"Ich habe keine 08/15-Formel fürs Songwriting, aber gerade so bleibt es spannend für mich", erklärte Heather Allison Frith alias Heather Nova während ihres Kurzaufenthalts in Wien Robert Fischer. Mit ihm sprach sie auch über die Hintergründe ihres neuen Albums "300 Days At Sea".
HEATHER NOVA wurde 1967 auf den Bermudas geboren, sie ist Musikerin, Sängerin und Dichterin. Im Mai 2011 erschien ihr neuntes Album, "300 Days At Sea", dessen Titel darauf anspielt, dass die Sängerin einen großen Teil ihrer Kindheit auf dem Boot ihrer Eltern verbrachte. Im Herbst ist Heather Nova auch wieder live zu erleben, nämlich am 24. 11. im Wiener WUK. Kulturwoche.at: Gehst du heute noch in die Oper? Heather Nova: Ja! Wenn ich schon in Wien bin, und die Oper gleich da drüben in der Nähe von meinem Hotel ist, ist das ja eine günstige Gelegenheit. Sowas nütze ich eigentlich eh viel zu selten. Wenn ich alleine unterwegs bin, so wie diesmal, mache ich so was eigentlich auch nicht, aber heute dachte ich mir: warum nicht? (lacht) Du bist ja schon öfter in Wien aufgetreten. Hattest du da Gelegenheit etwas von der Stadt zu sehen? Nein, eigentlich nicht. Du weißt ja, wie das läuft, wenn man auf Tour ist. Du kommst vom Hotel zur Halle, machst den Soundcheck, spielst dein Konzert und in der Nacht fährst du dann zum nächsten Ort. Die letzten Male habe ich immer in dieser hässlichen Gasometer-Halle gespielt und dachte mir: 'Was, das ist Wien?' Darum bin ich wirklich froh, jetzt auf meinem Promo-Trip wieder in Wien zu sein. Wien ist wunderschön, ich liebe die Architektur! Ist der Titel '300 Days At Sea' ein direkter Bezug auf deine Kindheit, die du zu einem großen Teil auf dem Schiff deiner Eltern in der Nähe der Bermudas verbracht hast? Ja, der Ozean, das Meer, spielt in meinem Leben eine große Rolle, und spielt auch in den neuen Songs eine große Rolle. Viele der Lieder haben mit Erinnerungen an meine Kindheit zu tun. Es ist interessant, dass das Meer für meine Vergangenheit und Gegenwart wichtig war, aber auch für meine Zukunft eine große Rolle spielt. Es gibt ja z.B. den Song 'Save A Little Piece For Tomorrow'. Da geht es um die Zukunft, so in ca. 50 Jahren, wenn mein Sohn erwachsen sein wird und selbst einmal Kinder haben wird. Vielleicht wird dann wegen der globalen Erwärmung unser Zuhause schon versunken sein? Bermuda liegt direkt auf Meereshöhe, da gibt es also sehr wenig Spielraum, wenn das Meer steigt. Ich habe gelesen, auf dem Schiff deiner Eltern war ein kleiner Kassettenrekorder. Welche Musik hast du da in deiner Kindheit bzw. Jugend gehört? Glücklicherweise hatten meine Eltern einen guten Musikgeschmack. Sie hatten viel Vinyl und wenn wir aufs Boot zogen, dann hat meine Mutter die Platten auf Kassetten aufgenommen. Das Lustige daran war, dass meine Mutter die Platten laufen ließ, bis die Kassette einfach zu Ende war, deswegen waren manche Songs in der Mitte abgeschnitten. Da waren die Beatles dabei, die Stones, Cat Stevens, Simon & Garfunkel, Neil Young, The Incredible String Band, Joni Mitchell. Einfach tolle Songwriter. Bob Dylan natürlich auch. Das waren meine wichtigsten musikalischen Einflüsse. Meine Eltern haben Musik sehr geliebt, und der Kassettenrekorder lief pausenlos. Drehen sich die neuen Songs auf deinem Album um ein spezielles Thema? Na ja, wie ich schon erwähnt habe, drehen sich die meisten Lieder um Erinnerungen an die Zeit in meiner Jugend auf diesem Boot meiner Eltern, vielleicht auch deswegen weil ich in der letzten Zeit diesen bestimmten Abschnitt meines Lebens wieder neu schätzen gelernt habe. Das hat sicher auch damit zu tun, da ich ja jetzt selbst Mutter bin und man anfängt über die eigene Kindheit mehr nachzudenken. Wie bist du die geworden, die du jetzt bist? Hast du auf dem neuen Album '300 Days At Sea' einen Lieblingssong? Diese Songs sind ALLE meine Favoriten. Ich habe während der letzten Zeit ca. 40 neue Songs geschrieben, also sind die am Album meine Favoriten. Trotzdem, ganz besonders gut gefallen mir 'The Good Ship Moon', das ist darüber, als das Boot gesunken ist und ich später einmal das Wrack am Meeresboden gesehen habe. Dieser Song geht mir sehr nahe. Außerdem mag ich auch 'Everything Changes' und 'Higher Ground' sehr. Zu 'Higher Ground' hat mich ein Zeitungsartikel von Matt George inspiriert. Er hat als Surfer und Journalist gearbeitet, und war zufällig in der Gegend, als 2004 in Indonesien der große Tsunami aufgetreten ist. Er und ein paar Freunde, inklusive einem Doktor, haben ein Boot gemietet und Hilfsmaterialen zu den äußeren Inseln gebracht, die von der regulären Tsnunami-Hilfsaktion nicht erreicht wurden. Matt George hat dann kurz darauf die Hilfsorganisation 'Last Mile' gegründet, die sich darauf spezialisiert hat, schwer zugängliche Ortschaften und Bereiche nach einer Naturkatastrophe mit Hilfe zu versorgen. Als man ihn fragte, warum er das alles auf sich nimmt, gab er zur Antwort, dass die Dankbarkeit in den Augen der Menschen, denen er helfen kann, für ihn alle Mühen aufwiegt. War es schwierig, aus den vierzig Songs dann die richtigen für das neue Album auszuwählen? Nicht wirklich, die guten Songs machen sich schon irgendwie bemerkbar! (lacht) Manchmal ist man sich zwar nicht sicher, und denkt: War das die richtige Entscheidung? Aber that's life! '300 Days At Sea' wurde bei dir zuhause auf den Bermudas mit Solar-Energie aufgenommen. Kannst du mir mehr darüber erzählen? Mein ganzes Haus funktioniert mit Solar-Energie, also egal was wir machen, ob kochen oder im Studio aufnehmen, oder das Licht, alles läuft damit. Wir haben mehrere ca. 14-tägige Aufnahme-Sessions gehabt, der ganze Prozess hat etwa zwei Monate gedauert, dann wurde die CD noch separat abgemischt. Mit welchen Musikern hast du '300 Days At Sea' aufgenommen? Lauter Musiker, mit denen ich schon seit Anfang meiner Karriere zusammenarbeite. Der Gitarrist David Ayers war mein erster Live-Gitarrist überhaupt. Er hat einfach eine ganz besondere Art zu spielen und ist noch dazu auch klassisch geschult. Egal welches Genre, er kommt super zurecht. Ich nenne ihn immer den 'Chord-Lord'! (lacht) David spielt auf der neuen CD Bass und Gitarre. Der Schlagzeuger ist Geoff Dugmore, mit dem ich auch schon oft live gespielt habe, er war auch schon auf der 'Siren'-CD mit mir im Studio. Produzent war mein Mann Felix Tod, der mir auch schon beim 'Oyster'-Album zur Seite gestanden ist. Wie entstehen deine Texte? Das ist irgendwie eine geheimnisvolle Sache. Auch nach 20 Jahren Praxis kann ich diese Frage nicht wirklich beantworten. Ich habe keine 08/15 Formel dafür, andrerseits bleibt es gerade dadurch spannend für mich. Meistens fange ich mit einem bestimmten Gefühl und einem Teil einer Melodie an, und lasse mich treiben. Manchmal fange ich an einen Song zu schreiben, und habe keine Ahnung, worum es geht bis zu dem Zeitpunkt, wenn er fertig ist. Die Songs kommen von einem sehr unverfälschten Teil von dir selbst. Ich glaube die Leute haben oft eine falsche Vorstellung vom Songschreiben. Sie glauben, du hast all die Antworten auf die wichtigen Fragen, die du der Welt mitteilen willst. Aber es ist das Gegenteil - einen Song zu schreiben ist eine Suche! Es ist eine Art, mit einer bestimmten Situation klar zu kommen oder Frieden damit zu finden oder von dort herauszukommen. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Wiener Musiker Arnulf Lindner? Vor einiger Zeit machte ich eine Akustik-Tour und war auf der Suche nach Musikern dafür. Arnulf wurde mir von meinem Schlagzeuger empfohlen, er hat schon u.a. mit K.T. Tunstall zusammengearbeitet und ist wirklich toll! Er ist Multi-Instrumentalist, kann fast alles spielen, was Saiten hat. Sprich, wenn Arnulf dabei ist, brauchst du gar keine Band mehr! (lacht) Welche Musik hörst du derzeit privat am liebsten? Oh, ich liebe die neue CD von Arcade Fire ["Scenes From The Suburbs"; Anm.] ! Dann noch die neue von den Fleet Foxes. Und ich bin auch schon sehr auf die neue CD von Bon Iver gespannt, sein Debüt hat mir außerordentlich gut gefallen. Du unterstützt eine große Anzahl sozialer Projekte? Kannst du darüber mehr erzählen? Well, in den letzten Jahren habe ich mich gefragt, was die Musik dazu beitragen kann, dass sich etwas ändert. Es gibt einige interessante Projekte, die ich unterstütze. Im Moment arbeite ich gerade mit der David Lynch-Foundation zusammen, die sich dafür einsetzt, dass US-Jugendliche meditieren lernen können. Peter Gabriel, Ben Folds Five, Pearl Jam, ich und einige andere Künstler werden Stücke für eine Benefiz-CD für dieses Projekt zur Verfügung stellen. Außerdem unterstütze ich noch einige lokale Projekte auf Bermuda. Mit welcher Besetzung kommst du im Herbst nach Wien? Mit der ganzen Band, da ja auch die neue CD mit einer Band eingespielt wurde, und ich will diese Arrangements auch genau so live spielen! Welche drei persönlichen Dinge hast du immer dabei, wenn du auf Tour gehst? Also auf jeden Fall meinen iPad, um mit meinem Sohn zu 'skypen', außerdem habe ich da meine Fotos von ihm gespeichert. Dann natürlich meine Gitarre, und dann ... ja, was noch? ... natürlich meine Zahnbürste! (lacht) Danke für das Gespräch! (Robert Fischer)
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