Der "Modfather" rief, und alle kamen. Die legendäre Royal Albert Hall war fünf Nächte lang ausverkauft, dort spielte Paul Weller mit einer unvergleichlich guten Band im Rücken in der Form seines Lebens. Aus London berichtet Dietmar Haslinger.
Alle Klischees wurden zu meiner Zufriedenheit bestens erfüllt. Sollte es jemals eine größere Ansammlung von Mods an einem Platz in London gegeben haben, als am 24. 5. 2010 in der Albert Hall, so würde mich das wundern. 80 Prozent des Publikums (immerhin 5.000 Besucher) waren eindeutig den "Modernists" zuzuordnen, das Alter spielte keine Rolle. Schon tags zuvor konnte ich in Camden, aber auch in der Innenstadt, immer wieder junge, ältere, und ganz alte Roller fahrende, gut gekleidete Menschen orten, ebenso wie haufenweise Punks, Hippies und original gekleidete 60-ies Rocker auf bestens restaurierten BSAs und Triumphs. Das Biotop London ist halt immer noch eine Welt für sich. Full Blast - Volle Kanne Für den "Modfather" warf man sich, trotz einer in London grassierenden Hitzewelle mit über 30°, in Schale und feinen Zwirn, oder zumindest in Fred Perry Shirt, enge Levis und Winklepickers, und viele kamen mit wunderschönen aufgemotzten Lambrettas und Vespas. Vorgruppe Nr. 1, The Cow, war entbehrlich, Vorgruppe Nr. 2, Little Barrie, sensationell, ein Trio, dass man vermutlich über kurz oder lang bei Nova Rock oder Frequency hören wird. Nach einer sehr langen Umbaupause war es dann soweit und Paul Weller stürmte mit einer enorm jungen Band, natürlich alle in einem Mod-Outfit, die Bühne und gab mit "Into Tomorrow" gleich ein hohes Tempo vor, um mit "7&3 Is The Strikers Name" nahtlos ins neue Album "Wake Up The Nation" zu wechseln. Sein politischstes Album seit langer Zeit rechnet gnadenlos mit unseren "Führungskräften" ab, Weller schreit uns aber auch seinen Hass auf Facebook, Mobiltelefonie usw. ins Gesicht, und konnte sich damit dennoch auf Platz 2 der englischen Charts positionieren. Einziger Wermutstropfen, wie auch bei Wellers Wien Gig im Konzerthaus, war der Sound. Häuser wie die Albert Hall und eben Konzerthaus wurden ja dazumals für klassische Orchester geplant, und nicht für eine Batterie an superlauten Gitarren-Amps. Die englischen Techniker bekamen dieses Problem aber mit typisch englischem Rezept in den Griff, dass da lautete "full blast", also "volle Kanne". Somit hatte kein Echo und kein Hall der Welt eine Chance zurück zu schallen, da es mit noch mehr Lautstärke niedergeknüppelt wurde, genauso wie das enthusiastische Publikum mit den nächsten 3 Nummern des neuen Albums, "Aim High", "Up The Dosage" und "Moonshine". Wake Up The Nation In der Zwischenzeit hatten 8 Streicherinnen auf der Bühne Platz genommen, welche die ohnehin phantastische Arbeit der exzellenten Band noch gehörig auffetteten. Mit "From The Floorboards Up" donnerte uns Weller noch einen weiteren Knaller um die Ohren, bevor dann endlich mit "All I Wanna Do" und "Porcelain Gods" die erste Verschnaufpause kam. "Wake Up The Nation" hörte ich in der bestens sortierten Bar, wo ich von zwei cirka 50-jährigen Londoner Mods angesprochen wurde: "Hi mate, awsome gig, he's in his best form, isn't he?" Als ich den top gestylten Jungs erzählte, ich sei extra aus Österreich eingeflogen, flippten diese vor Begeisterung fast aus, und waren total verblüfft, zu erfahren, dass es auch bei uns in den frühen 80ern eine lebendige Mod-Szene gab und wieder gibt. Aber wieder zurück zum eigentlichen Geschehen. Für "Invisible" schwang sich Paul Weller hinter sein Wurlitzer Piano, um mit "Trees" noch einmal ins neue Album einzutauchen. "One Bright Star" vom Vorgänger-Album "22 Dreams" läutete ein 30-minütiges Hit-Feuerwerk ein, bevor man sich zum ersten Mal vom tobenden Publikum verabschiedete. Es folgten drei Zugaben, davon ein neuer Song und mit "Art School" und "Scrape Away" zwei enthusiastisch gefeierte Jam-Klassiker. Das Konzert dauerte jetzt bereits weit über 2 Stunden, aber die tobende Albert Hall forderte mehr - und Weller ließ sich nicht lumpen, kam nochmals zurück und "spielte seine Fans heim", indem er "Black River" vom vorletzten Album und "Pieces Of Dream" wieder vom neuen Album anstimmte, zwei ruhige, psychedelische Balladen. Somit spielte sich Paul Weller in der Form seines Lebens und mit einer unvergleichlich guten Band im Rücken fast gesamt durch sein neues Album. Eine englische Band auf "home turf" zu hören ist immer ein Vergnügen. (Text: Dietmar Haslinger; Fotos: Englische Fan-Site, Dietmar Haslinger)
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