Tendenziell große Melodien, starke Texte und schnörkellosen Rock liefert der Sänger Steve Gander mit seiner Band The Lost Heroes rund um Gitarristen Helmut Bibl auf dem hörenswerten Album "Big Last Night" ab. Eine britisch-österreichische Zusammenarbeit par excellence.

Mögen zurzeit populäre (Rock)Bands aus Österreich ein jüngeres Publikum (auch in Deutschland) ansprechen, so ist, im Gegensatz dazu, das vorliegende Album Musik für Erwachsene. Mehr Lebenserfahrung und mehr Schrammen inklusive. Die düstere Rockpoesie von Steve Gander gibt die Stoßrichtung vor und zieht einem tief hinein in existentialistische Überlegungen, in den Lebensschlund, der es nicht immer gut meint, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, auch wenn die Helden verloren sind, möglicherweise sogar desillusioniert. "Big Last Night" ist eine Ode an das Leben, an das gute, alte, aber auch an das drastische, das verreckte. Gander beobachtet das Weltgeschehen sehr genau und schafft mit bildhafter Sprache Befindlichkeiten, Gemütszustände, Ärgernisse, Verwirrtheiten und (alles andere als belanglose) urbane Allerweltthemen abzuarbeiten. Zu Recht als Opener dient dabei der hochprozentige Rocker "The Night I Let The Devil Buy Me A Drink", der gleich mal aufzeigt, was man sich vom Rest des Albums erwarten darf (und das dann auch tatsächlich eingehalten wird), vornehmlich in Blues-Rock und etwas härteren Spirituosen getränkte Rocker, genährt aus dem Füllhorn der Rockmusikgeschichte. Daraus entstanden wertvolle, neue, Songs, umgesetzt von einer Handvoll Musikern, die schon längst aus der österreichischen Musikgeschichte nicht mehr wegzudenken sind, eben weil sie ein ganz wichtiger Teil derselben sind.

The Lost Heroes

Somit Vorhang auf für The Lost Heroes: Da ist zunächst Gitarrist und Produzent Helmut Bibl, der etliche Jahre in der Hallucination Company und bei Drahdiwaberl zu hören war, sowie eine Dekade lang als Lead Gitarrist bei Falco und Andy Baum in die Saiten griff. Am Bass zu hören ist Erich Buchebner, der erklecklich lange bei u.a. STS, Wilfried, Bilgeri, Wolfgang Ambros, Kurt Ostbahn Kombo tätig war. Der Mann am Keyboard und zweiter Produzent des Albums, Polio Brezina, war wiederum bei Hansi Lang, Mo & The Gangsters in Love, sowie bei Hallucination Company, Andy Baum und Drahdiwaberl der Mann an den Tasten. Hinterm Schlagzeug sitzt Harry Stampfer, der ja quasi immer Teil der No.1 vom Wienerwald von Wolfgang Ambros war, aber auch bei Austria 3, Hallucination Company, Hansi Lang, Dana Gillespie und Hans Theessink schlagwerkte. Die Pedal Steel bedient Hans Fürst. Er war mit Peter Ratzenbeck, Hans Dujmic, Ulli Baer, Wolfgang Ambros und vielen anderen zu hören. Ebenfalls mit dabei ist Betty Semper (Background Vocals), die mit Supermax durch die Welt tourte und mit u.a. Eric Clapton auf der Bühne stand. Kurzum: Die einzelnen Bandmitglieder der Lost Heroes kann man eigentlich nicht hoch genug wertschätzen, die hier im Kollektiv all ihre Stärken ausspielen können. Vorhang zu und wieder zurück zu den Songs.

Erhellende Rocksongs in Düsternis getaucht

Das Leben ist intensiv und das Album ein Spiegel davon. Wir alle leben auf diesem einen Planeten, der unbeirrbar seine elliptische Bahn um diese eine Sonne zieht, aber "Is this the same sun that shone upon the killing fields?". Diese Frage stellt Gander im herausragenden Song "The Same Sun", und: "There are children playing in the sun / Little children using sticks as guns." Dazu liefert Helmut Bibl ein Gitarrensolo ab, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Der Sänger tut das übrige, die generelle Düsternis, die nicht nur in "The Same Sun", sondern auch in vielen anderen Songs des Albums beheimatet ist, legt sich in seinen Gesang und trifft damit unmittelbar die Seele. Der Sänger und die Band korrespondieren in unwiderstehlicher Manier, harmonieren mit all ihren Ecken und Kanten, die in der Produktion dankenswerterweise kaum merklich geschliffen wurden und bilden ein riesiges Pool an Einfällen, Hooklines und sehr guten Rock-Momenten. Immer wieder blinzeln dabei andere (Rock)Heroes um die Ecke, da gibt es also einige Verbeugungen vor dem Kanon der Rockgeschichte, aber es wird dabei nie gebuckelt. Obwohl es auf dem 13-Song starkem Album keinen Ausfall, keinen Füller, gibt, sollten einige Lieder hervorgehoben werden. Die Höhepunkte sind der Opener "The Night I Let The Devil Buy Me A Drink", sowie "Money", "The Same Sun", "Existentialist Cigarette", "No Defence" und der Rausschmeißer "The World News". Gute Rock-Songs sind sehr flexibel und gute Rock-Bands wissen damit umzugehen. Steve Gander & The Lost Heroes wissen es und können es. Wie sehr die Band nämlich auch live zu überzeugen versteht, konnte man bei der CD-Präsentation Anfang Oktober 2015 im Wiener Reigen erleben. Ein Album, das in jede gut sortierte Musiksammlung gehört von einer Band, die hoffentlich oft live zu hören sein wird. //

Text: Manfred Horak
Foto: Tommy Diamond

Steve Gander & The Lost Heroes: Big Last Night
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: mayday records (2015)