Seit 31.1.2025 läuft The Brutalist im Gartenbaukino und man darf gespannt sein, wie viele der Oscar Nominierungen zu Auszeichnungen werden.
The Brutalist Filmkritik
Visionäre Ideen, ein radikaler Neuanfang und die Frage nach dem wahren Preis des Erfolgs: The Brutalist erzählt die epische Geschichte von László Toth, jüdisch-ungarischer Architekturmaestro,der 1947 als KZ-Überlebender aus dem vom Krieg zerstörten Europa in die USA emigriert, um der Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft ein Fundament zu schaffen.
Erzählkunst höchster Form
Das 215 Minuten Filmdrama würdigt ein schicksalhaftes Leben. Jahrzehnte, die sich aus sich selbst erbauen – Erzählkunst höchster Form. László Toth ist eine Symbolfigur des jüdischen Widerstands gegen industrialisierten Antisemitismus, dem Streben nach neuem Sinn. Obwohl der Film auf Fiktion basiert, trägt er doch die Realität etlicher Leben in sich. Hauptdarsteller Adrien Brody verleiht der Figur eine spürbare Körperlichkeit, die durch die vierte Wand hindurchzudringen scheint und tief berührt. Sobald die Kamera den ersten Glanz seiner Augen einfängt, greift der Bann dieser mitreißenden Performance. Unter der Regie von Brady Corbet wird The Brutalist zu einem filmischen Highlight. Nicht umsonst konnte er bereits den Silbernen Löwen für beste Regie bei den Filmfestspielen in Venedig 2024 sowie drei Golden Globes erringen, er gewinnt bereits jetzt höchste Anerkennung mit epischen zehn Oscar Nominierungen.
Die Wiederbelebung des Selbst
Eros wiederzufinden, Lebenslust und Sinnlichkeit, ist keine reine Sache des Verstandes. Es ist der Wagemut, nach Trauma das erste Mal zu tanzen, zu lachen, einen Traum zu verfolgen. Für den Protagonisten László Toth kommt es als niederschmetternde Erkenntnis, Erlebtes nie zurücklassen zu können, sich trotz aller Bemühungen nicht von dem Geschehenen befreien zu können. Ein Neuanfang bleibt Sehnsuchtstraum und Utopie zugleich. So bricht das The Brutalist auch mit dem Mythos American Dream. Die Aussicht auf Ruhm und Reichtum durch harte Arbeit entwickelt sich zum Zwang und Symptom der kapitalistischen Neurose. Auch der amerikanische Freiheitstraum übersetzt sich letzten Endes in Gleichgültigkeit, in Diskriminierung und der unmöglichen Zugehörigkeit für plackenden Migrant:innen.
Wie also umarmt man das Leben erneut als Überlebender und Zuwanderer? Die Frage nach Sinn findet sich in Kreativität und Kreation, schaffen aus dem Staub. Ein Vermächtnis ins Leben rufen, wenn einem selbst nichts geblieben ist. Auf dem Fundament von Schmerz und Verlust findet Toth in der kalten und wuchtigen Kraft des Brutalismus den künstlerischen Ausdruck für seine zerrissene Seele. Dabei ist seine Architektur so kompromisslos wie er selbst, getrieben vom unbändigen Willen, die Welt zu prägen – selbst wenn sich sein bedeutendstes Werk als sein größter Fluch erweisen könnte.
Im Spiegel der Geschichte: The American Dream
Dieser Traum trägt in unserer Gegenwart große Symbolkraft, weshalb The Brutalist eine zeitlose Aktualität in sich trägt. Aus der Geschichte extrahiert und wiederfindbar in den globalen Migrationsbewegungen. Entblößt wird der Mythos als leerer Slogan und Beschwichtigung für die Systemerhalter;innen einer Elitenherrschaft. In gewaltiger Brutalität wird der Missbrauch von bedürftigen Mitmenschen dargestellt, die Entmenschlichung hin zur Arbeitskraft.
Oft scheitern Versuche, Geschichte durch die Linse der Gegenwart zu reflektieren. In diesem Falle ist es jedoch auf eindrucksvolle Weise gelungen. Dabei bekommt jede Figur die Tiefe, die ihr zusteht. Die Frauenfiguren sind nicht ihrer Zeit voraus, sondern sind als würdevolle Einflussträgerinnen dargestellt. So schafft The Brutalist den Spagat zwischen Authentizität und Historiendrama.
Seit 31.1.2025 läuft The Brutalist im Gartenbaukino und man darf gespannt sein, wie viele der 10 Oscar Nominierungen – Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Bester Hauptdarsteller, Bester Nebendarsteller, Beste Nebendarstellerin, Beste Kamera, Bester Schnitt, Beste Filmmusik, Bestes Szenenbild – zu Auszeichnungen werden. So viel sei versprochen: exzellente Filmkunst und jedes Bild ein architektonisches Meisterwerk. //
Text: Greta Maria Kogler
Fotos: Universal Pictures
The Brutalist
Regie: Brady Corbet
GB 2024 | 215 min (inkl. 15 min Pause!)
Cast: Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce, Joe Alwyn, Raffey Cassidy, Stacy Martin, Emma Laird
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