Einer der wichtigsten Saxofonspieler unserer Zeit ist tot: Michael Brecker, der in den letzten Jahren am myelodysplastischen Syndrom (MDS), einer Leukämie-ähnlichen Erkrankung des Knochenmarks litt. Der 1949 in Philadelphia Geborene Michael Brecker begann seine Musikerkarriere als Klarinettist und Alt-Saxofonist bevor er zum Tenorsaxofon wechselte.
In seinen frühen Jahren
spielte er in Rock und R&B-orientierten Bands. 1969 spielte er in der
Fusion-Band Dreams, darauf mit Horace Silver und Billy Cobham. Mit seinem
Bruder, dem Trompeter Randy Brecker formierte er in den 1970er Jahren die
kommerziell äußerst erfolgreiche Funk-Band Brecker Brothers. Mit Steps – und
später Steps Ahead – spielte er in den 1980ern. Die meiste Zeit verbrachte er
aber als Studiomusiker in unzähligen Sessions. Brecker spielte praktisch
überall, unter anderem bei James Taylor, Paul Simon, Frank Zappa, Bruce
Springsteen, Frank Sinatra, Yoko Ono, Steely Dan und Joni Mitchell. 1987 war’s
dann soweit und Michael „Sideman“ Brecker bereits 38 Jahre, als sein erstes
Solo-Album rauskam: „Brecker“ heisst das gute Stück und mit ihm spielten damals
bereits Jack DeJohnette, Pat Metheny, Charlie Haden und Kenny Kirkland. Dem Debüt folgten „Don’t try this at
home“ (1988) und „Now you see it” (1990, alle Universal).
Dann pausierte er als Leader und spielte mit McCoy Tyner das grandiose Album „Infinity“ (1995, Impulse) ein. Durch die Mitwirkung an Projekten unzähliger Jazz-Kollegen fand Michael Brecker erst 1996 wieder Zeit ein Solo-Album einzuspielen. "Tales From The Hudson" (Impulse) brachte eleganten modernen Mainstream-Jazz auf höchstem Niveau. Dafür bürgten neben Michael Breckers unnachahmlichen Saxophonspiel Jack DeJohnette an den Drums, Dave Holland am Bass, Pat Metheny an der Gitarre und Joey Calderazzo am Piano; auf zwei Stücken wurde dieses hochkarätige Quartett noch durch McCoy Tyner und Don Alias zusätzlich verstärkt. Und selbst der Titel der CD versprach nicht zuviel: Beim Hören mit geschlossenen Augen driftet man ab ins rege Treiben New Yorks bei Dämmerung oder bei Nacht. „Two Blocks from the edge“ (1998, Impulse) bescherte uns durchaus lyrische Momente, wie z.B. im bluesigen „Madame Toulouse“. Nach dieser akustisch eingespielten CD folgte der Tenorsaxophonist dem aktuellen Trend und ließ sich von einem Orgel-Trio begleiten. Und auch auf „Time is of the essence“ (1999, Verve) galt: Ich spiele nur mit Leuten aus der ersten Liga! Larry Goldings und Pat Metheny bildeten die Basis, abwechselnd ergänzt durch die Schlagzeuger Elvin Jones, Jeff "Tain" Watts und Bill Stewart. Die drei Schlagzeuger nacheinander zu hören, ist sehr interessant: Jones voluminös und offen, Watts ungemein treibend und Stewart straight, sparsam und ideenreich. Methenys runder Jazzgitarrensound mischte sich sehr gut mit der Orgel. Die Stücke waren wieder funkier, manches erinnerte also an die früheren Brecker Brothers, aber die Grooves blieben immer "in the pocket". Im Jahr 2001 folgte Brecker, fleißig wie immer, seinem Hang zu Balladen und veröffentlichte „Nearness Of You - The Ballad Book“ (Verve). Als Gastvokalist fungierte James Taylor, das Piano bediente Herbie Hancock, die Gitarre – gefühlvoll wie immer – Pat Metheny, Charlie Haden brillierte am Bass und Jack DeJohnette schlagwerkte in feinster Manier. Neben dem Titelsong von Carmichael-Washington wurden auch Kurt Weills-Ira Gershwins „My Ship“ und „Always“ von Irving Berlin als Standards der Stunde auserwählt. Mittelpunkt und Herzstück des Albums ist allerdings „Incandescence“ von Brecker mit einem unglaublich feinen Zusammenspiel Johnette-Metheny-Brecker. Dem gegenüber steht das nicht minder exzellente Album "American Dreams" von Charlie Haden & Michael Brecker. Zu hören sind darauf Kompositionen aus längst versunkenen Zeiten, wie z.B. "America the Beautiful". Politische Statements in einer verwirrenden Zeit. Herr Brecker erhielt sechs Grammy-Awards und ist – dem eingefleischten Brecker-Fan kann’s nur freuen (dem Geldbörsel vermutlich weniger) – auf über 2.000 (ja, sie lesen richtig: Zweitausend!) Tonträgern Gastsolist. Wie bereits erwähnt: Brecker spielte praktisch überall und schaffte es mit seinem Saxofonspiel die Essenz einer Komposition aufzuzeigen. Michael Brecker starb am 13. Jänner 2007. (Manfred Horak) |
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