"Die Themen der Lieder von Schuberts 'Schwanengesang' sind auf jeden Fall zeitlos, deshalb überlebt diese Musik ja auch bis jetzt", erklärt der Pianist Justus Zeyen. Er und der Bariton Klemens Sander trafen Robert Fischer in einem Wiener Café zu einem Gespräch über deren erste gemeinsame CD-Aufnahme.
Um die nuancenreichen Stimmungen von Schuberts "Schwanengesang" in packender und sehr persönlicher Weise festzuhalten, hat sich kürzlich der österreichisch Bariton Klemens Sander mit dem norddeutschen Pianisten Justus Zeyen zusammen getan. Beide sind in der Klassikwelt keine Unbekannten: Der in Wien lebende Klemens Sander studierte bei Helena Lazarska, Robert Holl und David Lutz, ist vielfacher Preisträger und glänzte in den letzten Jahren bei Auftritten sowohl national als auch international. Schuberts "Schwanengesang" ist Klemens Sanders Lied-Debütalbum. Justus Zeyen lebt in Kiel. Seine Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker, hauptsächlich aber als Liedpianist, führte Justus Zeyen durch Europa, die USA und Japan. Er konzertierte u.a. mit Thomas Quasthoff und Michael Schade.
Kulturwoche.at: Die CD "Schwanengesang/Vier Lieder" ist eure erste gemeinsame Zusammenarbeit. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Justus Zeyen (JZ): Das war bei einer Aufführung der "Winterreise" in Salzburg vor 5 Jahren. Seitdem waren wir immer wieder mal wo gemeinsam engagiert und blieben in Kontakt. Wir haben auch schon einige Liederabende gemeinsam gemacht.
Wie kam es jetzt konkret zu der Aufnahme von Schuberts "Schwanengesang"?
Klemens Sander (KS): Für mich waren die Lieder von Heine ausschlaggebend. Diese Lieder haben mich immer schon fasziniert, ich habe sie schon einmal in meinem Studium erarbeitet und mich dann später mit dem ganzen Zyklus beschäftigt. So entstand die Idee für dieses Projekt.
JZ: Der "Schwanengesang" ist ja kein zusammenhängender Zyklus wie z.B. die "Winterreise" oder "Die schöne Müllerin", sondern das sollten drei getrennte Zyklen werden. Die Texte stammen aus Gedichten von den Autoren Ludwig Rellstab, Heinrich Heine und eins von Johann Gabriel Seidl, und die Musik von Schubert. Diese Liedersammlung wurde dann postum nach Schuberts Tod veröffentlicht, weil das Material eben vorhanden war.
Wer hat diese Liedersammlung nach Schuberts Tod zusammengestellt und veröffentlicht?
KS: Der Name "Schwanengesang" stammt ja nicht von Schubert selbst, sondern vom Verleger Tobias Haslinger, der unter diesem Begriff 1829 die letzten Werke des Komponisten zusammengefasst und veröffentlicht hat. Das hat sich dann irgendwann so eingebürgert und zum sogenannten "3. Zyklus" entwickelt. Wir haben die CD dann noch mit den vier Liedern op. 105 nach Gedichten von Johann Gabriel Seidl, die ebenfalls in Schuberts letzten Lebensjahren entstanden sind, ergänzt. Mit dem "Schwanengesang" alleine wäre die Sache zu kurz geworden.
JZ: Mir war bei den Aufnahmen auch die musikhistorische Perspektive wichtig. In der Erstausgabe sind die Heine-Texte [die alle aus Heines "Buch der Lieder" stammen; Anm.] in einer anderen Reihenfolge erschienen. Und da gibt es Untersuchungen, dass es sehr naheliegend ist, diese Reihenfolge auch so zu belassen. Er hat diese Gedichte aus den "Reisebildern" herausgenommen, später wurde die Reihenfolge aber verdreht. Aber in der Heine-Reihenfolge ergibt das Ganze dramaturgisch doch einen besseren Sinn. Es gibt also ein paar gewichtige Argumente, die diese Reihenfolge logisch wirken lassen, und deshalb habe ich mich dazu entschieden, das auch bei der CD-Aufnahme zu berücksichtigen und die Lieder in die frühere Reihenfolge zu stellen.
Wo und wann wurde die CD aufgenommen?
KS: In der Nähe von Retz in einem Ort namens Mitterretzbach gibt es das Tonstudio "Wavegarden", das liegt sehr idyllisch, gleich neben den Weinbergen. Die Aufnahmen waren schon letztes Jahr und haben ca. 4 Tage gedauert.
JZ: So eine Studio-Aufnahme ist ja auch durchaus anstrengend. Einerseits ist eine Erleichterung, zu wissen, wenn man sich mal verspielt, kann man das wiederholen. Andrerseits will man die Aufnahme natürlich so gut wie möglich machen, und die Session bald einmal abschließen. Schwierig ist der Wechsel zwischen dem, das man einerseits spielt, und wie im Konzert alles gut und inspiriert machen will, und im Gegensatz dazu im nächsten Moment, sich die schon abgeschlossenen Aufnahmen durchhört oder warten muss, weil der Tontechniker sagt, dass er jetzt nochmal diese oder jene Stelle braucht. Dann kann es auch manchmal vorkommen, dass man einige Zeit gar nichts zu tun hat. Das ist teilweise anstrengender, als wie wenn man im Konzert einfach durchspielt. Die Studioarbeit ist also schon irgendwie ganz speziell. Aber Spaß macht es trotzdem!
Habt Ihr unter den Liedern des "Schwanengesangs" ein besonderes Lieblingslied?
JZ: Lieblingslied, das ist immer so eine Sache! Eigentlich mag man die dann alle. Ich finde es schön, dass sie so unterschiedlich sind. Daran sieht man auch, dass das ursprünglich nicht als zusammenhängende Sache geplant war. Die Rellstab-Lieder sind eher so im typischen Schubert-Stil, wie man ihn kennt. Die Heine-Lieder bestechen durch ihre großartigen Texte, und verkürzen den Klavierpart sehr. Es wird immer schlichter, nicht im Sinn von einfacher, sondern verdichteter. Wenn man es zählen würde, sind da viel weniger Noten. Es wird sparsamer, aber im Ausdruck noch eher gesteigerter. Auch die Seidl-Lieder sind sehr schön. Und im letzten Lied Stück "Sehnsucht" gibt es den schönen Satz "Wenn mich mein Los vom Liebchen warf, dann fühle ich, dass ich singen darf." Das ist doch ein nettes Motto für ein Liebeslied, oder (schmunzelt)? Und wenn ich mich doch für ein Lieblingslied entscheiden müsste, dann "Am Fenster".
KS: Stimmt, dieses Lied mag ich auch ganz besonders!
Die Texte der Lieder sind teilweise in einem für heutige Zeiten recht altmodischen Deutsch verfasst. War das bei den Aufnahmen ein Problem?
JZ: Nein, überhaupt nicht. Die Aufgabe, diese Texte aktuell zu interpretieren hat man ja ohnehin wie z.B. ein Schauspieler, der Shakespeare oder Goethe rezitiert. Die Inhalte sind fast immer zeitlos und nicht an die aktuelle Zeit gekoppelt. Es geht um Liebe, um Sehnsucht, um nicht erfüllte Liebe, um den Tod. All diese Dinge. Und dann hat man sowohl als Interpret als auch als Zuhörer die Aufgabe, das was sprachlich ungewohnt ist, wegzulassen, um zum wirklichen Inhalt zu kommen. Diese Aufgabe hat man als Musiker auch. Manchmal gibt es ja wirklich Sätze, die man drei Mal lesen muss, um draufzukommen, was gemeint ist, weil die Sprache nicht unserer Zeit entspricht. Aber das kommt gottseidank nicht so oft vor. Die Themen sind auf jeden Fall zeitlos, und deshalb überlebt die Musik ja auch bis jetzt. Sonst überlebt ja nicht alles, was schon 200 Jahre alt ist! Wir arbeiten jetzt daran, das neue Programm in der nächsten Zeit noch einige Male live zu präsentieren.
Interview: Robert Fischer
Foto: Nancy Horowitz
CD-Tipp:
Klemens Sander/Justus Zeyen: Schwanengesang/Vier Lieder
Label/Vertrieb: Preiser Records (2013)
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