Christoph Cech und der Neuen Oper Wien ist mit Orfeo eine spannende Begegnung von Mythos, Leidenschaft und Hoffnung mit dem rational konzipierten Musiktheater des Heute gelungen. Von Julie Larssen.
Nicht zum ersten Mal erfährt die Sage über L'Orpheo mit dem Text von Alessandro Striggio eine Bearbeitung. Nach u.a. Giacomo Orefice, Gian Francesco Malipiero und Carl Orff hat sich nun Christoph Cech im Auftrag der Neuen Oper Wien sich der Partitur Monteverdi's angenommen und sich diesem antiken Stoff in einer Neudeutung angenähert, die in einer bisher noch nie da gewesenen Form Altes und Neues verschmilzt. Diese Verbindung entlang einer Zeitskala von 400 Jahren (Uraufführung von Claudio Monteverdi's Oper war 1607 am Hof zu Mantua) ist sicherlich eines der schwierigsten kompositorischen Unterfangen überhaupt. Obwohl weite Teile der Melodien der Chöre und Arien von Monteverdi übernommen sind, gelingt es Cech die Trughaftigkeit des Liebesglücks und die Polarität des Irdischen in seiner Tonsprache zu transportieren. So werden bewusst bestimmte musikalisch sehr wirksame Stellen aus Monteverdi's Oper gedehnt, aufgelöst und neu beleuchtet. Bis zum zweiten Akt sind die Auflösungstendenzen, durch starke kontrapunktische Verarbeitungen und dem ständigen Aufeinanderprallen kontrastierender Elemente so stark, dass man sich beim Hören nicht wirklich hineinfindet. Vielleicht bedingt durch die dramaturgische Handlung, die auch erst mit dem Eintreffen der Botin in Schwung kommt, verdichtet sich dann aber in Folge die Musik zu einem erlebbaren Ganzen, trotz des häufigen Verzichtes auf hörfreundliche Techniken, wie konstante Begleitfiguren zu den Chören oder rhythmisch griffige Muster. Cech schafft mehrere Schichten, die parallel zueinander auf den Zuhörer wirken, und an die pluralistischen Zeit- und Erlebnisschichten bei B.A. Zimmermanns Collagewerken erinnern. Interessant ist auch die Instrumentierung mit Akkordeon, E-Gitarre, E-Bass, E-Piano und Synthesizer, die Behandlung des Akkordeons hätte ich mir jedoch wirkungsvoller vorstellen können. Sehr schön ist die Stelle, wo das Schlagzeug auf das zerrissen wirkende Stimmgefüge des Orchesters trifft. Man freut sich über die gute Intonation des letzteren und Freude kommt ebenfalls auf, wie Orfeo in der Unterwelt angelangt ist und man wieder das Bühnenbild anschauen kann, ohne sich zu fragen, ob die Nymphen und Hirten auch bereits bei IKEA einkaufen. Die akustisch sehr trockene Remise war sicherlich schwierig für den Chorklang, allerdings hätte ich mir trotzdem mehr Dramatik gewünscht. Alles in allem ist der Neuen Oper Wien eine spannende Begegnung von Mythos, Leidenschaft und Hoffnung mit dem rational konzipierten Musiktheater des Heute gelungen. (Julie Larssen; 2005)