Wer sich mit der in Wien lebenden holländischen Jazz-Sängerin Caroline De Rooij (31) über Ihre Ausbildung unterhält, sollte fachlich gut beschlagen sein. Obwohl auch Vokal-Legende Mark Murphy zu den Lehrern der jungen Sängerin gehörte, schwärmt Caroline De Rooij (CDR) auch gerne mal für absolute Insider-Tipps wie Jeanne Lee oder Blossom Dearie.
Fakt ist, die verschiedenen Lehrer haben einen guten Job gemacht und aus Caroline De Rooij ist eine großartige Vokalistin und ernstzunehmende Nachwuchs-Hoffung geworden, von der auch Alegre Correa begeistert ist. Kürzlich veröffentlichte die junge Dame Ihr superbes zweites Album Circus Girl und traf sich an einem sonnigen Vormittag im Cafe Prückl mit Robert Fischer (RF) zum Interview.
RF: Caroline, ich habe im Booklet deiner neuen CD gelesen, dass du aus einer sehr traditionsreichen Familie von holländischen Zirkus-Artisten stammst…
CDR: Ja, ich bin in eine Familie von lauter Künstlern hineingeboren worden. Väterlicherseits war mein Opa Jazz-Pianist, die Oma Geigerin und von Ihr habe ich auch als mein erstes Instrument Geige gelernt. Mütterlicherseits gibt es diese Zirkus-Artisten Tradition, die vier Generationen zurückreicht. So bin ich quasi auch im Zirkus aufgewachsen, und das ist eine Welt für sich… Trotzdem wollte meine Mutter, dass Ihre Kinder einen anderen Berufsweg einschlagen, denn Sie wusste ja aus erster Hand, dass das Leben im Zirkus sehr hart ist. Später habe ich dann angefangen, Klavier zu lernen.
Wie bist du dann zum Gesang gekommen?
Das ist dann sehr rasch gegangen. Mein Vater ist ein sehr bekannter Schauspieler in Holland, der in seinen Shows auch immer einige Sängerinnen hatte. Die habe ich gehört und dachte mir, das ist eigentlich eine tolle Art des Musikmachens, weil es so direkt ist. Ich hatte das Gefühl, da kann ich meine Persönlichkeit mehr hineinbringen als beim Geige spielen. Ich mag die Freiheit beim Singen. Natürlich muss man beim Singen zuerst auch ein technisches Know-how besitzen, ohne den geht nichts, aber wenn das einmal da ist, dann kann man beginnen, lockerer zu werden, zu improvisieren und die Ideen, die man im Kopf hat, umzusetzen. Meinen Schülern am Konservatorium erkläre ich immer, dass sie sich zuerst einmal auf zwei Jahre Theorie einstellen müssen, wenn sie Gesang lernen wollen.
Welche Lehrer haben deinen Gesang geprägt?
Sehr wichtig für mich war Jeanne Lee, eine berühmte Sängerin aus der Free Jazz-Szene. Sie ist oft gemeinsam mit dem Billie Holiday-Pianisten Mal Waldron aufgetreten. Nach der ganzen Theorie habe ich dann von ihr wieder gelernt, nicht so kopflastig zu sein. Bei ihr gab es z.B. Übungen, wo man am Boden liegt und von dort aus singt… Ein weiterer Höhepunkt in meiner Ausbildung war ein einmonatiges Seminar mit Mark Murphy, ein wunderbarer Sänger. Zuerst hatte ich große Angst vor ihm, weil er so ein großes Vorbild von mir ist. Von Mark habe ich das Improvisieren und die Freiheit, mit dem Timbre zu spielen, aber trotzdem zu wissen, wo du bist, gelernt. Das ist seine große Stärke. Dass er ein Tempo hat und so mit dem Timing spielt, dass man glaubt, er kommt nie wieder mit der Band zusammen und er schafft es trotzdem… Diese rhythmische Qualität habe ich von Ihm gelernt.
Du bist auch mit dem deutschen Glenn Miller-Orchester regelmäßig aufgetreten…
Das war auch eine wichtige Erfahrung. Das Orchester spielt 80 Konzerte im Jahr, die meisten davon sind ausverkauft. Dort habe ich gelernt, mit dem Tour-Stress, dauernd im Bus unterwegs zu sein, verkühlt zu sein, etc., umzugehen und trotzdem bei den Konzerten immer „da“ und in jedem Moment präsent zu sein. Das ist die alte Schule, die ja auch Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan durchgemacht haben. Musikalisch habe ich dann nach einiger Zeit schon etwas Ermüdungserscheinungen an mir bemerkt, 80 mal hintereinander „In The Mood“ zu hören, ist dann doch etwas zu viel. Aber ich habe in dieser Zeit viel gelernt.
Kommen wir zu deiner neuen CD. Was ist das Thema von "Circus Girl"?
Ich wollte einfach meine Wurzeln bzw. meine Herkunft aus einer Familie mit einer vier Generation zurückreichenden Künstlertradition dokumentieren, weil ich glaube, dass das schon recht ungewöhnlich ist. Auch deshalb, weil die Welt der Akrobaten und Zirkusleute immer mehr in Vergessenheit gerät und ausstirbt. Außerdem wollte ich mit „Circus Girl“ auch irgendwie die Vergangenheit bzw. eine bestimmte Phase meines Lebens damit abschließen.
Nach welchen Kriterien hast du deine Band zusammengestellt?
Ich habe lange gebraucht, um die richtigen Musiker für meine Band zu finden. Martin Wös und Harri Tanscheck spielen schon sehr lange zusammen, sie sind die Art von Musiker, die sich auch einmal zurücknehmen können und eine Sängerin gut unterstützen. Am Bass ist mein Lebensgefährte Stefan Thaler zu hören, auch ein toller Musiker und ganz nebenbei der Grund, warum ich vor 10 Jahren überhaupt nach Österreich gekommen bin. Zusätzlich bin ich auch sehr stolz, dass ich Alegre Correa als Gast im Studio begrüßen konnte.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Alegre Correa? Kennst du ihn schon länger?
Ich habe Alegre erst kürzlich zum ersten Mal live gesehen, mit seiner eigenen Band und habe mir gedacht: Von seiner Art zu spielen, seinem Flair, ist er auch ein "Zirkuskind". Ich finde seine Art Gitarre zu spielen einfach faszinierend und er beeindruckt mich auch als Mensch sehr. Er ist ja Autodidakt und hat sich alles selbst beigebracht. Wir sind dann auch einmal gemeinsam aufgetreten und ich lerne jedes Mal etwas dazu, wenn ich mit Ihm musiziere. Darum wollte ich Ihn auch unbedingt auf „Circus Girl“ dabei haben. Wir haben dann für seine Parts auf der CD einen ganzen Tag im Studio geprobt, und das alleine war schon eine äußerst intensive Erfahrung.
Was sind deine nächsten Projekte?
Ich möchte die neue CD in der nächsten Zeit noch einmal richtig im Porgy & Bess in Wien präsentieren, zusätzlich arbeite ich mit Stefan an einem neuen Projekt mit elektronischer Musik. Das ist sehr spannend für mich, weil ich mich mit dieser Art von Musik noch wenig beschäftigt habe.
Noch eine nicht ganz ernst gemeinte Abschlussfrage. Momentan ist es ein großer Trend, dass CDs erscheinen, auf denen man mit längst verstorbenen Musikern zum Duett antritt, wie z.b. kürzlich die Dean Martin-CD. Mit welcher Legende würdest du gerne ein Duett singen?
Ehrlich gesagt mit Blossom Dearie, obwohl die noch nicht gestorben ist. Kennst du Sie? Blossom Dearie [US-Jazz Sängerin, geb. 1926; Anm.] ist ein wichtiger Einfluss für mich, weil sie eine humorvolle Frau ist und witzige Texte hat. Es gibt eine Aufnahme von ihr, die heißt „I´m Hip“, die mag ich sehr. Ich würde lieber mit jemand singen, der noch am Leben ist, man sollte die Toten nicht in Ihrer Ruhe stören.
Danke für das Gespräch. (Robert Fischer)
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Link-Tipps:
Circus Girl – die CD-Kritik
www.carolinederooij.com
www.velvetelevator.com/