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dota_rosinen

Musik: @@@@@
Klang: @@@
Label/Vertrieb: www.Kleingeldprinzessin.de

Ein melodienstarkes zwischen heftiger Beschleunigung und Langsamkeit angesiedeltes sympathisches Großstadtalbum mit klugen Texten beschert uns Sängerin Dota Kehr und ihre Stadtpiraten. „Nachts allein durch die Stadt, das macht mir keine Angst/Dass ich keine Haftpflicht hab, das macht mir keine Angst/Und die Zukunft…macht mir manchmal Angst/Aber was mir Angst macht, sind diese komischen Tomaten“, singt sie im Reggae-verzierten „Menschenklone“ über Mustermänner und Versandhauskatalogbeispielbestellungsbögen, über die genmanipulierten Tomaten und den raubkopierten Menschenklonen, allesamt „genormt in der Form und neutral im Geschmack, zugeschnitten aufs Maul/glatter Lack, aber innendrin faul“, oder, wie es an anderer Stelle heißt, „Hunderttausend in der Statistik Scheintote/stehen vor Eurem Sender, sagen, wir sind Eure Einschaltquote“.
Ein kostbares Lied nach dem anderen geht in „Immer nur Rosinen“ quasi Hand in Hand, große Gefühlstumulte, bei denen man als Hörer in das Gravitationsfeld des Kehr’schen Musikkosmos gezogen wird. So heißt denn auch eines ihrer schönsten Lieder „Mond“, das samt dem wunderbaren Refrain „Ich muss dein Mond sein/Oder irgendein Trabant/in Deinem Sonnensystem“ mit Originalität derzeit die Essenz der deutschsprachigen Liedermacherszene darstellt und so nebenbei den Geist von Rio Reiser in sich trägt.
Und, speziell auch, der Effekt die musikalischen Aspekte zu erweitern. Berlin ist schließlich eine Weltstadt mit divergierenden Kultureinflüssen. Genau diese werden in die Arrangements eingeschleust – so entsteht ein urbaner Sound, das ein stark positives Lebensgefühl entwickelt. Herausgepickt werden dabei, wie der Albumtitel es bereits andeutet, die Rosinen.
Als weitere herausragende Lieder seien noch „Ö.N.“ und „Die Funktionalisierer“ besonders erwähnt. Ersteres ist die Abkürzung für „Öffentlicher Nahverkehr“. Eine erste zufällige Begegnung, die ohne Austausch von Telefonnummern endet, ein Suchen, ein wieder finden, nicht zuletzt ein Liebeslied, in jedem Fall ein Temporausch mit Textzeilen, die, wenn man sie liest, man kaum für singbar hält. In „Die Funktionalisierer“ wiederum geht es um „die Leistungsbilanz, die jeden Vorgang optimiert“ und um „die Instanz, die auch hier den Arbeitstakt diktiert.“
Die hervorragende Band knarzt, eckt und kantet dabei, dass es nur so eine Freude ist und setzt das Instrumentarium – von Klarinette, Trompete und Posaune, bis hin zu Cello, Bratsche, Orgel, Schlagzeug und diversen Saiten- und Zupfinstrumenten – äußerst geschickt ein und präsentiert sich als nur allzu feines Kollektiv mit einem gekonnt breiten Spektrum. Musik, nicht nur zum Tanzen, auch fürs Hirn. Ein Album fürs ganze Jahr. Mindestens. (Manfred Horak)