Zwei neue Bücher von und über die wenig bekannte Exil-Autorin Anna Gmeyner.
Das literarische Werk der österreichischen Autorin Anna Gmeyner (1902 – 1991) stand zu Ihren Lebzeiten unter keinem besonders guten Stern. Gmeyner zog als junge Frau nach Berlin, da Sie in Österreich in den 1920er Jahren als Autorin und Dramatikerin zu wenig Arbeitsmöglichkeiten vorfand. Gerade als man in Deutschland begann Ihre sozialkritischen und politisch brisanten Stücke wie „Automatenbuffet“ oder „Heer Ohne Helden“ aufzuführen, und die von Kritikern hoch gelobt wurden, vereitelte Hitlers Machtergreifung im Jänner 1933 Ihre weitere Karriere. Im Exil in Paris und London entstanden ein Deutschland- und ein Exilroman, „Manja. Ein Roman um fünf Kinder“ (1938) und „Café du Dôme“ (1941). Gmeyner ließ sich nach dem Krieg in England nieder, und schrieb Ihre weiteren Werke in Englisch, doch diese wurden in Österreich und Deutschland kaum wahrgenommen. Nachdem im deutschsprachigen Raum jahrelang fast überhaupt keine Bücher von Anna Gmeyner erhältlich waren, gibt es nun mit einer neuen Edition von Café du Dôme und einer Werk-Analyse von Birte Werner betitelt „Illusionslos. Hoffnungsvoll“ endlich wieder Gelegenheit, diese zu Unrecht in Vergessenheit geratene Autorin neu zu entdecken. Für Einsteiger sei nochmals auf „Manja“ verwiesen, ein Buch, das sehr eindrucksvoll und mit großer poetischer Kraft die Auswirkungen des herannahenden Nationalsozialismus auf 5 Kinder aus unterschiedlichen Milieus in Deutschland zwischen 1920 und 1934 schildert.
Gmeyner veröffentlichte Ihren zweiten Exilroman Café du Dôme 1941 unter dem Pseudonym Anna Reiner. Er steht in der Tradition des Zeitromans der Weimarer Republik und schildert den Alltag der Exilanten im Paris Mitte der 1930er Jahre. Im und um das Café, dem zentralen Treffpunkt und Zufluchtsort, entfalten sich kaleidoskopisch ihre Geschichten. Der Deutschlandroman „Manja“ mit dem Gmeyner in den 1980er Jahren wiederentdeckt wurde, war 1938 im Amsterdamer Querido-Verlag erschienen. Auch Café du Dôme hätte in der deutschen Fassung hier erscheinen sollen. Der Einmarsch der Deutschen in den Niederlanden machte das Projekt zunichte. 1941 erschien die englische Übersetzung des Manuskripts. Das deutsche Original blieb verschollen. Nun macht diese Edition die englischsprachige Ausgabe erstmals wieder zugänglich. Café du Dôme erscheint in der verdienstvollen Reihe „Exil-Dokumente“ (Verlag Peter Lang), die auch andere wichtige Texte von Exil-Autoren der Zeit 1938-1945 wieder zugänglich macht.
Birte Werner analysiert in Ihrem Buch „Illusionslos. Hoffnungsvoll“ das Werk von Anna Gmeyner vor seinem kultur- und zeitgeschichtlichen Hintergrund und eröffnet so einen neuen Blick auf die Literatur- und Theaterlandschaft am Ende der Weimarer Republik. Anna Gmeyner gestaltet in ihren vier Theaterstücken (»Heer ohne Helden«, »Zehn am Fließband«, »Automatenbüfett« und »Welt überfüllt«), deren Protagonisten Gruben- und Fließbandarbeiter, Arbeitslose, kleinstädtische Spießbürger und großstädtische Angestellte sind, Zeitgeschichte als Alltagsgeschichte.
Die Dramentexte und die lyrischen Arbeiten der Jahre 1929-1933 sind durch die Neue Sachlichkeit inspiriert. Birte Werner analysiert die Motive, Themen und Topoi der Texte in ihrem literatur- und diskursgeschichtlichen Zusammenhang.
Die Wiederentdeckung in den 1980er Jahren kam für Anna Gmeyner zu spät, die inzwischen schon betagte Autorin starb einige Jahre nach ihrer „Wiederentdeckung“ 1991 in York. In Österreich wurde mit „Automatenbuffet“ am Theater in der Josefstadt erstmals im Jahr 2003 ein Stück von Anna Gmeyner uraufgeführt. (Robert Fischer)
Link-Tipp:
Anna Gmeyner
@@@@@
Anna Gmeyner – Café du Dôme
Aus d. Reihe Exil-Dokumente, Band 9
Verlag Peter Lang, 2006
447 Seiten
ISBN 3-03910-953-7
Birte Werner – Illusionslos. Hoffnungsvoll.
@@@@
Die Zeitstücke und Exilromane Anna Gmeyners
Wallenstein Verlag, 2006
320 Seiten mit 18 Abbildungen
ISBN-10: 3-8353-0019-9
ISBN-13: 978-3-8353-0019-4