Ihm gebührt natürlich eine bombastisch angelegte Artikelreihe, egal, ob er gerade auf Tour ist oder nicht, denn seine Songs sind praktisch unbezahlbar.

Die Rede ist natürlich von Sir Paul McCartney. In dieser ersten Folge beschäftigen wir uns mit jenen Alben, die jeweils knapp vor Ende von The Beatles bzw. Wings entstanden sind. Am 16. Mai 1980, sieben Studioalben und ein Live-Album später, war es wieder so weit, ähnlich wie 10 Jahre davor am 17. April 1970, an diesen zwei Tagen veröffentlichte Paul McCartney sein erstes und sein zweites Solo-Album mit den unspektakulären Album-Titeln "McCartney" und "McCartney II". Erschien "McCartney" noch vor dem letzten The Beatles Album "Let it be", so unterbrach der Multiinstrumentalist im Sommer 1979 die Arbeit an "McCartney II", um mit Wings  ein letztes Mal auf Tour zu gehen, was - manche werden sich noch erinnern - in einem Desaster mündete. Einerseits wurden zwar Teile der letzten vier Wings Konzerte (26. bis 29. Dezember 1979) dankenswerterweise auf dem Doppel-Album "Concerts for the People of Kampuchea" veröffentlicht, andererseits kam 1980 die geplante Tour in Japan nicht zustande, da Paul McCartney wegen Haschischbesitz festgenommen wurde. Dieses Ereignis - und nicht zuletzt natürlich auch die Ermordung von John Lennon - hielt ihn daraufhin in den 1980er Jahren von den Live-Bühnen fern. Die Wings waren somit Vergangenheit und Paul McCartney machte erneut das, was er bereits beim Ende von The Beatles tat: er blieb zu Hause.

Trennungsschmerz und Alkoholismus

"Ich habe ein 4-Spur-Aufnahmengerät von EMI bekommen, das ich in meinem Wohnzimmer in London stehen hatte. Ich nahm mir vor jeden Tag so zu leben wie Magritte. Untertags ein bisschen Musik machen und fertig aufnehmen, am Abend entspannen." Paul McCartney erklärte dieses erste Solo-Album also gewissermaßen zu seiner Spielwiese. Er spielte sämtliche Instrumente selbst ein und nur seine Amazing Linda war hier und da mit Harmoniegesang zu hören, ansonsten Paul pur. Ein lockeres Album, das den Trennungsschmerz von The Beatles lindern sollte und Paul McCartney zudem davon abhielt endgültig zum Alkoholiker zu werden. Es ist tatsächlich ein recht unscheinbares Album, das seine Qualitäten nach und nach entfaltet und heute, 2018, keine Spur gealtert ist. McCartney spielt hier den Blues (er hatte ihn ja auch), einige Songs sind Fragmente geblieben, Instrumentals wie "Momma Miss America" wechseln sich mit harmlosen Liedtexten ("Teddy Boy") ab, und dennoch: "McCartney" ist letzten Endes ein erstaunlich kohärentes Album, auf dem Paul McCartney erstmals versucht dem übergroßen Schatten von The Beatles zu entkommen. Mit "Maybe I’m Amazed", "Man We Was Lonely", "That Would Be Something" und "Junk" finden sich zudem immerhin eine Handvoll Glanztaten Marke Paul McCartney drauf.

Wahnwitziges Experiment im Wohnzimmer

"McCartney II" hatte es da ungleich schwerer, schließlich war der Schatten von The Beatles noch immer da, und zweitens gab es zumindest einen Schlagschatten von den Wings. Zwei Schatten, die zufälligerweise auch auf dem Album-Cover zu sehen sind. Wings war eine Band, die in den 1970er Jahren zu den kommerziell erfolgreichsten Bands gehörte. In dieser Zeit schrieb Paul McCartney einen Ohrwurm nach dem anderen und mit der Single-only Dudelsack-Schnulze "Mull of Kintyre" gelang Paulchen das meistverkaufte Lied des Jahres inmitten der Blütezeit von Punk. Muss einem auch erst einmal gelingen. Die erste Solo-Veröffentlichung nach den Wings war allerdings nicht das Album "McCartney II", sondern die Weihnachts-Single "Wonderful Christmas Time", die erste Solo-Single übrigens seit 1971 ("Another Day" / "Oh Woman Oh Why"). Darauf zu hören sind bereits Synthesizer-Spielereien, die er später auf dem "McCartney II" Album bis zum Abwinken ausreizte. So war denn auch das erste Lied, das er ursprünglich für das Album aufnahm der Song "Check My Machine". Das Lied schaffte es schließlich nicht aufs Album, sondern wurde nur als B-Seite von "Waterfalls" veröffentlicht. Ein Lied, das gleichermaßen verhöhnt (von Kritikern) und zum Kult (vom Publikum) erklärt wurde. Selbst in österreichischen Diskotheken war "Check My Machine" ein Dauerbrenner und gern gehörte Tanznummer. Und schließlich also das Album. Wir erinnern uns, die Festnahme in Japan? Genau. Das Album eröffnet mit "Frozen Jap", dann gibt es noch "Front Parlour" und eine Merkwürdigkeit namens "Temporary Secretary" mit nervig-schrillen und gewöhnungsbedürftigen Synthesizer-Sequenzen, die interessanterweise Teile von It’s more fun to compute von Kraftwerks Computerwelt vorwegnahm, das ca. zwei Jahre später erschien. Erneut spielte Paul McCartney sämtliche Instrumente, erneut war Linda hier und da als zusätzliche Gesangsstimme zu hören. Erneut gab es den Blues ("On The Way") und erneut waren es Wohnzimmeraufnahmen, diesmal allerdings nicht in London, sondern auf seiner Farm in Schottland. Das Album ist also ein einziges wahnwitziges Experiment. Nicht alles ist gelungen, aber mit "Coming Up" ist eines seiner allerbesten Lieder drauf (das dazugehörende überaus witzige Video könnt ihr euch am Ende des Artikels anschauen). Eine weitere Single-Auskopplung, "Waterfalls", ist zwar eine Lied-Reduktion par excellence, fiel aber beim Kaufpublikum durch - was allerdings zu diesem Zeitpunkt äußerst ungewöhnlich für den Hitlieferanten war. Umso mehr, weil das Album ungemein erfolgreich war, so verschroben und merkwürdig es auch ist. Und ja, trotz alledem und möglicherweise gerade deshalb, kann es zu den besten Alben von Paul McCartneys Solo-Jahren gezählt werden. Check the Album! //

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Text: Manfred Horak
Zeichnung: Kevin Akers, "MPL Land" (1983). In dieser Abbildung sind 75 Lied-Titel von Paul McCartney enthalten. Check the Songs - viel Spaß beim Suchen!

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