Panaibra Gabriel Canda tanzt sich in "The Marrabenta Solos" im brut im Künstlerhaus unter Gitarrenklängen Schicht um Schicht durch Spuren der Geschichte seines Landes, die seine Identität - und damit auch seinen Körper - beeinflussen. Über den Lebensbeat und den Körper als Museumsstück berichtet Veronika Krenn.
Der Sohn eines aus Mosambik stammenden Musikers und einer portugiesischen, evangelischen Schneiderin verarbeitet tänzerisch die unruhige Geschichte seines Heimatlandes: Bis 1975 portugiesische Kolonie, dann Volksrepublik, Kommunismus, Bürgerkrieg und schließlich die demokratischen Wahlen 1994.
Unvereinbare Anforderungen
Gestisch stellt der Tänzer und Choreograph die verschiedenen Einflüsse und Strömungen dar: Ist er ein portugiesischsprachiger afrikanischer Bürger, ein Demokat, ein afrikanischer Kommunist oder ein demokratischer Bitonga? Er scheint in sich zerrissen zu sein in unvereinbaren Anforderungen, die aus den jeweiligen Labels resultieren. Mit den Füßen stampft er die Rhythmen seines Landes, die sein Leben begleiten. Mit den Händen verkörpert er die dazu gehörigen politischen Haltungen.
Musikströmung um die portugiesische Gitarre
Kongenial begleitet wird der Tänzer dabei von Jorge Domingos, der auf der Gitarre Kompositionen von acht verschiedenen Marrabenta-Komponisten spielt. Marrabenta ist ein urbaner Musik- und Tanzstil in Mosambik, der sich aus verschiedenen Einflüssen entwickelte. Er stammt aus den 1950er Jahren und ist eine Mischung lokaler und europäischer musikalischer Strömungen rund um die portugiesische Gitarre.
Experiment demokratischer Körper
Panaibra Gabriel Canda versucht sich und seine Kunst von Zuschreibungen zu befreien und die Anforderungen der jeweiligen politischen Periode noch einmal zu durchleben,um sie abstreifen zu können: "Man muss den Stammeskörper auslöschen." Oder den rituellen, den schwarzen, den afrikanischen Körper. "Man muss einen assimilierten Körper erschaffen." Dann wieder soll ein kommunistischer Körper erschaffen werden, notfalls auch im Umerziehungslager. Schlussendlich soll ein demokratischer Körper erschaffen werden.
Mit einem Stahlhelm am Kopf konfrontiert Canda die Reste der Kolonisation, das Scheitern des Kommunismus und das Experiment der Demokratie. Als seine geliebte Heimat fungiert sein Körper und der Körper seines Landes, der u.a. aus Regionen, Provinzen, 25 Mio. Einwohnern mit 50% Analphabetismus besteht. Er zählt die Jahre und Tage bis zum heutigen Tag im Mai 2014, wo sein Atem den Takt angibt. Beim späteren Publikumsgespräch wird er sagen: "Das Morgen hängt von uns allen ab." Großer Applaus! (Text: Veronika Krenn; Fotos: Bruno De Tollenaere)
Kurz-Infos:
The Marrabenta Solos
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Aufführung am 18.5.2014
brut im Künsterhaus im Rahmen der Festwochen Wien
Choreografie und Text Panaibra Gabriel Canda
Musik Jorge Domingos
Licht Myers Godwin
Kostüme Mama Africa, Lucia Pinto
Mit Panaibra Gabriel Canda und Jorge Domingos