"Christmas in the Heart" ist das erste Dylan-Album seit "World Gone Wrong" (1993), auf dem ausschließlich Coverversionen zu hören sind. Dass er sich ausgerechnet Weihnachtslieder vornahm ist eine große Überraschung. Weniger überraschend vielleicht, dass His Bobness innerhalb dieses Genres ein echter Meilenstein gelang.
Dieses Album sollte sich eigentlich jeder, der Weihnachtsmusik zuhause spielt zulegen, und dafür gibt es dreifaltige Gründe.
Hohoho, 1: Der Erlös des Albums geht zur Gänze an das Welternährungsprogramm (World Food Programme).
Hohoho, 2: Die 15 ausgewählten Lieder sind eine gelungene Mischung aus altbekannten Weihnachtsklassikern wie "Here Comes Santa Claus", "Winter Wonderland", "Silver Bells", und wie sie alle heißen, und weniger vertrautem wie "Christmas Blues", "Must be Santa" und "Christmas Island".
Hohoho, 3: Der Sound, die Tonqualität und die Umsetzung. Hier wurde mit Bedacht der Idee des Weihnachtsliedes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein weicher Sound, wie man es sonst nur von alten Weihnachtsliedaufnahmen eines Nat King Cole, Bing Crosby, Dean Martin und Frank Sinatra kennt. Hier setzt Dylan an und geht gleichzeitig noch einen Schritt weiter, indem er zur Gänze die dicken Streichersätze weglässt, und nur auf seine Band, auf einen 7-köpfigen Gesangschor und auf ein paar Glockenspiele vertraut. Zudem ist Dylan mit seinem Gesang - die Veränderung in der gesanglichen Ausdrucksform kann man in seinen Chronicles (Vol. 1) nachlesen - längst im Crooning angekommen, was wiederum prinzipiell hervorragend zu Weihnachtsliedern passt. Heraus kommt dadurch ein unpathetisches, homogenes Ganzes. Auf guter HiFi-Anlage gehört, entfaltet sich somit ein unglaubliches Hörerlebnis der audiophilen Art. Hört mal in "Winter Wonderland", "Here Comes Santa Claus" oder "Silver Bells" rein - das ist pure Magie, Superlativ. Ein weiteres Highlight ist "Must be Santa" von Hal Moore und Bill Fredericks (1959), sozusagen Dylans Nightmare Polka Christmas. "Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner and Blitzen / Reindeer sleigh, come our way / HO HO HO, cherry nose / Cap on head, suit that's red / Special night, beard that's white / Must be Santa…" - dazu gibt es übrigens ein ziemlich abgefahrenes Video.
Dieser Song zeigt auch die zwei Seiten des Albums auf - die nostalgische Variante sieht man als Cover (dieses Motiv ist in der Deluxe Edition als Postkarte beigelegt), die Pin Up Girl Variante entdeckt man auf der Rückseite, und erinnert in gewisser Weise an den Sager von Nick Cave, als er sagte: "Dylans 'Slow Train Coming' ist das dreckigste Gospel-Album, das ich kenne". Mit "Christmas in the Heart" überlistet Dylan alle Zweifler allerdings mit einem Augenzwinkern. War "World Gone Wrong" also noch eine Verbeugung vor den alten Bluessängern und deren Liedern, und waren seine nachfolgenden Alben mit eigenen Songs - Time Out Of Mind (1997), 'Love and Theft' (2001), Modern Times (2006) und Together through Life (2009) - quasi eine Verbeugung vor der (musikalischen) Zeitlosigkeit, so ist "Christmas in the Heart" die Vertonung des weihnachtlichen Spiritus, eine reine Herzensangelegenheit und definitiv eines der fünf besten Weihnachtsalben in der Popularkultur. Must be Santa? Must be Bob! //
Text: Manfred Horak
CD-Tipp:
Bob Dylan – Christmas in the Heart
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@ (audiophil)
Label/Vertrieb: Columbia/Sony BMG (2009)
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