makulatur-001Erfolgsautor Paulus Hochgatterer liefert bei den Wiener Festwochen ein postdramatisches Auftragswerk für das Schauspielhaus Wien ab. Heraus kam eine besonders ungünstig verlaufende Form aus der Gruppe der halbmodernen Regieneurosen.

Neurotomanie, postdramatische

Die Welt ist voller Neurosen. Das ist jetzt weder eine besonders berauschende, noch eine besonders originelle Einsicht. Der an sich durchaus sympathische Kinderpsychiater und Romanschreiber Paulus Hochgatterer hat sich in einem Auftragswerk im Genre des Dramatischen versucht und ist schnurstracks in der postdramatischen Belanglosigkeit gelandet. Das mag die AnbeterInnen des Kults der teflonartigen theatralen Berührungslosigkeit im fast neuen, deutschsprachigen Regietheater erfreuen, im Laufe des Abends stellt sich dabei aber lediglich Fadesse und Ärger ein.

Video kills the theater star

Auf einer mehrstufigen Podestbühne mit Fernsehern (was täten wir nur ohne Video und Fernseher in unseren Theatern...?) werden Figuren bis zum Gähnen verfremdet und von Stück Regie dazu angehalten, ja nicht miteinander in Beziehung zu treten oder gar dramatische Spannung aufkommen zu lassen. Also werden flach-flapsige Monologe auf das Publikum abgelassen, Dialoge verkommen zur kommunikationsfreien Kanonade und - wie erwähnt, ganz wichtig - immer wieder belanglose Videobilder dazu, ab der Hälfte des Stücks auch noch mit nervigen Störbildern und Störgeräuschen. Zerhackte, isolierte Szenen (merke: postdramatisch!), zu denen als fast roter Faden ein junges Mädchen irrlichtert, alleingelassen von Text und Regie. Natürlich sitzen dann auch die anderen BühnenkollegInnen einfach herum, manchmal aber auch nicht, wer dahinter Form und Inhalt vermutet, hat schon fast das Konzept verstanden. Und ab und zu kriegt ein Textablader aus dem Bühnenkollegium einen unmotivierten Auszucker, um sich unmittelbar darauf wieder lammfromm und bedeutungslos zu äußern.

Ringelrei der Platitüden

Die Witzchen, die manchmal in den Text eingeflochten werden, machen der Simpl Revue alle Ehre (Kostprobe? "Geh nicht zu einem Professor, wenn du überleben willst!" und ähnlich lichtvolle Schenkelklopfer). Und weil sich sonst nicht viel tut, wird ein kleiner Papierscheiterhaufen abgefackelt und dann kommt auch gleich wieder der Störton als akustische Publikumsbelästigung. Regie sei Dank.

Blasser, fast routinierter Neurosenstrauss

Ah ja, worum geht's? Rund um den Wiener Schwedenplatz schauen allerlei Leute in Überwachungskameras und pflegen sorgsam ihre diversen Persönlichkeitsstörungen. Die an sich sehr guten SchauspielerInnen wie Max Mayer oder Katja Jung können aus diesem Stück und dieser Regie der Zwangsverfremdung auch keinen tollen Abend mehr retten. Der Kollege von den Oberösterreichischen Nachrichten schrieb zur Premiere, dass der "Autor [...] auf dem Weg ist, sich zum Routinier zu entwickeln." Nun für diese Nabelschau der Autorenwerdung waren der Abend zu belanglos, Produktion und Eintrittskarten zu teuer. Makulatur, letztlich. Es sei denn, frau oder man litten an postdramatischer Nihilophilie. Einer besonders ungünstig verlaufenden Form aus der Gruppe der halbmodernen Regieneurosen. (Text: Tantris; Fotos: Alexi Pelekanos / Schauspielhaus)

makulatur-002Kurz-Infos:
Makulatur von Paulus Hochgatterer
Bewertung: @@
Nachtkritik von Tantris zur Aufführung am 7.6.2012 im Schauspielhaus bei den Wiener Festwochen