Bei einem kurzen Wien-Besuch hatte Robert Fischer Gelegenheit mit William Orbit über das Album "Pieces in a Modern Style, Vol. 2" zu sprechen. Orbit erzählte u. a. warum er klassische Musik so liebt, welche Stücke sich für einen 'Remix' überhaupt nicht eignen und was er bei einer Studio-Session mit den irischen Superstars U2 erlebte.
Im Jahr 2000 landete Produzent William Orbit (Madonna, Blur, Beth Orton, Pink, Katie Melua und U2) einen Überraschungserfolg mit der CD "Pieces in a Modern Style". Das Konzept klassische Musik zu 'remixen' bzw. mit elektronischer Musik zu verbinden, ging voll auf und das ungewöhnliche Album platzierte sich in England sowohl in den Single- als auch den Albumcharts weit vorne. Nun, zehn Jahre später, veröffentlicht Orbit den zweiten Teil seiner "Pieces in a Modern Style". Kulturwoche.at: Wann sind Sie zum ersten Mal mit klassischer Musik in Kontakt gekommen? William Orbit: Schon in der Kindheit. Meine Eltern haben viel klassische Musik gehört. Das war sozusagen der Soundtrack meiner Kindheit. Bei uns zuhause gab es weder Jazz, Blues oder Pop, sondern einzig und allein nur Klassik. Ich bin mit der Musik von Mozart, Benjamin Britten, Vivaldi oder Schubert aufgewachsen. Pop habe ich erst entdeckt, als ich ca. 12, 13 Jahre alt war. Da war dann Jimi Hendrix mein erstes Idol. Sind die "Pieces in a Modern Style"-CDs für Sie eine Art Rückkehr zu Ihren Wurzeln? Ja, ich wollte mit diesen CDs meine zwei großen Vorlieben zusammen bringen. Einerseits mein Faible für Synthesizer und 'Ambient Sound Scapes', andrerseits diese wunderschönen Kompositionen, die es schon hunderte von Jahren gibt. Haben Sie auf dem neuen Album eine Lieblingsnummer? Ja, z.B. "Nimrod" [im Original von Edward Elgar, Anm.]. Aber das ist natürlich, wie wenn Sie mich danach fragen, welches meiner Kinder ich am meisten liebe. Das ändert sich täglich. Ich habe gehört, dass die Arbeit an dem ersten Album der "Pieces in a Modern Style"-Serie (Warner Music, 2000) sehr lange gedauert hat. Was war der Grund dafür? Ich habe für die erste CD an einem Stück von Avo Pärth gearbeitet, und habe dann erst später gemerkt, als die CD eigentlich schon fertig war, dass ich zur Veröffentlichung sein Einverständnis brauche. Leider hat er seine Zustimmung nicht gegeben, deshalb mussten wir eine Menge schon gepresster CDs wieder zerstören und ich musste mit meiner Arbeit von vorne beginnen. In dieser Zeit fragte Madonna an, ob ich ihr Album "Ray Of Light" [das später mit zwei Grammys ausgezeichnet wurde; Anm.] produzieren möchte. Das hat dann auch wieder viel Zeit verschlungen, und als ich das erste "Pieces..."-Album dann endlich abschließen konnten, merkte ich, dass vier Jahre vergangen waren. Bei der neuen CD habe ich schon vorab alle rechtlichen Dinge geprüft, und diesmal gab es keine Probleme. Jemand wie Bach muss man wegen rechtlichen Angelegenheiten ja Gott sei Dank nicht mehr fragen. (schmunzelt) Das erste "Pieces..." Album war international ein Riesenerfolg. Hat sie das überrascht? Ja, sehr. "Pieces in a Modern Style Vol. 1" war damals in England ja sowohl in den Single- als auch den Album-Charts vertreten. Natürlich war auch ein bisschen Glück dabei, da es in diesem Monat keine Veröffentlichungen von anderen 'big names' gab, außer vielleicht von Coldplay. Das war einfach der richtige Zeitpunkt. Dazu kommt auch, dass sich Madonna damals sehr wohlwollend über mein Album geäußert hat. Wie haben Sie das Material für "Pieces... Vol. 2" ausgesucht? Material gibt es genug. In der Vorbereitung für die Produktion habe ich mir sehr viele klassische Stücke angehört, und das gehört auch ein bisschen zum Spaß an der ganzen Sache. Du hörst viele alte 'favourites', gleichzeitig entdeckst du aber auch viel Neues. Oft bekam ich von Freunden und Bekannten Empfehlungen für spezifische Tracks. Die Welt der Klassik ist ja riesig, und da kann es dir ohne weiteres passieren, dass du ein tolles Stück entdeckst, und dann merkst, dass du über seinen Komponisten noch so gut wie gar nichts weißt. Natürlich eignen sich auch nur bestimmte Tracks für eine Bearbeitung. Ich könnte mir z.B. nie vorstellen, ein Stück von Jan Sibelius zu bearbeiten. Aber es gibt so viel Material, da würden sich noch viele "Pieces..."-Alben ausgehen. Kann man sagen, wie lange Sie durchschnittlich an einer Bearbeitung werken? Bis zu einer Woche. Manchmal kommt es auch vor, dass man an einem Track arbeitet, ihn weglegt, dazwischen etwas anderes macht und dann erst wieder mit der Bearbeitung weitermacht. Ich arbeite prinzipiell schnell, aber mir sind die Details sehr wichtig. Ich glaube, es sind auch gerade die Details, die die Leute an meiner Arbeit so schätzen. Die gesamte Arbeit an dem neuen "Pieces..."-Album hat ca. 1 Jahr gedauert. Dazwischen habe ich noch ein Album von Katie Melua produziert. Ich habe gehört, dass sie mit "Pieces... Vol. 2" auch eine Tour planen. Wie darf man sich das vorstellen? Ich werde da mit keinem fixen Orchester reisen, sondern möchte jeweils vor Ort lokale Musiker engagieren, die diese Musik spielen können. Natürlich werde ich auch fix verpflichtete Musiker auf die Tour mitnehmen, aber ich könnte mir gut vorstellen, z.B. die Bläser-Abteilung jeweils mit lokalen Kräften zu besetzen. Ich würde auch gerne ältere Songs in das Programm einbauen, aber das muss ich mir noch genauer überlegen. Wien wäre jedenfalls ein perfekter Ort für einen Auftritt, als Lokalität würde ich mir die Staatsoper wünschen. Das Ganze wird auf jeden Fall eine große Herausforderung für mich. Aber ich kann da nicht einfach jeden Abend zwanzig Musiker auf die Bühne stellen, sonst wird da Ganze ja nur ein Verlustgeschäft für mich! (schmunzelt) Sie betreiben auch ein Internet-Radio. Wo kann man das hören? Ganz einfach, wenn sie auf meine Webseite gehen, gibt es dort eine 'Streamcasters'-Funktion, wo man viele Nummern von mir im 'Stream' anhören kann. Wenn sie das anklicken, gibt es dort sieben verschieden Kanäle, z.B. einen eigenen 'Ambient-Channel' und Sie können alles anhören, was ich jemals produziert habe. Da sind auch viele Tracks, dabei, die man nicht kaufen kann. Es fragen mich oft Leute, wo sie diesen und jenen Track von mir hören können, den ich nie veröffentlicht habe - das ist alles auf meiner Webseite bzw. im Web-Radio zu finden! Ich kann mir auch gut vorstellen, dass die Internet-Radios in Zukunft die normalen Format-Radios verdrängen werden. Obwohl es natürlich auch viele Leute gibt, die das herkömmliche Radio sehr schätzen. Sie brauchen einfach das Gefühl, dass es da am anderen Ende der Leitung jemand 'Realer' ist bzw. dass es z.B. einen echten Moderator gibt. Wenn das Internet-Radio es schafft, auch dieses 'Live'-Gefühl zu vermitteln, dann wird sein Siegeszug vermutlich nicht aufzuhalten sein. Jetzt noch zu etwas ganz anderem. Sie haben auch einmal für einige Tracks mit U2 zusammengearbeitet. Können Sie mir darüber etwas erzählen? Ja, stimmt. Ich war Produzent für das Stück "Electrical Storm". Ein sehr rockiger Track. Die Arbeit an dem Stück zog sich über drei Orte. Wir begannen mit den Aufnahmen im U2 Studio in Dublin, die nächste Station war meine Hotel-Suite in London. U2 wollten dann eigentlich auf Urlaub gehen, aber weil wir mit der Nummer immer noch nicht fertig waren, haben wir dann die Produktion in den beiden Ferienhäusern von U2 im Süden von Frankreich fortgesetzt. Sie ließen einfach das ganze Equipment einfliegen und wir richteten in einem Nebenhaus von Bono's Appartement ein kleines, behelfsmäßiges Studio ein. 'The Edge' hat da noch an den Gitarren-Parts gearbeitet und Bono hat den Song noch ein paar Mal neu eingesungen. 'The Edge' wollte "Electrical Storm" mehr als Rock-Nummer aufnehmen, doch ich hatte die Akkorde etwas verändert und spielte Keyboards, was wiederum Bono sehr gut gefiel. So hat sich das Ganze zu einer Art kleinem Kampf zwischen Bono und 'The Edge' entwickelt. Den Gesang von Bono auf dieser Nummer finde ich immer noch hervorragend. Und er hat dafür nur in ein kleines Mikro gesungen, das man in der Hand hält. Es ist auch eine ungewöhnliche Nummer, ohne fixe Struktur. Sehr lustig war auch, dass 'The Edge' im Studio in Irland zuerst all diese tollen Gitarren-Parts für "Electrical Storm" aufgenommen hat, sich in Frankreich aber dann dafür entschied, alles wieder zu ändern. Wir hatten dort aber keine einzige Gitarre! Alles was wir hatten, war eine kleine Kinder-Gitarre, die Bono einmal seiner Tochter geschenkt hatte. 'The Edge' nahm dann einfach diese Gitarre, hat kurz damit geprobt, hat das Mikrofon für die Gitarre an einem Schuh (!) festgemacht und dann mit dieser Gitarre alle Gitarren-Spuren eingespielt. Trotzdem hört es sich wunderbar an. Die Leute glauben auch immer, "Electrical Storm" ist ein Remix, weil bei dem Track 'William Orbit Remix' dabeisteht, doch das stimmt nicht. Ich habe den Track produziert! Danke für das Gespräch! (Robert Fischer)
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