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birgit-denk-hansi-lang-tribEin intensiver Konzert-Abend zu Ehren von Hansi Lang ging am 13. Jänner 2009 über die Bühne der Szene Wien. Die Hallucination Company und The Slow Club verneigten sich vor dem viel zu früh verstorbenen Sänger und Poeten mit zahlreichen Gastsängern. Ein Live-Spektakel mit überraschenden Erkenntnissen. Von Manfred Horak.


"Is this the way to say goodbye?", singt Hansi Lang auf dem knapp nach seinem überraschenden Tod veröffentlichten Slow Club-Album "House of Sleep". Ja. So kann man sich von einem Künstler verabschieden, der einige der größten Rock-Songs aus Österreich zustande brachte und in den letzten Jahren mit The Slow Club nochmals durchstarten konnte. Ja deshalb, weil auf Pathos verzichtet wurde und die Performances mit einer Ausnahme weder aufgesetzt noch gestelzt wirkte. Erkenntnisreich auch deshalb, da noch einmal gewahr wurde, wie sehr viele seiner Lieder eine atemberaubende Zeitlosigkeit innehaben, sei es musikalisch, sei es Kraft seiner Texte. Auf der Set-List standen überwiegend Lieder aus den Alben "Keine Angst", "Der Taucher", "Ich oder Du" und "House of Sleep". Den Einstieg in den Abend lieferte allerdings Ludwig Wickerl Adam mit der Lang-Komposition "Brainfever" aus dem Hallucination Company-Album "Vision" (1982). Dem folgte [jedoch unter Missachtung der korrekten Reihenfolge; Anm.] die komplette A-Seite der Mini-LP Keine Angst, also die Lieder "Addio Westwelt" mit Andy Baum, "Zucker" mit Claudia K. und "Realstadt" mit Zweitfrau. Drei Lieder, die es in all ihrer Vielfalt und Sprengkraft in sich haben. "Addio Westwelt" zählt für mich heute noch zu den besten Liedern, die jemals ein Österreicher hervorbrachte. Ein stürmischer Punk-Rock - oder was davon noch übrig blieb im Jahr 1982 - in Vollendung, gepaart mit einem sehr persönlich empfindsamen politischen Text, wuchtig und wütend. Andy Baum hatte die Aufgabe nicht daran zu scheitern. Und tatsächlich gelang es ihm. Irgendwie. Vielleicht auch deshalb, und dies war eine frühe Erkenntnis des Abends, da Hansi Lang unzerstörbare Lieder schrieb. Claudia K. hingegen hatte im Vergleich dazu wenig zu singen - Zucker besteht ja gerade mal aus den Textzeilen "Zucker, du schmeckst wie Zucker / so süß wie Zucker / Mein Zuckergirl / Darum lieb ich dich!". Das wenige war aber bestens aufgehoben in ihrer Gesangsstimme. Ungleich schwerer - umso mehr, wenn man die Original-Version gut kennt - hatte es Zweitfrau mit ihrer Interpretation von "Realstadt". Wie soll man denn auch an diese Emotionslosigkeit und Resignation in Hansi Langs Sprechgesang rankommen? Mit einer größeren Abweichung vom Original-Arrangement wäre Zweitfrau möglicherweise besser zurecht gekommen.

Die Welt, wo ich sein sollte ist nicht hier

Dann war erst mal Schluss mit Kult. Die hervorragende und bestens gelaunte wie spielfreudige Band - Thomas Rabitsch am Keyboard und an der sehr leiwanden Überstimme, sowie Harry El Fischer, Andy Bartosh und Zebo Adam an der Stromgitarre, Erich Buchebner und Lukas Filz am Bass, Harry Stampfer und Sigi Meier am Schlagwerk, Polio Brezina am Klavier und Synth - begab sich in jene musikalische Phase von Hansi Lang, die in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. "Chained Up" und "A Moment In My Song" vom englischsprachigen, titellosen, Hansi Lang Album aus dem Jahr 1989 wurden mit Gastsänger Phil Reinhardt - er war Sänger von Atlas [so wie für ganz kurze Zeit auch Hansi Lang; Anm.], Mordbuben AG und Blind Petition - zum Besten gegeben. Und tatsächlich war es eine Art Verschnaufpause, so auch im gewissen Sinne das nachfolgende "Charismatic Dictator". Brian Ritchie [von Spray, in der Hansi Lang den Bass bediente; Anm.] Punk-te sich durch das Lied und machte den Pogo, was - man wird ja nicht jünger - etwas seltsam anmutete, aber okay, es ist nun mal Teil der Hansi Lang-Geschichte. Danach enterte Birgit Denk die Bühne und traf mitten ins Volle. Ihre Performance von "Ich will wieder gut sein" war sicherlich einer der Höhepunkte des Abends, auch, weil es zu jenen raren Momenten zählt, in denen die sehr geehrte Frau Denk gemäß der Vorlage nicht im Dialekt sang. Überhaupt ist dieses Lied ein sehr bemerkenswertes. Einerseits hört man hier sehr genau in welcher Dekade das Lied entstand, andererseits schrieb Hansi Lang damit einen seiner besten Texte. Ein weiteres Highlight war auch die Performance von "Bild aus Glas", interpretiert von Wickerl Adam und Thomas Rabitsch. Man vermochte währenddessen kaum zu atmen, um ja nichts zu verpassen. Keine Nuance. Keine Silbe. "Die Welt, wo ich sein sollte / ist nicht hier", textete Hansi Lang, "Vielleicht war sie da / wo ich sein wollte / als ich hierher kam und mich dahin verfing." Ein echtes Meisterwerk. Mit "Werde" aus dem Hallucination Company Album "Vision" - gesungen von Wickerl Adam - endete der erste Block und längst schon war klar, einem großartigen Abend beizuwohnen.

This was the Slow Club

Harri Stojka und Claudius Jelinek beherzten das Publikum mit zwei Gipsy-Swing-Nummern im Stile Django Reinhardts, "die", so der Wundergitarrist, "dem Hansi besonders gut gefielen". Wer jetzt glaubt, das war aufgesetzt und doch sehr weit weg vom Hansi Lang, der irrt, und zwar gewaltig. In der lesenswerten Biografie Kind ohne Zeit (Residenz Verlag) von Fabian Burstein hansi-lang-kind-ohne-zeitkann man die Beziehung zwischen Hansi Lang und den Stojkas in aller Ausführlichkeit nachlesen: "In der Hochblüte der Hallucination Company intensivierte Hansi Lang auch seinen Kontakt zu den Stojkas, [so] lernte der Sänger die großen Charaktere der oftmals diskriminierten Minderheiten kennen - und schaffte es als einer der wenigen 'Fremden', die Herzen der sonst recht skeptischen Zigeuner zu erobern." Zitat Ende. Gar nicht mal so weit weg vom Gipsy-Soul des Harri Stojka war auch The Slow Club. Tini Kainrath und Betty Semper knieten sich in die Soul-Welt des Hansi Lang voll hinein. Kurzum: The Slow Club präsentierte Teile des Albums "House of Sleep". Mit dabei war natürlich auch Wolfgang Schlögl, der, wie immer, die unglaublichsten Sounds aus seinem Laptop hervorzauberte. The Slow Club hat ja durchaus etwas Tröstliches an sich. Mich erinnert der überraschende Tod von Hansi Lang in diesem Zusammenhang an Roy Orbison, der ebenfalls knapp vor seinem (ebenfalls überraschenden) Ableben von der breiten Masse wahrgenommen wurde - zum einen mit Traveling Wilburys, andererseits mit dem Studio-Album "Mystery Girl" und mit dem Live-Album "A Black and White Night". Na ja, Trost ist relativ, bei beiden hatte man das Gefühl, dass noch viel mehr nachkommen könnte. Sollte leider nicht sein.

Was wirklich weh tut

Bono von U2 schrieb einmal, "dass wir alle im Vergleich zu Johnny Cash Weicheier sind". Stimmt. Wobei ich davon ausgehe, dass Bono nicht weiß, wer Hansi Lang ist. All diese Tiefen, Untiefen und Höhen, all diesen Schlamm und Morast, all dieses Suchen und Finden, das Scheitern und Empfinden, die Verinnerlichung und Stärkung, erlebten beide in einem ähnlichen Ausmaß, der eine (Johnny Cash) länger, der andere (Hansi Lang) kürzer. Die intensive Abarbeitung ihres Lebens in Liedform war beiden gemein, auch wenn freilich der Output beinahe unterschiedlicher nicht sein konnte. Nun, wie dem auch sei, Hansi Lang war ein Musiker, der unendlich viel zu erzählen hatte und im letzten Teil des Abends kamen nochmals einige seiner zu Kult gewordenen Lieder zu Gehör. Aus dem Album "Ich oder Du" interpretierte Christian Pogatsch das unglaubliche "Lauf". Ein wütendes Rock-Lied in dem die Himmel einstürzen, die letzte Chance verrinnt und in der die Angst ein Dämon ist. So düster das Lied auch sein mag, so erhellend war die Darbietung. Danach kam erneut Andy Baum an die Reihe, und zwar mit "Ich werde sehen" aus dem Album "Der Taucher". Eh schon wissen, das ist jenes Lied mit dem gewissen Pfiff: "Ich lauf die Straße lang / und denk was wird da kommen / seh jedes Schild mir an / wo wird ich wohl ankommen". Und noch eine weitere Erkenntnis: Andy Baum ist ein guter Hansi Lang-Interpret. Danach kam mit Eric Papilaya ein Starmania auf die Bühne, dem man auch sofort anmerkte, dass er gut geschult ist, dass er aber mit Hansi Lang in Wahrheit nichts anzufangen weiß, und möglicherweise noch weniger mit dem Lied "Metropolis". Seine Performance wirkte aufgesetzt und - im Gesamtrahmen betrachtet - fehl am Platz. Aber okay, wie sagte mir mal Hansi Lang in einem Interview sinngemäß? "Starmania ist so was von egal und tut niemandem weh. Was wirklich weh tut, ist der Krieg im Irak."

Ich oder Du, das ist einer von uns

Eine angenehme Überraschung bot hingegen die Performance vom Starmania-Juror Roman Gregory, dem Alkbottle der Nation, mit den Über-Liedern "Pyramidenmann" und "Ich oder Du". Vor allem "Pyramidenmann" war (für mich persönlich) die Wiederentdeckung des Abends. In diesem Lied steckt so ziemlich alles drin, was inhaltsschwer ist. Mystisch bleiern durchzogen bzw. von Mythen umrankend verwoben, hart rockend ohne Hard-Rock zu sein, die Punk-Anarchie im Herzen ohne Punk zu sein, mit einer Düsternis im Text ohne Drohgebärde zu sein, sondern einzig und allein große Literatur. Gregory fühlte sich sichtlich wohl bei diesen Liedern, und so kam das dann auch ziemlich leiwand rüber. Nach diesen metallenen Brocken kamen die vier bekanntesten Lieder von Hansi Lang an die Reihe. "Josefine", "Monte Video" (Gesang: Anzo), "Ich spiele Leben" (Gesang: Tini Kainrath) und "Keine Angst" (Gesang: Alle). Dieses Lied-Quartett war sozusagen die Zugabe, und das Publikum war längst schon dermaßen euphorisiert, dass nur noch ein einziges Schweben spürbar war, eine Glückseligkeit, diese mächtigen, unzerstörbaren Lieder noch einmal live zu hören, auch wenn der Eine durch Viele ersetzt werden musste. Möge es nicht das letzte Mal gewesen sein. (Text und Foto: Manfred Horak)

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