Exit To A New Paradise... für Freundinnen und Freunde von Hannes Löschels musikalischen Grenzgänge. Im Sommer 2010 veröffentlichte der Reisefreudige zwischen den Genres Jazz und Neue Musik, Pop und sphärischen Klangwelten, das Album "Songs Of Innocence", einer Hommage an William Blake, ebenfalls Grenzgänger zwischen den künstlerischen Genres.
Der englische Dichter zwischen den Jahrhunderten - gelebt hatte Blake im ausgehenden 18. zur Wende zum 19. - unsterblich wurde er dann etwa hundert Jahre später, sowohl als Dichter, Maler und Numismatiker. Von seinen Zeitgenossen weitgehend abgelehnt, wohl auch deshalb, weil seine für diese Zeit erstaunlichen sozialen Ansichten über die Gleichheit der Menschen, seine Ablehnung der Sklaverei, die rechtschaffene britische Gesellschaft wohl vor dem Kopf zu stoßen wussten. Beeinflusst war er mit Sicherheit von den beiden, demokratisches Denken, begründenden Revolutionen in Frankreich und Nordamerika. Anerkennung widerfuhr ihm in bis heute ungebrochenem Ausmaß erst im 20. Jahrhundert, als sich Protagonisten aus Literatur, wie Aldous Huxley, der Pop Art, aber nicht zuletzt auch The Doors auf Blake besannen: "If the doors of perception were cleansed, every thing would appear to man it is, infinite." Hannes Löschel wiederum, der reisefreudige im Universum der Musik der Gegenwart, faszinierte an William Blake eher "die Kürze und Naivität als reizvolle Songunterlage". Kulturwoche.at: Reflexartig könnte man meinen, da nimmt einer den Faden auf und leistet sich seinen Beitrag zur mitunter schon inflationären Abhandlung der Popkultur in ihren Darstellungsformen der letzten Zeit. Aber schon das Betrachten der CD belehrt uns eines Besseren. Was hat dich auf die Idee gebracht, dich mit William Blake, der ja im letzten Jahrhundert so viele Künstler inspiriert hatte, auseinanderzusetzen? Hannes Löschel: William Blake und sein Werk habe ich kennengelernt im Rahmen der Musik-Tanz-Produktion "Paradise lost - Exit Eden" [Bregenzer Festspiele, Tanzquartier Wien 2008; Anm.]. Beim Lesen des "Paradise lost", dessen erster Teil mich bis heute sehr fesselt, sind mir unter anderem die Illustrationen aufgefallen, die von William Blake stammen. Bei der Materialsichtung für PLEE sind wir dann auch auf die Texte und Gedichtzyklen von Blake gestoßen, wie etwa "Jerusalem", "Songs of Innocence" und "Songs of Experience". Für die PLEE Produktion haben wir schließlich einige Texte aus den "Songs of Innocence" ausgewählt, um an ihnen ein Songtableau zu entwickeln, das in Form einer Rockbandbesetzung im Rahmen des Musikkonzeptes den abstrakten Ensembleklangflächen [eines 8-köpfigen Ensembles in der diagonal anderen Raumposition; Anm.] entgegengestellt wurde. Die Überlegung, einen Sänger dafür zu engagieren wich vorerst der Idee die Songs von den Tänzerinnen und Tänzern selbst singen zu lassen, was der Kompaktheit der Wahrnehmungsebenen sicher gut getan hat. Aber meine Neugier diesem Gedichtzyklus gegenüber war geweckt und ich habe dann unmittelbar nach den letzten PLEE Aufführungen begonnen, neben den vier bereits für PLEE vertonten Texten alle anderen - bis auf einen - zu vertonen. Sie sind in ihrer Kürze und ihrer Naivität einfach sehr reizvoll als Song-Grundlagen. Außerdem war ich nach dem letzten Album "Herz.Bruch.Stück" [siehe Interview "über die Idee die Grenzen zwischen Kunstlied und Volkslied aufzuheben"; Anm.] mit seinen ausführlich balladenähnlichen Liedformen und -längen auf der Suche nach einer Reihe knapper Songstrukturen. Eine günstige Gelegenheit... In Phil Minton hast Du mit Deinem Ensemble Exit Eden nicht zuletzt auch einen Darsteller gefunden, der, als ich euer Konzert am 17.11.2010 im Wiener Porgy & Bess besuchte, für mich eine Reise durch Londoner Pubs mit Kulturauftrag ebenso assoziieren ließ, wie den einen oder angesagten Club im Village Downtown Manhattan. Das liegt wohl an der Art und Weise, wie du es musikalisch anlegst - und es bei mir angekommen ist. Also doch eine Hommage an Andy Warhols Factories der 1960er Jahre? Die Entscheidung FÜR Phil hat ein wenig damit zu tun, dass er, so wie Blake, seinen Lebensmittelpunkt in London hat und die Songs zwar einerseits von paradiesischen Landschaften erzählen andererseits aber auch aus dem Leben des 16. und 17. Jhdt. in London - und zwar aus der Sicht eines sozial sehenden und fühlenden Menschen heraus. Vor allem aber: Ich wollte von Anfang an die Songs an all die üblichen Songformen wie Ballade, Country, Rock, Ambient, etc. und die mit ihnen in Verbindung zu bringenden Attribute und Assoziationen anlehnen, aber immer mit Bedacht darauf zugleich diese Assoziationen nie ganz auszufüllen, keine Plagiate zu erschaffen ... und auch in der Instrumentalbesetzung darauf zu achten, Musiker zu bekommen, deren Hintergrund die improvisierte Musik ebenso ist wie die formgebundene - egal ob Neue Musik, Jazz, Rock oder Pop - weil ich einfach überzeugt bin, dass diese Erfahrungen dann zu hören sind, auch wenn diese Stile dann im engeren Sinne anklingen ... Dazu war und ist Phil die, wie mir scheint, weltweit am besten geeignete Besetzung als Sänger und Performer. Natürlich klingt er manchmal fast wie eine Bar, wie Tom Waits, wie David Bowie, aber über das gesamte Songtableau hinweg bleibt er immer Phil Minton. Er achtet beispielsweise darauf, alle Wörter korrekt zu Ende zu singen, also nicht 'amerikanisch' zu phrasieren, sondern 'englisch', was ja auch der Herkunft der Texte entspricht. Und überall scheint die Möglichkeit mitzuschwingen, aus den gesungenen Melodien ausbrechen zu können, die Stimme vom Transporter der Worte, des Textes zum Instrument mit unendlich vielen Farben werden zu lassen. Auch etwas, was nur mit Phil als Sänger möglich ist. Ein Werk mit so vielen Einladungen zu Assoziationen, zu Brückenschlägen, legt wohl auch den Gedanken nahe, deine musikalischen Idee auch zu visualisieren, was auch gelungen scheint, und zwar mit Hilfe Willy Puchners, den wir landläufig ja eher als Fotografen kennen. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit? Angeregt durch meine Erfahrungen in der PLEE Produktion war ich nach einer Möglichkeit aus, den Gedanken der illustrativen Beziehung zwischen Blake als Illustrator von "Paradise Lost" und Milton abbilden und fortsetzen zu können. In der PLEE Produktion 'illustrieren' die 4 Blake Songs die ansonsten sehr abstrakte Klang- und Tanzlandschaft. In der CD-Produktion der SOI habe ich einen ähnlichen Bezugspunkt gesucht und in Willis Illustrationen gefunden. Er hatte sofort Kontakt und Bezug zur Musik wie zu den Texten. Die Illustrationen begleiten den Lesenden UND den Hörenden. In weiterer Folge entstehen auch gerade zum "Chimney Sweeper" und zu "Infant Joy" zwei kleine Filme, gedreht von Christine Schörkhuber. Der Film zu "Chimney Sweeper" wird Anfang März 2011 fertig, "Infant Joy" wird voraussichtlich im Sommer 2011 gedreht.
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