Gefühlvoll. Mit diesem einen Begriff lassen sich die Lieder von Julia Motz kürzest möglich beschreiben. Aber da steckt freilich noch viel mehr dahinter und ihr Debüt-Album "So Close" ist voll von großen, berührenden Momenten und einer unwiderstehlichen Wirkkraft.
"Wer das Ziel verfehlt / der ist noch auf dem Weg", hören wir die Gitarristin, Sängerin und Liedschreiberin Julia Motz auf ihrem mehr als formidablen Debüt-Album "So Close" singen. Motz befindet sich dabei auf einem guten Weg und mit einem klaren Ziel vor Augen. Ihre Musik - behutsam produziert von Chuck LeMonds - nährt sich aus American Folk und Jazz, beeinflusst von Größen wie Joni Mitchell, Shawn Colvin und James Taylor. Die 11 Lieder aus dem vorliegenden Album sind sozusagen jener Balsam für die Seele, die man ja immer wieder mal dringend benötigt, wobei leider nur zwei Lieder in deutscher Sprache gesungen werden. Warum leider? Weil gerade diese zwei Klangbäder durch die sprachliche Nähe einen zutiefst eigenen Charakter herausschälen. "Mein Charakter ist Reflex", heißt es denn da auch in "Leben", und: "Ich steh auf meinen Fersen / wie die Haare in meinem Nacken". Man höre sich nur mal "Einklang", das zweite deutschsprachige Lied des Albums, an, wie hier die Instrumente um die Stimme schleichen, wie sich hier ihre Gesangparts um die Melodie schmeicheln. "Wer weiß schon was wirklich zählt", singt Motz an einer Stelle über eine Welt die immer lauter wird. Die Erzählerin im Lied fing leise an sich mit Menschen zu umgeben, "deren Persönlichkeit das Drehbuch schreibt". Somit kommen wir zu den Persönlichkeiten, mit denen sich Julia Motz auf dem Album umgibt. Da wäre zunächst einmal einer der ganz großen Kontrabassisten zu nennen, Peter Herbert, der bereits rund 100 CDs eingespielt hat und seit 2000 mit dem libanesischen Ud-Spieler und Komponisten Marcel Khalifé sensationelle Musik macht (nachzuhören u.a. auf dem herausragenden Album Taqasim aus dem Jahr 2007). Peter Herbert spielte zudem mit Jazzgrößen wie Art Blakey and the Jazzmessengers, Art Farmer Quintet, Marc Copland/John Abercrombie Quartet, Joachim Kühn und einer Vielzahl anderer zusammen, und nun eben auch bei fünf Liedern mit Julia Motz. Sein Bassspiel gibt Motzens Songs gewissermaßen das i-Tüpfelchen in einem Verhältnis wie Mitte der 1970er Jahre im Falle von Joni Mitchell und Jaco Pastorius.
Aber nun weiter im Personal: Chris Wagoner (dobro, mandolin, violin, percussion, bells, background vocals) und Mary Gaines (background vocals, bass, cello) sind wie Herbert bei fünf bzw. sechs Liedern zu hören. Das Musiker-Ehepaar aus den USA gründete die Band The Moon Gypsies und spielte mit etlichen namhaften Musikergrößen wie Suzanne Vega, Warren Zevon, Richie Havens, The Nylons, U2, Smashing Pumpkins uvm. Ihre musikalische Bandbreite ist also enorm und bereits im Einstiegssong des vorliegenden Albums, "Like One", geht das musikalische Konzept von Julia Motz mithilfe der drei Genannten voll auf, ihr großes Songwriting-Talent anspruchsvoll umzusetzen. Ebenfalls mit dabei: der Schlagzeuger Bernhard Wimmer, der u.a. mit Hubert von Goisern durch Ägypten und Westafrika tourte, sowie Christian Bakanic, dessen Akkordeon-Spiel man auch in den zu Recht hochgelobten Formationen Beefolk und Folksmilch hören kann. Und schließlich noch Chuck LeMonds (Gitarre, Produktion): Chuck wurde in St. Louis, Missouri geboren und wuchs in Maryland auf. Mit 18 beginnt er eigene Songs zu schreiben und spielt in verschiedenen Folk- und Bluegrassbands auf Festivals und in kleinen Clubs, meistens zwischen Minneapolis und Chicago. Danach begann er seine Karriere als Straßenmusiker in Europa und irgendwann blieb er in Österreich hängen und lebt heute in der Oststeiermark. Was kann bei einer solchen Besetzung schief gehen, noch dazu, wenn die Basis, also die Lieder, Melodienreichtum und Qualitätstexte besitzen? Nichts. Zumindest, was das Album "So Close" anbelangt.
Die Texte also: Im Titelsong schafft Motz eine Stimmung wie man es auch von einigen Michael Franks Songs kennt. Die Sehnsucht an einem Sonnentag am Sandstrand entlang zu gehen, "and the sand between my toes / makes me feel so close". Und wenn man dann auch noch eine Muschel findet, diese sich ans Ohr hält, dann höre ich ja soundso nur noch dich. Wimmer streicht dabei mit dem Beserl über die Drums und Herbert und Bakanic erzeugen gemeinsam mit dem gefühlvollen Gitarrenspiel von Motz eine wunderbare Energie, die im nachfolgenden "Where are You" fortgesetzt wird. "There's nothing more divine than / being here at this place and time", singt Motz und man kann ihr da nur zustimmen, während man ihrem Lied bedächtig zuhört. Wenn man sich nun vorstellt, dass "So Close" ein Vinyl-Album ist, dann endet die erste Plattenseite mit einem zärtlich-melodiösen "All Good and Bad", dargebracht von Motz und LeMonds an den akustischen Gitarren. In "Around" steht hingegen das Akkordeon-Spiel von Christian Bakanic im Vordergrund und Motz erhält Gesangsunterstützung von Gaines und Wagoner. Danach kommt das bereits erwähnte zweite deutschsprachige Lied. "Einklang" ist sicherlich der musikalische Höhepunkt des Albums, hier wird aus dem Vollen geschöpft, Wagoners Dobro und Lap Steel ist ein echter Winner und auch der Text überzeugt mit lyrischer Poesie. Die Solo-Gitarre von LeMonds leitet das wehmütige "Please Don't Stop Loving me" ein, während in "Dreams and Devils" Gaines am Cello zu hören ist. Die Kombination Akustische Gitarre und Cello und nicht zuletzt Textzeilen wie "I don't want to remember / the faces I never got to know / Long before my eyes see the night" bringen Nick Drake in den Sinn. Leichtfüßiger wird es hingegen in "Driving" angegangen. Motto: "Feel free". Ein flotter Song, bei dem sich auch der Ohrwurm meldet. Die (fiktive) zweite Vinyl-Seite endet ähnlich wie die erste. Sparsam im Arrangement hören wir Julia Motz an der Gitarre und LeMonds singt die Harmonie. "Conversation" heißt das gute Stück, in dem viele Fragen gestellt werden und wir uns die Antwort selbst geben können. Was bleibt ist ein starkes Debüt-Album einer Musikerin, die bereits an die 50 Lieder geschrieben hat, ca. 20 davon als Demos aufgenommen hat und 11 Lieder auf "So Close" packt. 11 Lieder, an denen man sich nicht satt hören kann. Ein Album, wie geschaffen für den perfekten Tagesausklang. //
CD-Tipp:
Julia Motz: So Close
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Live-in-Trees Music / Motzmusic (2013)
Text: Manfred Horak
Foto: Jacqueline Korber