Der Romanautor Hubert Achleitner - als Musiker bekannt als Hubert von Goisern - legt sein Erstlingswerk vor. flüchtig punktet mit kompakter Sprache und einer klugen Geschichte.
Wer hätte das gedacht? Hubert Achleitner, primär bekannt als Hubert von Goisern, legt sein prosaisches Erstling vor und erzählt in furioser Manier, einem gedankenverlorenen Streifzug durch Gemütsstimmungen Zeiten und Orte gleich, stilsicher und literarisch reif wie ein Autor nach seinem x-ten Roman, aus der Sicht einer Frau. flüchtig ist packend geschrieben und der Neo-Autor schafft es tatsächlich von der ersten Seite an, die Leserschaft in den Bann zu ziehen. Die Melancholie und der Humor, die Leidenschaft und die Enttäuschung, die Vorhersehbarkeit des Lebens und die unvorhergesehenen Etappen (und vice versa), trifft Achleitner mit pointierter Sprache - einer hochdeutschen und strikt ausformulierten Sprache, die in seinem Musikerdasein bisher nur wenig Platz fand. Der Musiker ist in diesem Roman nur insofern wiedererkennbar, wenn er seine Protagonisten über Musik sprechen lässt, meistens flüchtig. ""Wie kommst du auf die Idee, er wäre gestorben?" "So steht es doch auf der Kassette: 'Das war André Heller', und das Bild schaut auch irgendwie aus wie ein Grabmal." "Nein, nein, er ist schon noch am Leben. Er ist halt in Wien sozialisiert, dort gehört der Tod zum Überleben. Vor kurzem hat er eine neue Platte veröffentlicht. Aber diese hier ist seine beste, finde ich jedenfalls."" Oder auch, wenn er über die Nichtmessbarkeit, über den Zauber von Musik, spricht. "Vinyl ist die Orthodoxie unter den Tonträgern, im Gegensatz dazu ist MP3 Atheismus." Um danach einer Schulklasse das erste Album von der Nina Hagen Band auf Schallplatte vorzuspielen. "Das war Punk-Musik. Man nannte sie die Mutter des deutschen Punk".
Ich ist eine andere
Er hat schon immer viel geschrieben, erzählt Hubert Achleitner im Interview, und damit meinte er nicht Liedtexte, sondern Prosatexte. Die Herausforderung den Roman zu großen Teilen aus der weiblichen Sicht zu erzählen, war für ihn einerseits größer und andererseits hat es ihm auch geholfen, sich in eine andere Person hineinzuversetzen. "flüchtig" handelt von einer Frau, die ihren Mann verlässt. Ohne Erklärung geht sie bei der Tür hinaus und kommt nicht wieder. Der Grund ihres rätselhaften Verschwindens und die Suche nach ihr stehen im Mittelpunkt des Romans anhand von Reisen, das Eintauchen in fremde Welten und in andere Perspektiven. Den Roman fertig zu schreiben, war nicht ganz so einfach, wie er es sich ursprünglich vorgestellt hat. Hubert Achleitner: "Von der Geschichte her, von der Länge, die ein Roman hat bzw. haben muss, war ich irgendwann schon sehr eingeschüchtert. Nach der Hälfte hab ich mir gedacht, das bekomme ich nie hin, das ist alles so komplex. Wie sollen all diese Stränge irgendwann einmal zusammenkommen und einen Sinn ergeben? Da habe ich schon auch ans Aufgeben gedacht, aber ich hab mich dann durchgecoacht, nicht zuletzt, weil ich meinen Kindern auch immer gepredigt habe, wenn ihr was anfängt, dann macht es auch fertig."
Alles fließt und bleibt in Bewegung
Dass er den Roman unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlicht, war für ihn von Beginn an klar. Eine Überlegung war sogar, es unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, weil Hubert Achleitner nicht wollte, dass irgendein Verlag sein Manuskript annimmt, nur weil es von Hubert von Goisern ist. "Wobei ich auch sagen muss: Ich möchte, dass es als ein Roman von Hubert Achleitner wahrgenommen wird und nicht als ein Roman vom Musiker Hubert von Goisern." So gesehen haben die Lieder auf seinem kommenden Album "Zeiten und Zeichen" (über das Album wird an anderer Stelle separat berichtet) nur insofern etwas mit dem Roman zu tun, dass er für die Lieder in eine andere Art zu schreiben hineingekommen ist, wie er im Gespräch erklärte: "Seit gut 20 Jahren hab ich immer wieder den Wunsch an mich, hochdeutsch zu singen - nicht grundsätzlich, aber doch das eine oder andere Lied, was mir aber nie so richtig gelungen ist. Durch dieses Schreiben am Roman habe ich mehr Sicherheit bekommen in der Verwendung der hochdeutschen Sprache." Sein erzählender Stil liest sich leicht, vermieden werden abgenutzte Formulierungen. "flüchtig" wird nie fad, denn Hubert Achleitner verpackt kompakt eine Unmenge an Wissen in lebensnahe Dialoge. Alles fließt und bleibt in Bewegung - die Figuren und somit die Geschichte. Ein Roman, der in Erinnerungen wühlt und in der Gegenwart lebt. Die Zeit ist flüchtig, nicht aber diese wunderbare Erzählweise des Roman-Debütanten Hubert Achleitner. //
Text: Manfred Horak
Foto: Konrad Fersterer
Buch-Tipp:
Hubert Achleitner: flüchtig
Roman
304 Seiten. Gebunden.
Verlag: Paul Zsolnay Verlag (2020)