"Ich nehme wahr, was geschieht, gucke aber auch gern einmal weg, wenn das Personal des Alltags allzu schnöde meine Wege säumt." So Max Goldt über sich und sein Schaffen. Wer über seine Bücher berichten will, muss über ihn schreiben. Das liegt an seiner ganz eigenen Gattung.
Max Goldt schreibt keine Bücher. Nichts episches, keine Dramen, keine Lyrik. Er schreibt Artikel - aber keine Sachtexte! - für Magazine, die man als "elaborierte Tagebucheinträge für ein humoriges Publikum" beschreiben könnte. Alle paar Jahre werden diese Artikel dann in Buchform herausgebracht. Die neueste Sammlung seiner Schriften birgt etwas Besonderes: Eine Stellungnahme des Autors zu seinem Oeuvre in Form der Dankesrede, die er nach der Verleihung des Heinrich-Kleist-Preises hielt. Nun darf man der nicht blind glauben in der Annahme, ein Künstler wisse am besten was ihn bewege und was er mache oder sei immer ehrlich, wenn er es wüsste. Das wäre naiv. Aber als Ausgangspunkt für eine Diskussion sind derlei Äußerungen bestens geeignet. Goldt sieht sich weder als Kolumnist, noch als Satiriker, noch als Alltagsbeobachter und schon gar nicht als Kultautor. Im ersten Fall stimme ich ihm zu, jedoch nur der Form halber. Mal schreibt er eine Seite, mal fünf, mal zwölf. Das geht in einer Kolumne nicht. Ansonsten tut er aber, was man als Kolumnist unverhohlen darf: Stellung beziehen. Goldt genießt also einen publizistischen Freiraum, der ungewöhnlich ist. Er schreibt zumeist für das Satire-Magazin Titanic, womit sich auch die Frage Satiriker ja/nein? schon beinahe selbst beantwortet. Er mag das Etikett schlicht nicht, weil es in der Geschichte oft "sauren" Menschen angeheftet wurde, griesgrämigen Moralisten; der Volksmund bringt "Zyniker" und "Satiriker" eben gerne durcheinander. (Dieses Phänomen beklagt auch Harald Schmidt.) Aber die Satire ist nun mal eben eine Spottdichtung, die - auch gern gesellschaftliche - Missstände aufzeigt und sich dabei der Ironie bedient. Und ironisch gespöttelt, wenn auch fein, das wird in Goldtschen Texten immer: "Und da Frau Ditfurth nicht ganz so brutal desinteressiert an der Komplexität des Lebens zu sein scheint, wie es Frau Schwarzer ist, machte sie ihre Sache nicht schlecht und hinterließ den Eindruck einer abgeklärten, gleichwohl noch sinnesfrohen linken Kneipenwirtin, die ihren Stammgästen am Tresen mit Verve und Sarkasmus erzählt, was sie neulich wieder einmal für einen 'unfassbaren Mist' im TV gesehen hat." Ist für Literatur das, was Max Raabe für die Musik ist: Einer, der sich alter Technik bedient um Aktuelles zu beleuchten Inhaltlich unterscheiden sich Goldts Texte von denen vieler Beobachterkollegen aber in einem wesentlichen Punkt: Sie sind nicht intim, nicht unangenehm persönlich und nicht pathetisch. Thema ist die Welt und nicht sein Innenleben. Da jammert keiner über Einsamkeit und Unglück. Für mich scheint es, der gebürtige Niedersachse habe so etwas wie preußische Disziplin, die es niemals zu derlei Nachlässigkeiten mit sich selbst kommen ließe. Auch wenn der mittlerweile 52-jährige für sich ein Leben in Ehe ausschließt, kommt er doch recht konservativ daher und ist manchmal auch zeigefingerschwingend. Aber man wünscht man sich ja Autoren, die für etwas einstehen und sich nicht in die Bedeutungslosigkeit balancieren, beim Versuch nur ja keinem auf den Schlips zu treten. Der Leser sei hier beruhigt: Max Goldt betreibt keine schriftstellerische Appeasement-Politik. Um was genau geht es jetzt aber in dem Buch? Um dasselbe wie in den vorigen auch. Und das ist alles, was jedem in unserer von der deutschen Sprache geprägten Welt (ich glaube, Goldt zu übersetzen würde nicht nur seinen Sprachwitz vernichten, auch wäre außerhalb des deutschen Sprachgebiets wenig Verständnis für seine Inhalte vorhanden) zugänglich ist: Vom Rauchdiskurs angefangen, über Hundehaltung, Political Correctness, Sprache, Mode (auch Sprachmode) bis hin zu "Sodbrennen als Normalitätskriterium". Erstaunlich finde ich, dass die Texte, obwohl zum Teil schon vier Jahre alt, eine hohe Aktualität aufweisen. Das spricht wiederum für seine Beobachtungsgabe. Oder für die Metropole Berlin, in der sich alles vielleicht ein wenig früher zu erkennen gibt. Max Goldt schreibt Abort- oder Nachtkastlliteratur. Oder extrem schmackhafte literarische Jause. Doch das sagt nichts über den Wert aus, genauso wenig wie es z.B. das Etikett Krimi tut; es beschreibt lediglich die Form. Seine Prosa ist halt kurz. Deshalb: Immer einen Goldt dabei, ihm reichen fünf Minuten. Bleibt eine Frage: Wie lässt sich nun der Titel des neuen Kompendiums, " Ein Buch namens Zimbo", verstehen? Ich glaube, überhaupt nicht. (Text: Peter Baumgarten; Foto: Billy + Hells)
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