Schweizer sind bekannt für Understatement und Verschwiegenheit. Nicht nur auf dem Bankensektor. Die virtuosen Musiker von Kolsimcha aus Basel kokettieren schon wieder damit und bezeichnen sich als "Europe's No. 2 Klezmerband".
"Stimme der Freude" lautet die Übersetzung von "Kolsimcha". Wer also im großen Saal des Wiener Musikvereins mit abendfüllendem Klarinettenjauchzen rechnete, durfte sich wundern. Und obwohl Kolsimcha nunmehr seit 1926 existiert - und auch trotz Filmen wie "Schindlers Liste" weithin bekannt sein dürfte, dass Klezmer keine elegische Musik ist - wunderten sich einige Zuhörer, als das erste Stück sehr perkussiv begann und immer schlagwerklastiger wurde. Beat-Klezmer Zum Instrumentarium gehörte nämlich ein volles Drum-Set, meisterlich bedient von Christoph Staudenmann, einem ausgebildeten Jazzschlagzeuger. Dem kommt im Ensemble ein besonderes Gewicht zu. Wenngleich Kolsimcha nicht sehr oft die harmonischen Wege des traditionellen Klezmer verlässt, so erweitern sie doch dessen rhythmische Palette. Mit dem Schlagzeug im Mittelpunkt könnte man gar von Beat-Klezmer sprechen - aber eben immer noch von Klezmer: Die Musik definiert sich geradezu durch Erweiterung, Neuerung und Mischung. Natürlich war Rhythmus nicht alles. An den beiden Melodieinstrumenten Klarinette und Flöte standen im Vordergrund Michael Heitzler und Pirmin Grehl und glänzten sowohl solistisch als auch im Zusammenspiel mit schier unglaublicher Beherrschung des Instruments: Schnelligkeit, die die sensorische Kapazität von Auge und Ohr beinahe überstieg und sichere Tonkontrolle in allen Lagen. Kein Wunder, sind beide doch Instrumentalisten von Weltrang und vielfache Preisträger. Der etatmäßige Flötist Ariel Zuckermann stand bei diesem Konzert am Dirigentenpult. Einige Male schien es da kleine Abstimmungsschwierigkeiten zwischen ihm und dem kleinen Ensemble zu geben. Ein Klassikorchester reagiert eben anders auf Zeichen als der Rest der Musikwelt. Europe's No. 2 Klezmerband? Im Programm, bestehend aus Eigenkompositionen der Bandmitglieder, fand sich auch Platz für Adaptionen und Einflechtungen, die so typisch für die Musikrichtung sind: Eine Andeutung des James Bond-Motivs beispielsweise, aber auch traditionelle Themen. Nach knapp einer Stunde schloss das Programm mit der "Klezmopolitan Suite", einer grandiosen Komposition, die das Orchester - aus dessen Sicht, endlich - gebührend einband. Posaunen durften Elefantenlaute produzieren, Flöten sirren wie Mückenschwärme und Trompeten hoch und laut sein. Die "große Band", wie Olivier Truan das Orchester nannte, verschlang die kleine, um sie wieder auszuspucken. Drei Zugaben gab man, am Ende wurde die ganze Bühne zu einer großen Klezmer-Band, die Solisten kamen aus den Reihen der Tonkünstler. Es blieb nach der Demonstration von Virtuosität, Sensibilität (es gab auch ruhige Teile) und Einfallsreichtum eine Frage offen: Wer ist Europas Klezmerband No. 1? Aber eigentlich eher nicht. (Text: Peter Baumgarten, Fotos: O. Truan)
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