Hat der Musiker Joscho Stephan tatsächlich "nur" 10 Finger? Eine Frage, die leicht beantwortet werden kann, wenn man sich die DVD "Live in Conert" zu Gemüte führt. Ja, Joscho Stephan hat tatsächlich "nur" 10 Finger, auch wenn man es oft nicht glauben möchte, virtuos wie er spielt.
Virtuoses Gitarrenspiel ist natürlich eine heikle Angelegenheit, denn nicht selten kommt es vor, dass man vor lauter Virtuosität den Kern eines Musikstücks verliert und manche meinen sogar, dass es viel wichtiger ist was man auslässt – Stichwort J.J. Cale – als alles zu spielen. Nun, ich muss zugeben, ich mag beides, wobei mir im Vergleich zu den Reduktionskünstlern an der Gitarre die virtuosen Gitarristen mehr und schneller am Nerv gehen. Eine große Ausnahme im virtuosen Gitarrenspiel waren seit jeher die Gypsy-Gitarreros, also ein Django Reinhardt, Karl Ratzer, Harri Stojka, Bireli Lagrene, das Mystére Trio oder – mit Abstrichen – ein Al Di Meola. Hinzu kommt nun auch Joscho Stephan, ein scheinbar sehr sympathischer Gitarrist aus Deutschland, der bei dem 85-minütigen Konzert-Mitschnitt einige wundersame Dinger fabriziert und Klangbilder entwirft, die weder über längere Strecken auf den Nerv fallen noch angeberisch daherkommen. Im Mittelpunkt stehen Eigenkompositionen von Joscho Stephan, viele davon basierend auf – wenig überraschend – Django Reinhardt, sei es sein "Train to Paris" oder "Artillerie New". Dazwischen gibt es aber auch freche Neugestaltungen eines Mozart-Stücks ("Rondo alla Turka") und andere Hommagen, wie z.B. "The Watkins Man" an Chet Atkins. Unüberhörbar auch seine hervorragend eingestellte Band mit Günter Stephan (Rhythmusgitarre), Max Schaaf (Kontrabass), Sebastian Reimann (Geige), Johannes Zink (Rhythmusgitarre), Thomas Kukulies (Percussion) und als Gast Richard Smith (Gitarre). Einfache Bildaufnahmen ohne Kinkerlitzchen und unnötige Spielereien bringen das Konzert sehr gut zur Geltung, die Musik funktioniert aber natürlich auch ohne Bild hervorragend. Exquisit. (Manfred Horak)
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