Dass ein Pearl Jam-Konzert auf einem Festival nur ein schlechter Kompromiss ist, bewies die Kult-Band aus Seattle einige Tage später bei ihrem Konzert in Düsseldorf, Deutschland. Der Wind, der Regen. Die vielen Besucher, die wegen anderer Bands das Festival besuchen und die dadurch fehlende Stimmung. Der kilometerlange Weg zum Parkplatz. Alles, was auf dem Nova Rock-Festival 2007 nervte, verkehrte sich bei der "normalen" Performance in Düsseldorf ins komplette Gegenteil.
130 Minuten Rock feinster Güte
Die Zuschauer-Schlange ist sehr lang vor dem ausverkauften ISS-Dome in Düsseldorf. Da kommt das Angebot eines Last Minute-Ticket-Verkäufers, beim Kauf der Karte auch an die Spitze der Schlange mitgenommen zu werden, gerade recht. Wir schaffen es noch in den abgegrenzten Bereich vor der Bühne, wo Sound und Sicht ein einziger Genuss sind und genug Platz ist, so dass keinerlei Drängen oder Stossen von anderen Fans zu befürchten ist. Es geht das Gerücht, dass Pearl Jam Ihre Vorgruppen selbst aussuchen, und wenn das stimmt, haben sie an diesem Abend eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Die beiden britischen Bands The Futureheads und Interpol legen mit Gitarren-orientierten Power-Rock den idealen Teppich für den Haupt-Act aus. Zusätzlich lässt ein schöner Bühnenhintergrund mit einem Wellen-Bild die Vorfreude langsam steigen. Als die Band dann endlich auf die Bühne kommt, wähnt man sich im Fußball-Stadium. 10.000 Fans bereiten der Band einen begeisterten Empfang. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn eine Band ein Konzert gibt, bei der die Fans hauptsächlich nur wegen diesem Act gekommen sind. Und dass auch Pearl Jam diese Tatsache eindeutig genießen, beweisen die folgenden 130 Minuten (!) Rock feinster Güte.
Was am Nova Rock-Festival nur kurz angerissen werden konnte, wurde in Düsseldorf ausformuliert
Beeindruckend, wie befreit und unglaublich energievoll die Band aufspielt. Obwohl man nach jedem Pearl Jam-Konzert glaubt, besser geht es nicht (lest dazu auch die Kritik der tollen Europa-Tour von 2006 nach sechsjähriger Abstinenz; siehe Link-Tipps), gelingt es Pearl Jam immer wieder, den Energie-Level noch ein Stück anzuheben. Ein Grund dafür ist augenscheinlich: Die fünf Original-Mitglieder, die seit 1990 beisammen sind, haben immer noch großen Spaß miteinander auf der Bühne und haben es geschafft, alle Höhen und Tiefen der 17-jährigen Band-Geschichte relativ unbeschadet zu bestehen. Allen voran natürlich der charismatische Sänger und Frontmann Eddie Vedder, der das Publikum vom ersten Moment an total mitreißt. Dazu kommt, dass bei dieser Band auch einfach kein Konzert dem anderen gleicht. Bei den 30 (!) Songs in Düsseldorf gibt es nur ganz wenige Überschneidungen zum Nova Rock-Festival, neben Hits wie Do The Evolution, Alive oder Black ist so auch noch Platz für selten gespielten Raritäten wie Breathe und Rats. Durch die mittlerweile acht Studio-Alben sowie vielen Cover-Songs gibt es ja genug Material. Dass Pearl Jam selbst große Fans der Rock-Geschichte sind, zeigen an diesem Abend Covers von The Ramones („I Believe In Miracles“) und The Who (“Baba O Riley“). Irgendwann zwischendurch gibt Vedder zu Protokoll: "Danke für die tolle Stimmung! Das Publikum war schon letztens in London unglaublich, nach der Show war ich dann die ganze Nacht auf. Nach diesem Konzert hier werde ich wohl bis morgen Nachmittag auf den Beinen sein!"
Text: Robert Fischer
Fotos: Oscar Arias, Rodrigo Coriolano und Ellen
Lese-Tipps:
Dieser Artikel wurde im Pearl-Jam-Forum ins englische übersetzt.
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CD-Kritik Pearl Jam "Pearl Jam"