ferry_bryan1Dem Album "Dylanesque" von Bryan Ferry attestierte ich Fadheit. In Wahrheit entpuppten sich so manche Ferry'sche Interpretationen von Dylan-Liedern beim Live-Konzert am 16. Mai 2007 in der Wiener Stadthalle als Peinlichkeiten.

Am ärgsten traf es dabei das politische Lied "The Times They Are A-Changin'", das bei Mr. Ferry wie ein Versuch klang The Hollies zu kopieren, und mal ehrlich, The Hollies waren schon schlimm genug. Dabei begann das Konzert sehr viel versprechend, nämlich mit einer wunderbaren Version von "The In-Crowd" aus dem 1974er-Album "Another Time, Another Place". Und auch mit Dylans "Just Like Tom Thumb's Blues" und einer fragilen Version von "Positively 4th Street" war die Welt noch in Ordnung, die Erwartung groß, die Freude bei einem sehr guten Konzert zugegen zu sein vorhanden.

Gnade!

Aber dann gab es eben diesen Knacks mit "The Times They Are A-Changin'" und - fast ebenbürtig übel - mit "Simple Twist of Fate". Wohin man auch hörte, keine Kanten - diese Versionen haben das Potenzial bei einer x-beliebigen Schlagersendung gespielt zu werden - und was mich am meisten verblüffte, dass dabei einige im Publikum im Sitzen Disco-Figuren ausübten, am heftigsten übrigens im apokalyptischen "A Hard Rain's A-Gonna Fall", das an diesem Konzertabend erneut zur Lachnummer verkam. Wie sehr Bryan Ferry auch bei den meisten Dylan-Liedern scheiterte, dazwischen gab es immer wieder äußerst helle Momente, die zur Versöhnung beitrugen, und einfach großartig daherkamen.

Essenziell

Selten gespieltes wie "Tokyo Joe" aus dem stark unterschätzten Album "In Your Mind" aus dem Jahr 1977 oder das wunderbare "When She Walks In The Room" aus dem feinen Album "The Bride Stripped Bare" aus dem Jahr 1978 waren Leckerbissen allererster Sahne. Ferry spielte bei letztgenanntem Klavier, Mandy Drummond begleitete ihn dabei an der Violine, und zusammen ergab dies ein essenzielles Hörerlebnis. Die Band selbst war übrigens auf Perfektion getrimmt, irgendwie rührend und auffallend der sehr junge Gitarrist Oliver Thompson, ein New Romantic mit übergroßem Scheitel, der bei einigen Soli mehr von der Gitarre wollte was er imstande war zu spielen. Der zweite Gitarrist Leo Abrahams war da schon etwas zurückhaltender und brachte einige wohltuende mediterrane Gitarrenläufe zu Gehör. Bryan Ferry, fesch g'sackelt wie immer und wie man es von ihm ja auch nicht anders erwartet, gab im Zugabenblock dann noch eine resche Version von "Let's Stick Together" aus dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 1976, sowie den Roxy Music-Klassiker "Love Is The Drug" aus dem Album "Siren" (1975), und, abschließend, die Liebe bis zum Höhepunkt fortführend, den Hayes/Porter-Klassiker "Hold On I'm Coming". (Text: Manfred Horak; Foto: Ausschnitt aus dem Albumcover "The Platinum Collection". EMI; 2004)

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