"Ich weiß es nicht, wohin die Engeln fliegen", lautet der Buchtitel mit Liedtexten des Sängers und Volksschauspielers Ludwig Hirsch. Jetzt weiß er es möglicherweise. Ludwig Hirsch, der Geschichtenerzähler, nahm sich am 24.11.2011 in Wien das Leben.
"Es gibt auch viele klischeehafte Österreich-Bilder: Ich, der ich mit dreißig nach Wien gekommen bin, werde als typischer Wiener wahrgenommen. Der typische Wiener ist natürlich sehr makaber [...] Die Assoziationen sind dann der Zentralfriedhof und Ludwig Hirsch." (Bestsellerautor Wolf Haas, 2006)
Die Erfolgsgeschichte des "typischen" Wieners - 1946 in Weinberg in der Steiermark geboren - begann zunächst 1973 als Schauspieler, ehe er im Jahr 1977 begann Liedtexte zu schreiben. "Vorbilder im eigentlichen Sinn", sagte er mir gegenüber einmal, "hab ich keine. Ich mag Pink Floyd, Leonard Cohen und im Prinzip alle, die etwas zu sagen haben". Bereits mit seiner ersten LP 'Dunkelgraue Lieder' (1978) feierte er zur Überraschung vieler einen großen (Verkaufs)erfolg, der sich mit dem Nachfolgealbum 'Komm großer schwarzer Vogel' (1979) bestätigte. Beide Alben avancierten längst zu Klassikern im gesamten deutschsprachigen Raum. Umso verblüffender, da er in seinen Liedern dem längst nicht ausgestorbenen faschistischen Mief kräftige Watschen gab, Kehrseiten so mancher Medaillen aufzeigte sowie über das janushafte am Menschen sang. Zutage traten kluge Texte mit Ohrwurmmelodien, in denen sich ein tiefer, dunkler, unheilvoller, makabrer See auftat. Sein Gesamt-Oeuvre zeigt Hirsch als einen Musiker, der ohne radikale Veränderungen auskam. Das nähme ihm, wie er einmal betonte, auch soundso niemand ab, daher verzichtete er in seinen Arrangements auf zeitgeistige Musikströmungen. Eines dieser Unveränderlichkeiten im Schaffen von Ludwig Hirsch waren die zahllosen Wortspielereien. Hirsch im Gespräch, das ich mit ihm 2008 führte: "Wenn ich in so eine Art Klausur gehe, die Tür zumache, niemanden reinlasse und ich gut drauf bin, purzeln die Wortspiele nur so heraus. Ich beginne dann regelrecht mit den Wörtern zu jonglieren, das mache ich sehr gerne. So wie ich mich auch weiterhin sehr gerne in fremde Figuren hineinversetze und Geschichten erfinde, was wohl daran liegen mag, dass ich ja ursprünglich vom Theater komme." Was ebenfalls stark auffällt war die Besiegung von Zeit in seinem Gesamtwerk: Da die Musik von Ludwig Hirsch zu keiner Zeit wirklich modern war, wird sie auch niemals unmodern werden. In den letzten Jahren veröffentlichte der Wortspieler und Liedermacher die Hörbücher "Ludwig Hirsch liest Weihnachtsgeschichten" (2009), "Ludwig Hirsch liest Till Eulenspiegel" (2010), das Buch "Ich weiß es nicht, wohin die Engel fliegen ..." (2010), sowie am 18. November 2011 "Ludwig Hirsch liest Ludwig Hirsch". Ludwig Hirsch nahm sich am 24.11.2011 in einem Wiener Spital das Leben. (Text: Manfred Horak; Foto: © edition karl scheibmaier wien)
Link-Tipps:
Ludwig Hirsch (Fanpage)
Interview mit Ludwig Hirsch (2006)
Interview mit Ludwig Hirsch (2008)
Interview: Ludwig Hirsch besuchte mit Manfred Horak die Ausstellung FOTOGRAFIS: collection reloaded (2008)
CD-Kritik: Ludwig Hirsch liest Weihnachtsgeschichten
CD-Kritik: Ludwig Hirsch liest Till Eulenspiegel
Die wichtigsten Alben von Ludwig Hirsch:
Dunkelgraue Lieder (1978)
Komm großer schwarzer Vogel (1979)
Bis zum Himmel hoch (1982)
Bis ins Herz (1983)
Landluft (1986)
In meiner Sprache (1991)
In Ewigkeit Damen (2006)
Buch-Tipp:
Ludwig Hirsch: Ich weiß es nicht, wohin die Engel fliegen ...
Verlag: Seifert Verlag (2010)