Roxy Music gibt es schon lange nicht mehr und doch immer wieder mal. Die Hits der Aufsehen erregenden Gruppe von damals, von "Re-Make/Re-Model" über "Virginia Plane" bis zu "Do the Strand" klingen heute noch nach und erinnern, ob gewollt oder nicht, an seltsame Figuren mit viel Schminke im Gesicht und Federboas, galant um androgyne Körper geschwungen. Ein Buch gibt Auskunft darüber. Alfred Krondraf las es.
Die Stars von Roxy Music waren Bryan Ferry und der Mann mit dem wohl genialsten Namen der Rockgeschichte, Brian Peter George Saint John la Baptiste de la Salle Eno, kurz Brian Eno oder noch kürzer Eno. In der zweiten Reihe standen Andy Mackay, Paul Thompson und Phil Manzanera, ganz hinten waren die unzähligen Bassisten der Band platziert. Etliche Musiker gaben sich in den Anfangsjahren ein kurzes Stelldichein, unter anderem auch David O'List, der auch bei "The Nice" unter anderem im Verbund mit Keith Emerson, dem späteren Frontmann von "Emerson, Lake & Palmer" zugange war.
Szenenwechsel
Die Geburtswehen waren überstanden. Roxy Music hatte zu einer Stammbesetzung gefunden und man machte sich an die Arbeit. Eigenartig gewandet absolvierte die Gruppe etliche Clubkonzerte, immer auf der Suche nach einem Label, gierig nach einem Plattenvertrag. Die Zeit (die Menschheit und auch die Pfauenfedern befand/en sich in den ganz frühen 1970er Jahren) war reif für Stilikonen und vor allem Eno kam diesen Forderungen mehr als nach. Der selbsternannte "Nichtmusiker", der am Synthesizer Töne, Klänge und Geräusche erzeugte und immer im Publikum und nicht auf der Bühne stand, erfüllte die Erwartungen voll und ganz. Sein androgynes Erscheinungsbild, die spärlichen, dafür aber umso längeren blonden Haare, und seine Art sich zu kleiden machten ihn, trotz fehlender Bühnenpräsenz, zum optischen Mittelpunkt der Band. Da knallte Ego auf Ego. Bryan Ferry, der sich selbst auch gerne im Mittelpunkt sah und der sich selbst zum aufgestiegenen Hero der "Working Class", er stammte aus eher einfachen Verhältnissen, stilisierte, konnte mit dem schillernden Paradiesvogel Eno, von dem er später mal behaupten würde er hätte unvorstellbaren Erfolg bei Frauen gehabt und wäre der Kopulationsweltmeister der Rockstars gewesen, nicht viel anfangen. Musikalisch ja, da schon, nur menschlich war genau gar nix!
Hits and Splits
Bryan Ferry, der immer mehr in den Vordergrund drängte, stamperte Brian Eno und der Sound der Band änderte sich nachhaltig. Nix war es mehr mit den Tönen und Geräuschen mit denen der exzentrische Paradiesvogel Eno die Songs von Roxy Music bereichert hatte.
Probleme, Unstimmigkeiten innerhalb der Band, Tourneen und die, erfolglosen, Versuche in Amerika den Durchbruch zu schaffen und in GB endlich einen Nummer Eins Hit zu landen, folgten. Bryan Ferry, immer perfekt gekleidet in feinstes Tuch von britischen Edelschneidern, aber nach wie vor linkisch im Gehabe auf der Bühne, startete seine Solokarriere. In der Auswahl seiner Nummern bewies der Emporkömmling nicht immer eine goldene Hand. Von der Kritik wurden etliche seiner Alben als schlicht und ergreifend fad bezeichnet, trotzdem gelang es dem Schönling mit seiner "Unsingstimme" und seinem Gehabe immer wieder, in die Schlagzeilen zu kommen. Die Klatschspaltentanten der "Yellow Press" erkoren ihn zu ihrem Liebling und jede seiner Wortspenden wurde kommentarlos wiedergegeben.
Bryan Ferry Superstar versus Brian Eno Superstar
Eno widmete sich in dieser Zeit seinen für damalige Begriffe abgehobenen Experimenten mit Geräuschen und wurde zu einem der Geburtshelfer des "Ambient Sounds". Was für die einen Musik für den Fahrstuhl im Kaufhaus war, war für die anderen das, was man heute als Musik zum "chillen", ein anderer Ausdruck für "nix tun", ist, bezeichnet.
Phil Manzanera, ebenfalls ein Gründungsmitglied von Roxy Music versuchte seinem Namen gerecht zu werden. Irgendwie ist Manzanera ja ein Name der an Südamerika erinnert, da schwingen doch so Fantasien von Gauchos und riesengroßen Steaks, gegrillt unter freiem Himmel, begleitet von Gitarrengeschrummel mit. Aber Phil Manzanera schafft es, diesem Anspruch gerecht zu werden, mehr als gerecht. Seine Musik ist nicht unbedingt kompliziert gestrickt, es ist ganz einfach schöne Musik für bestimmte Augenblicke und dem überzeugtem Nostalgiker wird es sogar gelingen, sich beim Abhören der manzanerischen Musik an so manche Roxy Music-Komposition zu erinnern. Nostalgiker, was willst du mehr? Phil Manzanera, geheimer Superstar!
"Noblesse oblige" und Live 8
Heute erfreut sich Bryan Ferry, als sichtlich gereifter "Elder Musicman" seiner gloriosen Vergangenheit und kann es nach wie vor nicht lassen von Zeit zu Zeit eine CD mit alten Coverversionen zu veröffentlichen. Man bedenke, Bryan Ferry ist der Mann der mal eine Nummer über die Liebe zu einer aufblasbaren Puppe geschrieben hat (!).
Brian Eno hingegen genießt in älteren Jahren seinen Status als Koitationsroboter der Popgeschichte und befasst sich weiterhin mit seinen Soundexperimenten, Fahrstühle gibt es in der Zwischenzeit ja mehr als genug und alle wollen eben irgendwie beschallt werden.
Ob sich das nunmehrige Trio Roxy Music mit den Herren Bryan Ferry, Phil Manzanera und Andy Mackay noch einmal in ein Tonstudio bequemen wird um "Avalon" die Bürde des letzten Roxy Music-Albums zu nehmen ist freilich sehr ungewiss, wenn auch nicht allzu spekulativ, denn schließlich begaben sich die drei Ur-Roxys vor wenigen Jahren wieder auf eine längere Tournee und zuletzt spielten sie sogar im Rahmen von "Live 8" auf. Das Buch versinnbildlicht all diese Höhepunkte der Roxy-Familie und lädt zum mehrmaligen Schmökern und Nachlesen ein. (akro)
Buch-Tipp:
David Buckley - Bryan Ferry und Roxy Music
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Verlag: Hannibal (2005)
CD-Tipps:
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Before and after Science
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Label/Vertrieb: Virgin/EMI (1977)
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Label/Vertrieb: Virgin/EMI (1981)
Brian Eno & John Cale - Wrong Way Up
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Label/Vertrieb: Warner (1990)
More Music for Films
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Label/Vertrieb: All Saints Rec./Lotus (2005)
Phil Manzanera [Auswahl]
Vozero
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Label/Vertrieb: Rykodisc/Lotus (2004)
50 Minutes later
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Label/Vertrieb: Rykodisc/Lotus (2005)