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omara-portuondo-2010Gibt es eine natürliche Altersgrenze für lateinamerikanische Tänze? Nicht für Kubaner. Zum Stillhalten ist genug Zeit wenn man tot ist. Omara Portuondo und der Orquesta Buena Vista Social Club gastierte am 14.11.2010 im ausverkauften Konzerthaus Wien.

 

Omara Portuondo feierte 2010 ihren 80. Geburtstag. Ihren ersten professionellen Auftritt hatte sie 1945, man kann also beruhigt von Bühnenerfahrung sprechen. Bis zur kubanischen Revolution gab es bereits Tourneen durch die USA, in den starken Tagen des Kommunismus waren ihr als Aushängeschild der Nation sogar Reisen in die ganze Welt beschert. Dennoch gelang der ganz große Durchbruch erst 1996 mit dem die Welt in Kubafieber versetzenden Album "Buena Vista Social Club". Der gleichnamige Dokumentarfilm trug auch ihr Bild in alle Erdteile. Tja, mit 66 Jahren, da fängt das Leben an möchte manch Österreicher es ja schon lange gewusst haben. Mit einer Herbstkarriere dieser Art konnte aber niemand rechnen. Heute spielt die scheinbar Alterslose mit dem "Orquesta Buena Vista Social Club" in den namhaftesten Häusern der Welt – stets ausverkauft. So auch im Wiener Konzerthaus.

Erfahrene Publikumstraktoren

Das 14-köpfige Orchester, zum Teil bestehend aus den Musikern der Originalplatte und des Dokumentarfilms (die bereits Verstorbenen ersetzt mit brillanten jungen Talenten), legte ohne Startschwierigkeiten los, wie man es von Kubanern erwartet: Spielfreudig und gut gelaunt. Die Kombination mit dem europäischen Publikum am Parkett mutete da schon ein wenig grotesk an. Auf der Bühne schelmisch, unten lahm. Wenn zum Klatschen angehalten, dann unrhythmisch und mit dem Elan eines Musikantenstadlpublikums. Die Sänger schienen hier aber routiniert und deshalb keineswegs konsterniert. Die Stimmung änderte sich schlagartig, als nach einer Stunde Omara Portuondo, das Zugpferd, in weißem Gewand und silberfarbenen Birkenstock die Bühne betrat. Als wären die Zuschauer Duracellhaserln, die nun endlich die lang ersehnte Frischzellenkur erhielten, kam Bewegung in den Saal. Die Grande Dame des kubanischen Showbusiness, der man die 80 Jahre niemals zutrauen würde elektrisierte mit Ihrer Ausstrahlung und Ihrem Lächeln. Das Publikum erhob sich aus den Sesseln und einige zog es gar zur Bühne, um der Frau in der karibischen Christkindlkluft die Hand schütteln zu dürfen.

Hüftsteifigkeit ist eine Kopfsache

Die Musik speiste sich größtenteils aus Titeln des weltberühmten Buena Vista Social Club -Albums. Hinzu kamen Interpretationen von Welthits wie "Perhaps, perhaps, perhaps" oder "As time goes by". Eine kleine Verschnaufpause gab es dann für den Großteil der Band, als Pianist und Bassist sich im Duett einiger Melodien der europäischen Klassik annahmen und zeigten, dass nicht die Tradition die Grenzen aufzeigt, sondern auch kubanische Musik eine Entwicklung mitmacht und Fusionen mit anderen Musikrichtungen zum täglich Brot junger Musiker der Zigarreninsel gehören. Schön war zu sehen, wie professionell und doch leicht die Künstler ihren "Unterhaltungsauftrag" nehmen. Nur gut Spielen reißt selten vom Hocker. Showeinlagen und nonverbale Schmähs gehören zur Pflicht und der Hut umso tiefer gezogen, je länger eine Band auf Tour ist und je authentischer die Ausführung wirkt. Diese Besetzung ist schon länger unterwegs.

Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen: Fehlanzeige

So tanzten denn nicht nur die jungen Ensemblemitglieder während des ganzen Konzerts, die Frontfrau selbst ging tief in die Knie und auch die teils schon greise und wohlgenährte Brass-Section lieferte den Beweis, dass Hüftsteifigkeit eher eine Kopfsache ist. Nett war die Sorge des Veranstalters um die Konzertbesucher. Da die Lautstärke "punktuell über festgelegte Grenzwerte hinausgehen" hätte können, wäre ein Gehörschutz kostenfrei abzuholen gewesen. Eine unnötige Maßnahme, gelb gestöpselte Ohren blieben aus: Die Akustik war perfekt, das Volumen ideal. Einzig der Bassmonitor machte während des Solos die Tontechniker ratlos. (Text: Peter Baumgarten; Fotos: Archiv Konzerthaus)

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Kurz-Infos:
Orquesta Buena Vista Social Club feat.
Omara Portuondo
Bewertung: @@@@@@
Kritik zum Konzert am 14.11.2010
Konzerthaus Wien (Großer Saal)


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Orquesta Buena Vista Social Club
Omara Portuondo