Hoda Mohajerani wurde Ende 1979 im Iran geboren. Später flohen Ihre Eltern vor dem Regime in Teheran nach Europa und die Familie lebte zuerst in Paris, dann in London. Seit einigen Jahren lebt die Sängerin in Wien, tritt regelmäßig in Clubs auf und hat vor kurzem ihre famose Debüt-EP "Arrivals" veröffentlicht. Robert Fischer traf die Musikerin zum Interview in einem Wiener Kaffeehaus.
Schon in Teenager-Zeiten mit einem starken Faible für Musik der großen Singer/Songwriter der Sixties wie Bob Dylan, Joni Mitchell oder Cat Stevens ausgestattet, fing Hoda Mohaerjani an, eigene Songs zu schreiben. Während des Studiums reifte dann endgültig der Entschluss, professionelle Musikerin zu werden.
...über Ihre Anfänge als Songwriterin
Die ersten Songs habe ich so mit 15 geschrieben. Aber schon seit ich sprechen kann, habe ich mit Worten gespielt bzw. auch kleine Gedichte verfasst. Anscheinend habe ich schon als Kind eine sehr lebhafte Fantasie und Kreativität gehabt, die ich irgendwie ausdrücken wollte. Aber so richtige Songs habe ich erst mit 15, 16 Jahren geschrieben. Damals bin ich in ein Musik-Geschäft in London gegangen und habe mir von meinem gesparten Geld so eine richtig flammend-rote Fender-Stratocaster E-Gitarre gekauft. Damals stand das alles auch unter dem Zeichen der Rebellion. Rebellion gegen meine Eltern, gegen das System, gegen die Kultur meiner Eltern etc. Es war auch die Zeit, wo Margret Thatcher noch an der Macht war in England, diese Zeit war ein einziges Desaster. Interessanterweise habe ich damals noch überhaupt nicht daran gedacht, Musik professionell auszuüben, das zu meinem Beruf zu machen.
...wie es dann weiterging
Dann ging ich an die Uni und habe einige Jahre nur so für mich selbst Gitarre gespielt bzw. mit Freunden gemeinsam gesungen. Wir veranstalteten auch regelmäßig in meiner Wohnung oder bei Freunden kleine Jam-Sessions. Eines Abends kam auch der bekannte italienische Dub/Worldbeat/Elektronica-Produzent Gaudi, der ein Bekannter von einem Freund von mir ist, zu so einer Session. Wir haben lange gejammt, und als ich irgendwann in die Küche ging, um Tee zu machen, kam Gaudi zu mir und sagte, dass er gerade an seiner fünften Solo-CD arbeite und mich dabei haben wollte. Ich war völlig verblüfft und willigte ein. So hat das Ganze irgendwie angefangen. Ich dachte: Okay, wenn dir Gaudi sagt, dass du gut singst, dann muss etwas dran sein! (schmunzelt) Als ich mit meinem Mann vor ein paar Jahren fix nach Wien gekommen bin, hatte ich eigentlich vor, hier meine Abschlussarbeit für die Uni zu schreiben. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass ich immer mehr Songs schreibe, und die Abschlussarbeit vernachlässige. Seit vier Jahren habe ich mich ganz der Musik gewidmet und das Ergebnis ist jetzt meine EP "Arrivals", die für mich ein wichtiger Meilenstein ist.
...über die Aufnahmen zur "Arrivals"-EP auf einem alten Bauernhof
Wir sind für die Aufnahmen letzten Sommer in einen ca. 300 Jahre alten Bauernhof in Prigglitz beim Schneeberg gezogen. Neben Gitarrist Trent Arkleysmith waren noch Rue Kostron am Bass und der Drummer Sasa Nikolic dabei. Gemeinsam mit dem Co-Produzenten und Ton-Ingenieur Andreas Hamza haben wir dann im Wohnzimmer ein mobiles Studio aufgebaut. Dort sind die Aufnahmen entstanden. Wir haben viel herumexperimentiert und auch zu ungewöhnlichen Tages- und Nachtzeiten aufgenommen. Den Song "Cheatin' Death" haben wir z.B. um halb drei morgens aufgenommen. Im Wohnzimmer stand dieses alte riesige Bauernbett, und ich bin da irgendwann in der Nacht gelegen und habe auf meiner Gitarre herumgeklimpert. Trent war auch dabei und hat auf einer Flexitone dazu gespielt. Andreas Hamza hat das Ganze dann mit einem kleinen mobilen Aufnahmegerät aufgenommen. Ich dachte, wir nehmen das nur mal als Skizze auf, aber die Version war dann im Endeffekt so gut, dass sie jetzt auf der EP zu hören ist! Das hat einfach das richtige 'Feeling'. Und das Summen der Heuschrecken ist echt, das sind keine Samples (schmunzelt)! Was mir sehr gut gefällt, ist, dass die fünf Songs auf der EP vom Sound her alle sehr unterschiedlich sind.
...über den Opener der EP, den Track "Whole"
Im Song "Whole" beschäftige ich mich mit den gegensätzlichen, manchmal auch paradoxen Seiten, die jeder Mensch in sich trägt. Ich selbst bin ein gutes Beispiel: Ich bin eine Frau, komme aus dem Iran und habe einen muslimischen Background. Dann bin ich in London und Paris aufgewachsen. Es gibt jede Menge Vorurteile und Stereotypen, die Leute einem Menschen wie mir gegenüber haben. Muslime sehen mich teilweise als keine gute Muslimin, Nicht-Muslims sehen mich nicht als Muslime. Ich stehe irgendwie dazwischen, und bin nicht leicht in ein gängiges Schema einzuordnen. Das wollte ich auch mit dem Cover der EP ausrücken, wo z.B. meine Haare halb bedeckt, halb unbedeckt sind. Auch im Text zu "Whole" singe ich ja z.B. "I'm half bored, half impressed", "I'm half here, half gone" oder "I'm half naked, half dressed". Es geht um die Dualität im Leben. Das Schwarz-Weiß Schema, in dem manche Leute das Leben betrachten, gibt es für mich nicht und ich hoffe, dass dieses Thema auch andere Menschen betrifft. Es ist bei ja jedem Menschen so, dass die unterschiedlichen Aspekte ein Ganzes ergeben. Der Song ist eine Suche nach meiner Identität.
...über den Videodreh zu "Whole" und ein 'blutiges' Gitarrensolo
Das Video war eine ganz spontane Geschichte. Susanne Quehenberger, eine liebe Freundin von mir, hat ein starkes Faible für "Whole" und schlug ein Video vor. Den Dreh werde ich so schnell nicht vergessen: Wir drehten im Februar 2012, es war sehr kalt, minus zehn Grad und kurz vor dem Dreh wurde ich krank. Wir drehten einige Szenen in der Nähe von der Universität für Bildende Kunst. Auf der "Arrivals"-EP spielt Trent Arkleysmith das Solo auf "Whole", aber da im Video ja nur ich alleine die Hauptdarstellerin bin, musste ich das anders lösen. Ich telefonierte mit Trent: Hilfe, wie soll ich das machen mit dem Solo? Ich bin ja eigentlich überhaupt keine Solo-Gitarristin (schmunzelt)! Also habe ich das Solo dann letztendlich selbst gespielt, aber es gibt Fotos von meinen blutenden Fingern, die ich am Ende des Drehs davon hatte! Total blutende Finger! Dazu kam, dass ich die E-Gitarre, die ich im Video verwende, nur von einem Freund ausgeborgt hatte. Die Gitarre war dann auch mit Blut beschmiert und mein Mann sagte: SO kannst du die Gitarre aber nicht zurückgeben, die schaut ja aus, wie wenn du von einem Death Metal-Konzert nach Hause kommst (schmunzelt). Egal, wir hatten beim Dreh auf jeden Fall viel Spaß.
...über Wien im Allgemeinen
Ich finde Wien toll! Irgendwie ein bißchen strange (schmunzelt). Jede Stadt hat ja seine ganz eigene Seele, seine eigene Persönlichkeit. Wien ist einzigartig. Wien ist einerseits sehr kosmopolitisch, andererseits sehr verwurzelt in Klassik und Tradition. Was ich sehr in Wien mag, dass man das Wasser ohne Bedenken trinken kann. Das ist ein großer Bonus, speziell wenn man von London kommt. Ich bin gerne im Wiener Wald, im 19. Bezirk, wo es auch Weingärten gibt. Das ist auch eine ganz tolle Sache in Wien: Wenn man Lust hat, setzt man sich einfach in die Tram und du bist in einer halben, dreiviertel Stunde im Grünen! Das ist in einer Großstadt heutzutage schon etwas Rares. Im Frühling und im Sommer gehe ich am Samstag gerne auf den Naschmarkt und danach am Naschmarkt frühstücken. Außerdem mag ich natürlich die Kaffeehäuser sehr! Auch die Kunst- und Musikszene ist in Wien sehr aktiv. In punkto Rock- und Folkszene habe ich den Eindruck, dass sich da derzeit auch einiges tut. Es würde mich freuen, wenn ich mit meiner Musik die Szene zusätzlich bereichern könnte.
...über Ihre nächsten Pläne
Meine nächsten Pläne? Bald in Pension gehen (lacht)! Nein, das war natürlich nur ein Scherz! Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde. Es ist durchaus möglich, dass ich bald wieder nach England zurückkehren könnte. Es gibt dort in punkto Gigs, in punkto Medien, aber auch in punkto Musiker/innen, mit denen ich zusammen arbeiten möchte, einfach mehr Möglichkeiten. Vor allem auch in Bezug auf meine erstes "richtiges" Album. Die EP ist ja eigentlich nur der "Teaser". Auch für das Live-Spielen bietet London einfach viel mehr Möglichkeiten. Ich will ein größeres Publikum erreichen, und da bietet mir London einfach bessere Vorausetzungen. Trotzdem bin ich sehr froh über die Unterstützung, die ich für meine Musik bis jetzt in Wien bekommen habe. Mal sehen, wohin es mich in Zukunft zieht.
...wo man die EP "Arrivals" erwerben kann
Also auf jeden Fall mal als Download über iTunes, dann über den Shop auf meiner Webseite bzw. über einige ausgewählte CD-Geschäfte in Wien und London.
(Text und Interview: Robert Fischer; Foto: Markus Morianz)
CD-Tipp:
Hoda Mohajerani: Arrivals
Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Eigenvertrieb (2012)
Link-Tipp:
Video von "Whole"