziert das Cover der Mitte November 2024 veröffentlichten Sonderpressung.
Dennoch ist "50 Words For Snow" per se kein Weihnachtsalbum im eigentlichen Sinne und auch kein Album, das den Adventszauber (oder was davon übrig blieb) besingt, die darauf enthaltenen sieben Lieder sind vielmehr Schnee- und Winterlieder ohne "Last" oder sonstige "Christmas-es". Man hört zwar winterliche Impressionen wie z.B. Schneesturm und Glocken im Song "Wild Man" - andere Klischees wie wir sie aus der Weihnachtsliedliteratur kennen, kommen bei Frau Bush jedoch nicht vor. Mystik gibt den Ton an, aber auch Themen wie Vergänglichkeit und Wiedergeburt.
Drei Lieder auf dem Album besitzen fast schon einen Popsong-Charakter, eines davon, "Snowed In At Wheeler Street" mit einem unglaublich starken Gesangsauftritt von Elton John, erzählt die Geschichte zweier Königskinder, die nicht zueinanderfinden. Besonders auffällig ist auch der Titelsong. Fünfzig Wörter für Schnee in fast ebenso vielen Sprachen, u.a. in der Sprache der Fantasie. Und da hört man dann so schöne Begriffe wie "Vanilla Swarm. Whippoccino. Boomerangablanca. Whirlissimo.", vorgetragen von Professor Joseph Yupik alias Stephen Fry (ja, der Schauspieler), durchnummeriert und angetrieben von Kate Bush.
Aber, Vorsicht! Das mit einem aufwändig gestalteten Booklet versehene Album funktioniert nicht, wenn man es nur beiläufig und nebenher hört. Man benötigt 65 Minuten 11 Sekunden Zeit, um den sieben Songs die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Es zahlt sich aus. //
3. Dezember
Vince Guaraldi: A Charlie Brown Christmas (Fantasy Records, 1965)
Ein zeitloser Jazz-influenced Soundtrack, der genauso wenig altert wie Peanuts, Woodstock, Sally, Lucy, Linus, Schroeder und all die anderen Freund*innen von Charlie Brown, die der US-amerikanische Autor und Zeichner Charles M. Schulz 1950 zum Leben erweckte, ist genau die richtige Musik für den 3. Dezember (und natürlich auch darüber hinaus).
Vince Guaraldi komponierte in genuiner Form die Musik dazu, als 1965 erstmals ein längeres Charlie-Brown-TV-Special realisiert wurde, und zwar mit eben diesem Weihnachtsbezug.
Zur Erinnerung die Story in aller Kürze: Obwohl er weiß, dass das bevorstehende Fest ihn fröhlich stimmen sollte, ist Charlie Brown in der Weihnachtszeit immer nur deprimiert. Er fühlt sich von der Kommerzialisierung abgestoßen, die selbst seine engste Umgebung erfasst hat...
Die Verantwortlichen des Senders waren zunächst mehr als skeptisch und glaubten, dass dieser erste Fernseh-Zeichentrickfilm A Charlie Brown Christmas (dt. Die Peanuts – Fröhliche Weihnachten) zum Misserfolg wird. Grund für diesen Zweifel waren die schlichten Animationen, die Erzählweise, der Verzicht auf Lachkonserven und die Verwendung von Jazz.
Die Herren Verantwortlichen lagen in allem falsch: Nicht nur der Zeichentrickfilm, sondern auch der Soundtrack wurden längst zum Weihnachtsklassiker. Alleine das Album A Charlie Brown Christmas verkaufte sich bis heute weit über fünf Millionen Mal und ist seit 2009 regelmäßig in den US-amerikanischen Billboard-Albumcharts vertreten. Billboard kürte das Album sogar zum besten Weihnachtsalbum aller Zeiten und bei Rolling Stone landete es auf Platz 4. Der wichtigste Effekt des Albums liegt allerdings darin, dass Vince Guaraldi mit diesem Album Kindern Jazz näher bringt, näher als z.B. ein Miles Davis, dessen Kind of Blue das meistverkaufte Jazz-Album ist. Dahinter rangiert aber bereits A Charlie Brown Christmas. Zudem wurde die Guaraldi-Komposition "Christmas Time Is Here" auch als einzelnes Musikstück zum Weihnachtsstandard, gecovert u.a. von Tony Bennett, Mariah Carey, Al Jarreau, Norah Jones, Diana Krall, R.E.M., Steve Vai...
Die Erstveröffentlichung auf LP erschien im Dezember 1965 als Stereo- und als Mono-Version, seither sind etliche weitere Versionen in allen möglichen Formaten erschienen, u.a. 2019 als 3“-Single in begrenzter Stückzahl mit den vier Songs "Christmas Time Is Here" (Vocal), "Skating", "Linus and Lucy" und "Hark, The Herald Angels Sing". Ein Remaster des Albums (auf Blu-ray, CD und Doppel-Vinyl) wurde zuletzt 2022 veröffentlicht. //
4. Dezember
The Burns Sisters: Tradition: Holiday Songs Old & New (Philo Records, 1996)
Eine meiner Reisen durch die USA führte mich zu einigen Folk-, Blues- und Jazzfestivals. Bei einem dieser Festivals, irgendwo in Colorado mit Blick auf die Rocky Mountains, lernte ich The Burns Sisters kennen. Obwohl es Sommer war, kaufte ich mir auf Verdacht hin auch deren Weihnachtsalbum "Tradition: Holiday Songs Old & New".
Das Album gibt es nur auf CD und im Streaming, bis heute leider nicht auf Vinyl. Das ist auch schon das einzige Manko, denn dieses Weihnachtsalbum hebt sich wohltuend vom Gros an Alben in diesem Konzeptgenre ab. Jeannie, Annie und Marie Burns liefern hier ein völlig unkitischiges, dafür umso stimmigeres und mit wunderschönen Harmonien versehenes Statement ab, worum es in Weihnachten geht.
Gleich zu Beginn des Albums heißt es, "and we'll sing the songs that we love. / When we sing the angels look down from up above. / Oh holy night, stars so bright. Singing the songs we love." Marie Burns schrieb dieses flotte Country-Lied mit dieser großen Melodie, das eigentlich das Zeugs zu einem Standard hat, so wie auch die zweite Eigenkomposition, "This Christmas" von Annie Burns, aber, nun ja, weder diese zwei Lieder noch das Album wurde aus kommerziellen Gründen veröffentlicht. Marie Burns: "We consider this a special album, because we decided to do it strictly for love. We didn't make it for radio airplay or for record companies. We just wanted to make a recording for ourselves and our families."
Das Album bekam (in der Folk-Communitiy in den USA und Kanada) jedoch ein Eigenleben und wurde zu einem respektablen Erfolg. Auch große Zeitungen bedachten The Burns Sisters für dieses Album mit viel Lob. Nicht ohne Grund: "Tradition: Holiday Songs Old & New" ist nämlich beileibe kein herkömmliches Folk- oder Country-Album mit den üblichen Weihnachtsliedern, sondern liefert eine Reise quer durch unterschiedliche Kulturen.
Die Lieder reichen vom Afro-amerikanischen Gospel ("Children Go Where I Send Thee"), führen ins 13. Jahrhundert der persischen Poesie von Jellalluddin Rumi ("Come Come") und bis nach Israel, um für Frieden für Jerusalem und für Israel zu beten ("Shaloo Shalom Y'Rushalayim"), sowie nach Irland ("Golden Cradle"), in die römisch-katholische Kirche St. Nikola in Oberndorf bei Salzburg ("Silent Night") und nicht zuletzt zu den tibetanischen Friedensgebeten ("Tibetan Prayer for Peace"). Ein Album, das jedes Jahr wieder sehr viel Freude bereitet und auf Discogs recht preiswert erhältlich ist. //
Alle Texte: Manfred Horak
Foto: Pixabay by Van3ssa_
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