Mit Finesse und einem musikalischen Spaß durchpflügt Edgar Knecht das deutsche Volkslied und verpasst eben diesem eine Frischzellenkur aus Jazz und Weltmusik.
Das muss man einfach hören, wie Edgar Knecht (Piano, Vocoder), Rolf Denecke (Kontrabass), Stephan Emig und Tobias Schulte (beide Drums) alte Volksliedthemen auseinander nehmen, um sie mit einem völlig neuen Gefühl wiederauferstehen zu lassen. Den Anfang macht "Heißa Kathreinerle" [...schnür dir die Schuh! / Schürz dir dein Röckele, gönn dir nicht Ruh! / Didl dudl dadl schrum schrum schrum, / geht schon der Hopser um: / Heißa, Kathreinerle, frisch immer zu...], das bei Knecht zum "heißen Kathreinerle" mutiert und erstmals die Idee veranschaulicht wie man scheinbar altbackenes wieder knusprig macht. Freilich: Edgar Knecht ist nicht der erste, der den Staub von alten deutschen Volksliedern wegwischt, man erinnere sich z.B. nur an Achim Reichel (siehe CD-Kritik Volxlieder und Michels Gold) und natürlich auch an Rio Reiser; im Jazzbereich allerdings wurde das deutsche Volkslied noch nicht wiederbelebt, zumindest nicht in dieser Qualität und Kompromisslosigkeit. Als ich das Album zum ersten Mal hörte, musste ich unweigerlich an ein Interview mit dem deutschen Jazztrompeter Herbert Joos denken. Unser Gespräch führte auch zum deutschen Volkslied, wie er dabei regelrecht aufstöhnte und sinngemäß meinte, in Deutschland gäbe es keine Volkslieder mehr. Da passt die Aussage von Edgar Knecht recht gut dazu, wenn er meint: "Das ist in Deutschland einfach immer noch ein heikles Thema. Nach den Nazis war einfach alles, was das Wort Volk beinhaltete, verbrannt. Mittlerweile ist hoffentlich eine Distanz dazu da. Aber man muss das einfach trennen: Die Lieder sind ja viel älter als die Nazis und von ihnen missbraucht worden." Und so lässt der meisterliche Pianist Knecht Maria durch den Dornwald gehen, biegt ab in einen afrikanischen 6/8 mit deutschem ¾ im Freudentanz ("Froh zu sein bedarf es wenig"), blickt nach Norden, wenn das Meer gefroren ("Thule"), stülpt dem Klassiker "Schlaf (Kindchen, schlaf)" ein neues Nachtgewand über, und erzählt mit Vocoder-Stimme die unglaubliche Geschichte vom Kuckuck ("Simsala"). Herausragend unter den acht Tracks (sechs davon basieren auf Volksliedthemen) ist seine Neubearbeitung von "Thule", das ebenso viel Freude bereitet wie so manche Stücke von Dave Brubeck. Ebenfalls besonders auffällig, nicht nur der Vocoder-Stimme wegen, die Version von "Simsala". Knechts Kuckuck befindet sich allerdings nicht in einem deutschen Wald, sondern eher irgendwo in Südamerika. Passend zur generell außergewöhnlichen musikalischen Darbietung auch das Cover vom Freiburger Fisch- und Naturfotografen Michel Roggo. Märchenhaft. Das Album von Edgar Knecht ist auch als limitierte Version auf 180 Gramm Vinyl erhältlich. (Manfred Horak)
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