Die Gruppe Ja, Panik ist endlich wieder live zu hören.
Mit Andreas Spechtl zu sprechen, ist jedes Mal ein besonderes Vergnügen, diesmal trafen wir uns allerdings nicht analog von Angesicht zu Angesicht, sondern digital von Wohnzimmer zu Wohnzimmer. Nach sieben Jahren veröffentlicht die aus dem Burgenland stammende und in Berlin ansässige Band Ja, Panik mit "Die Gruppe“ endlich wieder ein Album, das sechste in ihrer mittlerweile 15-jährigen Bandkarriere. Ein Gespräch mit Sänger und Texter Andreas Spechtl über die 11 neuen Lieder, über Systemrelevanz, Kapitalismus, Zielgruppen, Vinyl Platten und Live Stream.
Andreas Spechtl Interview
Die Gruppe Ja, Panik, das sind Sänger und Texter Andreas Spechtl, Bassist Stefan Pabst, Laura Landergott an Keyboards & Gitarre, Sebastian Janata am Schlagzeug, sowie Saxofonistin Rabea Erradi als Gastmusikerin. Die elf Stücke wurden 2019 fertiggeschrieben, die Demos entstanden im Frühjahr 2020 in Tunesien, die Pandemie verzögerte dann die eigentlichen Aufnahmen im Burgenländischen Heimstudio bis in den Herbst hinein. Am Neujahrstag war es dann aber soweit und Ja, Panik veröffentlichte das sechseinhalbminütige Lied "Apocalypse or Revolution“ als Vorbote zum Album "Die Gruppe“, das seit Ende April 2021 erhältlich ist. Darauf zu hören gibt es 11 im Indie-Rock angesiedelte Songs, die von der Liedreihenfolge her für die klassische Vinyl-Veröffentlichung einen super Bogen spannen. Höhepunkte sind, neben dem Schlusssong "Apocalypse or Revolution“, die zweite Single-Auskopplung "On Livestream“, sowie das im Gruppenchor gesungene "The Cure“ mit der zum Auswendig lernen wiederkehrenden Textzeile "The only cure from capitalism is more capitalism“.
Natürlich fragt man sich, was Ja, Panik noch sein kann
Sieben Jahre ohne Ja, Panik ist eine lange Zeit, insbesondere, wenn man sich den Wandel im Musikbusiness und das damit einhergehende Hörverhalten von Musikinteressierten anschaut. Im Interview antwortete Andreas Spechtl auf die Frage, ob die Gruppe Bedenken hatte, dort nicht mehr anknüpfen zu können, wo Ja, Panik mit dem bislang letzten Album "Libertatia“ aufgehört hat - weniger im künstlerischen Sinne, sondern hinsichtlich was Bedeutung und Aufmerksamkeit anbelangt: "Man würde ja lügen, wenn man über so etwas nicht nachdenkt. Natürlich fragt man sich, was Ja, Panik noch sein kann. Wir haben uns diese Frage selbst stellen müssen, warum wir Lust darauf haben eine neue Platte zu machen. Die Antwort kam ganz schnell - es sind die selben Gründe wie mit Anfang 20. Die Gruppe Ja, Panik bedeutet uns allen sehr viel. Gerade durch diese lange Zeit, und dadurch, dass jeder etwas anderes gemacht hat, konnte man nochmals ganz anders zurückfinden. Jeder hatte sich irgendwie menschlich und künstlerisch zu sich selbst gefunden. Vor sieben Jahren war auch ein Moment erreicht, wo wir noch ein paar Platten hätten machen können, und dann wäre es aus gewesen. Das haben wir überdauert.“ Von der Herangehensweise und weil auch kein Druck und keine Erwartung eines neuen Albums da war, trägt "Die Gruppe“ durchaus den Spirit eines ersten Albums in sich. Andreas Spechtl: "Man sagt, bei der ersten Platte hat man alle Zeit der Welt. Wir hatten gefühlt jetzt auch alle Zeit der Welt. Keiner hat wirklich darauf gewartet und wir haben das einfach so aus sich selbst entstehen lassen.“
Die Etablierung einer Soundwelt
"Die Gruppe“ ist das erste Ja, Panik Album, das Andreas Spechtl ganz ohne fremde Hilfe produziert hat. Es war diesmal in der Neufindung der Band kein Platz für jemanden von außen, erklärte er im Interview, und gleichzeitig entspricht es auch dem Grundverständnis von Ja, Panik. Andreas Spechtl: "Im weitesten Sinne versuchen wir alles bei uns zu behalten, was diese Band betrifft. Wir hätten mit Anfang 20 vielleicht schon gern unsere Platten selbst produziert. Es war halt nicht möglich ohne technisches Know-how und Equipment.“ Eine bestimmte Zielgruppe haben die gefeierten Kritikerlieblinge deutscher Fachmagazine und Feuilletons nie im Visier, wenn es an die Produktion geht, allerdings wird das Konzept eines Vinyl-Albums herangezogen, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass "Die Gruppe“ einen bestimmten Sog entwickelt. Andreas Spechtl: "Für den Einstieg ins Album wurde wahnsinnig viel Arbeit verwendet, wie man da reinfindet, und wie die Stücke ineinander gehen, und dass man diese Soundwelt etabliert. Spätestens ab "On Livestream“, dem fünften Lied, hat man diese Welt etabliert. Dann kann man sich darin bewegen und die Platte wird etwas freier. Für mich gehören die ersten vier Lieder absolut zusammen. Das ist natürlich nicht das, wie die klassischen Streaming-Hörer*innen Musik konsumieren, aber das ist das, was mich interessiert.“ //
Gefällt Ihnen der Artikel? Jeder Beitrag zählt!
paypal.me/gylaax
Kulturwoche.at ist ein unabhängiges Online-Magazin, das ohne Förderung von Bund/Stadt/Land bzw. Großsponsoring auskommt.
Interview, Text und Podcast-Produktion: Manfred Horak
Fotos: Manfred Horak, Max Zerrahn