ferry_bryan_dylanesqueEx-Roxy-Music-Sänger singt nicht zum ersten Mal Lieder von Bob Dylan, aber zum ersten Mal füllt er damit ein ganzes Album.

"There are those who do not imitate/Who cannot imitate", schrieb Johnny Cash dereinst in den Liner-Notes zu Nashville Skyline über Bob Dylan. Das mag auch einer der Gründe sein, warum Dylans Lieder so häufig gecovert werden. Derart häufig, dass man bereits seit langem den Überblick verlor. In den 1960er Jahren war es eine Zeit lang Mode, ganze Alben mit Dylan-Liedern zu füllen, das Spektrum reichte von Bands wie Hollies und The Byrds bis hin zu Sängerinnen wie Joan Baez, Judy Collins und Odetta. In den vergangenen Jahren wurden in zunehmenden Maße konzeptuell angelegte Dylan-Tribute-Alben veröffentlicht - anzuführen seien vor allem die grandiosen Alben "Jewels & Binoculars" von Michael Moore, "Red On Blonde" von Tim O'Brien und das überwältigend gute "Gotta Serve Somebody - The Gospel Songs of Bob Dylan" mit zum Teil wenig bekannten Gospel- und Soulformationen, aber auch mit Mavis Staples und - und! - Bob Dylan himself.

Ferry sings Dylan

Nun versucht sich also Bryan Ferry mit einem Album vollgepackt von Dylan-Liedern. "Heute erfreut sich Bryan Ferry als sichtlich gereifter 'Elder Musicman' seiner gloriosen Vergangenheit und kann es nach wie vor nicht lassen von Zeit zu Zeit eine CD mit alten Coverversionen zu veröffentlichen. Man bedenke, Bryan Ferry ist der Mann der mal eine Nummer über die Liebe zu einer aufblasbaren Puppe geschrieben hat." Diese ewigen Worte schrieb Alfred Krondraf an dieser Stelle anlässlich des Roxy-Music-Auftritts beim Festival Lovely Days, dabei war von der Veröffentlichung des Bryan Ferry-Albums "Dylanesque" noch weit und breit keine Spur, wie wohl lagen Alben mit ausschließlichem Fremdmaterial wie "Taxi" und "As Time Goes By" noch nicht allzu weit zurück. Bryan Ferry erklärte einmal, dass ihm Cover-Versionen-Alben einen ungeheuren Kreativitätsschub leisten, und tatsächlich folgte z.B. nach "Taxi" das sehr gute eigen komponierte Album "Mammouna".

Aalglatte Fassaden

Was bietet denn nun "Dylanesque"? In erster Line aalglatte Fassaden. Bei den meisten Interpretationen wünscht man sich einfach mehr Pepp, also Pfeffer, und in jedem Fall auch mehr Kanten. So zeitigt das Album leider ungeheure Schwächen, mehr noch, ziemlich grausame Neuvertonungen unzerstörbarer Lieder kommen zum Teil zu Gehör - sei es im einfach fad dahinplätschernden "Simple Twist of Fate" bzw. "Make you feel my Love" oder in irritierender Uninspiriertheit wie in "The times they are a-changin'" und "Gates of Eden". Der Einstieg mit "Just Like Tom Thumbs Blues" ist noch halbwegs gelungen, ebenso "Knockin' On Heavens Door", das allerdings wiederum eins der am häufigsten gecoverten Lieder in der Musikgeschichte ist und sich alleine aus diesem Aspekt heraus die Sinnfrage stellt, denn Bryan Ferry kann bei keinem der elf Dylan-Lieder auch nur ansatzweise neue Akzente setzen, geschweige, dass er an die Originale auch nur in die Nähe kommt. Und das ist auch schon das größte Dilemma an "Dylanesque". Aber bitte, es gibt ja angeblich auch Menschen, die mit der großartigen Kunst von Bob Dylan nur sehr wenig anfangen können, und mitunter Homo sapiens sapiens, die heute noch behaupten, er sei weder Sänger noch guter Musiker. Wie auch immer. Dylan zeichnet jedenfalls immer schon genau das aus, was Ferry auf "Dylanesque" fehlt: Die Emotion und das hantige, das kantige und das kratzige, letzten Endes natürlich das mystische. Es ist freilich nicht der erste Versuch von Bryan Ferry dem Liedgenius Dylan zu huldigen, mit"„A Hard Rains A Gonna Fall" landete Ferry bereits in den frühen 1970er Jahren einen großen kommerziellen Erfolg. Künstlerisch ist Ferry auch damals schon gescheitert, man denke nur an die clownesquen Lachanfälle in Ferrys Version zurück, die eine apokalyptische Vision mit einem untragbaren Zynismus unterwanderte. Einen ähnlichen Fauxpas leistet sich der britische Sänger mit der schönen Stimme zwar nicht, nur richtig glücklich macht das Album eben auch nicht, auch, weil es weitestgehend konzeptlos wirkt. Leider fad. (Manfred Horak)

CD-Tipp:
Bryan Ferry - Dylanesque
Musik: @@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Virgin UK/EMI (2007)

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