In Teil 3 unserer Artikelreihe 'Georg Danzer Remastered' beschäftigen wir uns ein letztes Mal mit der Georg Danzer Band. Diesmal im Visier die drei Alben "Jetzt oder nie", "Und so weiter" und "Menschliche Wärme".

Wenn man sich sämtliche 27 Alben aus der Remastered-Reihe durchhört, bleibt man rasch bei "Jetzt oder nie" (1982) hängen. Hier befand sich die Georg Danzer Band am Höhepunkt ihres Schaffens. Die elf Lieder haben allesamt einen hohen Repertoirewert, im Arrangement gelang ihnen eine unheimlich dichte Kombination aus Folk und Rock inklusive einer Ahnung Jazz und die Texte von Danzer waren ein einziger Fluss an Ideen und Visionen. Die Band agierte hier homogen und kraftvoll wie nie, kurzum: dieses Album ist ein Geniestreich.

Ich hab nix geg'n junge Leute / wenn sie folgsam sind und rein

Darauf enthalten ist auch eine gelungene Annäherung an die in diesen Jahren grassierende NDW (Neue Deutsche Welle), nämlich "N.E.I.N (Du bist nicht allein)" mit einem stark reduzierten Text und mit den typisch sparsam eingesetzten musikalischen Effekten. In eine ähnliche Richtung geht auch das Lied "Die Bürgerwehr", das sich allerdings eher an die österreichische Szene orientierte und von der Idee vor allem an "Psychoterror" von Drahdiwaberl erinnert. So wie Drahdiwaberl verwendete auch Danzer Originalzitate wie "Ich hab nix geg'n lange Haare / nur gepflegt müssen sie sein / ich hab nix geg'n junge Leute / wenn sie folgsam sind und rein". Stimmen aus dem Volk und Zitate aus Politikerreden verschwimmen hier zu einem Sittenbild unserer Gesellschaft. Diese zwei Lieder sind formale Ausnahmen auf diesem Album, integrieren sich jedoch sehr gut in das Gesamtbild von "Jetzt oder nie".

Kinder, die nie Liebe spür'n / werden kalt und hart

Zu hören ist hier auch das Lieblingslied von Danzer, "Nur a klana Bua im Winter". Der Einstieg erfolgt, wie so oft bei einem Danzer-Album, mit einem kurzen Intro. Das knapp einminütige "Und immer und immer (hob i di gern)" singen Papa und Tochter Daniela gemeinsam, das uns vor allem eines sagt: Achtet auf die Kinder, ihnen gehört/sie sind die Zukunft. "Zukunft" heißt denn auch das anschließende Lied mit Textzeilen wie "Kinder, die nie Liebe spür'n / werden kalt und hart / Kinder ohne Zukunft führ'n / Krieg mit der Gegenwart". Man spürt sofort, hier schuf Danzer etwas Außergewöhnliches, gemeinsam mit einer Band, die in der Top-Liga spielt. Das Lied hat einen enormen Aktualitätsbezug, dies seit 1982. Sehnsucht nach Freiheit und Veränderung vermittelt hingegen "Auf und davon", und zwar gleich mit den ersten Takten. Und einmal mehr staunt man in voller Demut, was dem Danzer mit diesem Lied gelungen ist. Der Einsatz von Steeldrums zwischen Refrain und Strophe geben dem ansonsten recht rockigen Lied eine spezielle Atmosphäre nach Ausbruch aus dem gewohnten Gang des Lebens.

Intelligent und kompromisslos

Der Traum von der Freiheit steht auch im Zentrum vom Titellied, das mit einem schönen Flötensolo von Frank Lüdeke eingeleitet wird. Mit Kinderstimmen aus dem Schulhof endet das Lied, und mit Kinderstimmen aus dem Schulhof beginnt die zweite LP-Seite, dem Track 7 auf der CD namens "Zärtlichkeit". Danzer geht hier in die Offensive, prangert die Totengräber einer jeden Kultur an, "die Psychiater, die die Menschen verbieg'n und die Architekten, die die Wohnsilos bau'n". Zärtlichkeit, so lautet hier die Botschaft, "wäre die Sprache der Menschheit / die die Menschen wortlos vereint". Um Zärtlichkeit und Vertrautheit geht es auch im darauffolgenden Lied "Nur a Stückl Himmel", indem sich eine Frau und ein Mann jeden Freitag um vier in einem Stundenhotel treffen. Einmal mehr fordert Danzer hier also die Leute auf aus dem Alltag auszubrechen. Musikalisch gleitet das Lied fast schon in die Van Morrison'sche Leichtigkeit im "Autumn Song" (aus: "Hard Nose The Highway"; 1973). Auf unprätentiöse Art ein herrlich dahinschwebendes Stück Musik. "Jetzt oder nie" ist ein atemberaubendes Album. Intelligent und kompromisslos.

Stehst du hinter dem, was du da singst?

Was auf "Jetzt oder nie" allerdings keinen Platz fand waren die humorvollen Seitenhiebe. "Jetzt oder nie" ist ein durch und durch ernstes Album. Das Nachfolgealbum "Und so weiter" (1983) hat hingegen ganz andere Ansprüche. Danzer verarbeitet in manchen der 10 Lieder sein Leben auf Konzerttournee ("Wer bist du???"; "Fort von dir"; "Auf Tournee"), stellt sich den Fragen, die er in den letzten Jahren gestellt bekam ("Rund um die Uhr") und er singt allgemein über das Prominentenleben und der Neidgesellschaft ("Gesichtskontrolle"; "Wieder normal"; "Künstlerpech"), zudem sinniert er im Titellied über seine große Liebe. Politisch wird er auf "Und so weiter" nur zweimal, im herrlich versponnenen Hit "Zombieball", musikalische Anleihen an Steely Dan inklusive, und in "Die Türken", bei dem er Parolen und Geifer persifliert. Alles in allem ist "Und so weiter" ein gewöhnungsbedürftiges Album, das erst mit der Zeit an Tiefe gewinnt, und mit "Zombieball" brachte es zudem einen weiteren echten Danzer-Klassiker ans Licht. Angesichts des übermächtigen Vorgängeralbums musste es bei Erstveröffentlichung jedoch irritierend und wie eine Art Übergangsalbum wirken. Unterschätzen sollte man das Album deswegen aber nicht, nur weil es im Schatten von "Jetzt oder nie" steht, im Gegenteil. Achtet nur mal auf den Gesichtsausdruck von Danzer am Album-Cover und ihr wisst was euch erwartet.

Und drum sing i mei Lied / und frag mi ned was wird

Dem folgte das letzte Album der Georg Danzer Band, "Menschliche Wärme" (1984). Ein Ende war plötzlich abzusehen, denn in diesen 11 Liedern rückte die Band einigermaßen in den Hintergrund, und an einer Stelle im Album ruft Georg Danzer dem Gitarristen Michael Gechter sogar zu, "Spü! Spü! Es könnt des letzte Mal sei!", was recht eigenartig anmutet. Zugrunde liegen dem Album stark politisch ambitionierte Lieder und schließt somit recht deutlich an "Jetzt oder nie" an. Gleich der hervorragende Opener "Für Anne" (1912) zeigt in welche Richtung das Album geht und im darauffolgenden "Flugzeuglied" stellt Danzer die alte Frage, "Und was werden wir den Kindern sagen / wenn uns unsre Kinder einmal fragen: / Habt ihr nie daran gedacht / euch zu beklagen???" Weitere Lieder zu diesem Kernthema sind das textlich misslungene "Der General", das feine Spottlied "Ronny und Juri", der auf NDW getrimmte Spoken Word Rap "Eine Utopie", eine Cover-Version von Donovans "Atlantis" und das zum Text passend unterkühlte "Space Invaders". Ausgetobt hat sich der Herr Danzer auch wieder in Sachen Soundcollagen, das dem Album feine Übergänge von einem Lied zum nächsten beschert, frei nach dem Motto "Alle Macht den Träumern und ihrer Phantasie".  Mehr über Georg Danzer und seine Band gibt es in TEIL 1 und TEIL 2 nachzulesen, bzw. in TEIL 4 nachzuhören. //

Text: Manfred Horak
Foto: Filmstill aus "Licht ins Dunkel", 1983

Georg Danzer: Jetzt oder nie
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@1/2
Label/Vertrieb: Polydor/Universal (1982; Digitally Remastered 2011)

Georg Danzer: Und so weiter
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Polydor/Universal (1983; Digitally Remastered 2011)

Georg Danzer: Menschliche Wärme
Musik: @@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Polydor/Universal (1984; Digitally Remastered 2011)

Link-Tipps:
Interview mit Georg Danzer aus dem Jahr 2003
Podcast Interview mit Georg Danzer aus dem Jahr 2007