Über die Banalität von Musikkritiken und deren vorschnellen Urteile im Solo-Werk von Paul McCartney.

In Teil 2 schrieben wir u.a. über das laut USA Today "schlechteste Weihnachtslied aller Zeiten". Gemeint war damit "Wonderful Christmastime" von Paul McCartney. Teil 3 untersucht daher gleich mal in diesem Sinne fortführend das Verhältnis zwischen Paul McCartney und den Musikkritikern, die oftmals nicht sehr höflich über ihn und seine Veröffentlichungen berichtet haben.

McCartney versucht so durchschnittlich zu sein, dass er unterdurchschnittliche Musik erschafft
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Und das eigentlich nur, weil Paul McCartney ein Fab Four war und gemeinsam mit John Lennon einen musikgeschichtsträchtigen Song nach dem anderen ablieferte. Lange Zeit wurde ihm seine fehlende Experimentierfreudigkeit vorgeworfen und dass er in seiner eigenen Welt lebe (was immer dieser eigenartige Vorwurf zu bedeuten hat). Konkret liest sich das dann so: "Paul schien in seine eigene Welt eingelullt zu sein, und man konnte sich bald nur noch über seine Sorglosigkeit wundern." In anderen Kritiken konnte man z.B. lesen, "[es ist] als Tiefpunkt im Zerfall der Rockmusik der 1960er Jahre [auszumachen]" - die Rede war von RAM (1971), um genau dieses Album im Laufe der Zeit als "ein Meisterwerk" zu betiteln und als "the first indie pop album, a record that celebrates small pleasures with big melodies" in den höchsten Tönen zu loben. Bei etlichen Albumkritiken zu verschiedenen Alben konnte man auch lesen, "dass sich McCartney bei diesem Album auf seinen Lorbeeren ausruhe" oder dass "die meisten Stücke hinter dem zurück blieben, was von einem Komponisten wie Paul McCartney erwartet wurde." Im Falle von "Venus and Mars" (1975) bescheinigten Kritiker das Album als "ein Desaster und den fröhlichen Enthusiasmus besorgniserregend, mit dem McCartney im Album Banalem Bedeutung zuspricht." Die Kritiken wurden mit der Zeit zum Teil immer boshafter, da hieß es dann sogar, "McCartney versuche so durchschnittlich zu sein, dass er unterdurchschnittliche Musik erschaffe", oder auch, "McCartneys Geringschätzung seines eigenen Könnens führt zu einer der traurigsten Niedergänge im zeitgenössischen Pop". Heftiger Tobak also.

In jedem Jahrzehnt zumindest ein Album, das alle glücklich machte
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Schließlich wurde ihm einmal sogar vorgeworfen, dass er Beatles-Lieder spielt. Und sogar als er aus seiner musikalischen Wohlfühloase ausbrach und mit Techno experimentierte, warf man ihm vor, er hätte den ersten Techno für Fahrstühle erfunden. Es schien also eine recht lange Zeit so, egal was Paul McCartney machte und veröffentlichte, es schien nicht gut genug zu sein, weil, wie bereits eingangs erwähnt, er ein Fab Four war. Zwischendurch gab es dann aber doch immer wieder mal Streicheleinheiten von Kritikerseite, vor allem bei den Alben "Band on the Run" (1973), "Tug of War" (1982), "Flaming Pie" (1997), "Chaos and Creation in the Backyard" (2005) und "Egypt Station" (2018). Na, immerhin, in jedem Jahrzehnt zumindest ein Album, das alle glücklich machte. Da hieß es dann quasi unisono, es sei "das bisher beste Album, das einer der Ex-Beatles herausgebracht hat" oder es sei "das Meisterwerk, das jeder Paul McCartney zugetraut hat" oder er hat "einen Höhepunkt der Kreativität in seiner späten Karriere erreicht". Aber, Vorsicht, Sir Paul, bereits das nächste Album konnte wieder nur eine "rätselhafte, etwas defensive Kuriosität eines großartigen Pop-Produzenten [sein], der einst ein großartiger Popsong-Schreiber war". Das waren jetzt alles Zitate von Musikmagazinen wie Rolling Stone und Musikexpress bzw. von amerikanischen Zeitungen wie Chicago Tribune. Aber, zugegeben, selbst auf Kulturwoche.at kam Sir Paul nicht immer gut weg. Über sein Album "Memory Almost Full" (2007) schrieben wir: "...man kann nur hoffen, dass die Erinnerungen bereits derart gefüllt sind und vor allem kreativ verwertet wurden, dass uns ein weiteres Album des Ex-Beatle und Ex-Wings erspart bleibt." Autsch. Um den Kreis zu schließen, sei nochmals die Rezeption für sein "Wonderful Christmastime "erwähnt. Neben USA Today meinte auch das kanadische Toronto City News, dass dieses Weihnachtslied das schlechteste aller Zeiten sei. Die Kritikpunkte dabei sind: Der Text wird als zu simpel erachtet und die Melodie sei eine der schwächsten von McCartney. Dem muss man heftig widersprechen, denn "Wonderful Christmastime "erfüllt mit all seinen Klischees und Synthie-Spielereien das weihnachtliche Gefühl wie kaum ein anderes Lied aus jüngerer Vergangenheit seit 1980. Das Lied ist eine einzige Frohbotschaft und vermittelt eine positive Grundstimmung zu dem Fest, um das wir in unseren Breiten eh nicht herumkommen.

Alberne Liebeslieder und platte Friedensbotschaften

Und somit kommen wir eigentlich zum Kern vieler Kritiken, Paul McCartney habe sich nach der Trennung von The Beatles in seichte Popgefielde verabschiedet, um nur noch alberne Liebeslieder und platte Friedensbotschaften aufzunehmen. "Eine Kritik", wie Yves Baer richtig schreibt, "die durch das ewige Wiederholen nicht wahrer wird, weil sie schlicht nicht stimmt." Paul McCartney reagierte immer wieder mal auf solcherart Kritiken, am bekanntesten ist dabei sicherlich sein ironischer Song "Silly Love Songs" (1976), der nicht nur ein Riesen-Hit wurde, sondern auch eine persönliche Abrechung: "You'd think that people would have had enough of silly love songs / but I look around me and I see it isn't so / Some people want to fill the world with silly love songs / and what's wrong with that? / I'd like to know cos here I go again", heißt es da gleich in der ersten Strophe. Letzten Endes ist es aber eigentlich eh egal, ob er mit seiner Musik verrissen wird oder, wie in den letzten Jahren, altersmilde beurteilt wird, so richtig erfassen und wertschätzen wird man den Komponisten Paul McCartney erst nach seinem Tod - der hoffentlich erst in ferner Zukunft sein wird. An dieser Stelle sei daher die hervorragende Paul McCartney Archive Collection wärmstens empfohlen. Bisher wurden im Rahmen dessen folgende Alben wiederveröffentlicht: "Band on the Run", "McCartney", "McCartney II", "RAM", "Wings over America", "Venus and Mars", "Wings at the Speed of Sound", "Tug of War", "Pipes of Peace", "Flowers in the Dirt" und ganz aktuell am 7.12.2018 "Wild Life" und "Red Rose Speedway". Alben, die bei Erstveröffentlichung zum Teil vernichtende Kritiken erhielten. Die Erst- oder Wiederentdeckung dieser Alben und ein genaues Hinhören hilft weiter, so manche Kritiken als misslungene Satiren zu entlarven. //

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Text und Foto: Manfred Horak
Quellen: Verschiedene Musikmagazine und Tageszeitungen aus aller Welt

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