mit den Schlagworten:

andrea-camilleri-mwiemafiaAndrea Camilleri ermöglicht mit dem Lexikon "M wie Mafia" am Beispiel von Bernardo Provenzano - dem Boss der Mafia-Bosse in Sizilien - einen Einblick in Alltag und Struktur der weit verzweigten sizilianischen Untergrundorganisation.


Nur selten werden führende Köpfe der Mafia verhaftet, noch seltener ihnen illegale Aktivitäten nachgewiesen. Wer dumm genug ist, es dennoch zu versuchen, muss damit rechnen vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Trotzdem gelang es der italienischen Polizei nach 8-jährigen Ermittlungen 2006 den Boss der Bosse, Bernardo Provenzano, aufzuspüren und zu verhaften.

Mafia. Von diesem Wort findet sich in Provenzanos pizzini nicht die geringste Spur...Das ist - mit Verlaub gesagt - so ähnlich, als würden der FIAT-Vorstand und die FIAT-Vertragshändler in ihren Geschäftsbriefen niemals das Wort FIAT erwähnen.

40 Jahre lang agierte Provenzano aus dem Untergrund, zunächst als kaltblütiger Killer unter der Terrorherrschaft von Totò Riina. Erst als dessen Nachfolger zum Boss der Bosse brachte seine Strategie des Abtauchens einen Imagewechsel. Wie konnte er die Behörden so lange austricksen? Wie organisiert man Einkauf, frische Wäsche und Krankenversorgung auf Staatskosten?  Persönliche Treffen fanden nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die normale Kommunikation erfolgte altmodisch und abhörsicher mittels pizzini. Maschinengeschriebene Zettel mit Fragen, Empfehlungen und Ermahnungen, mehrmals gefaltet und mit Tesafilm versiegelt wurden von Bote zu Bote weitergegeben und waren meist 4-5 Tage unterwegs bis sie zum eigentlichen Adressaten gelangten. Selbstverständlich waren diese Texte codiert. Bis heute ist es nicht gelungen das Nummernsystem, dem seine Leute zugeordnet waren, vollständig zu entschlüsseln.

Die Einträge dieses Lexikons tragen den Charakter von Kurzgeschichten. Damit ermöglicht auch diese Form der Annäherung eine durchgängige Lektüre. Wie bei einem Puzzle entsteht ein Gesamtbild ohne dass eine Geschichte im eigentlichen Sinn erzählt wird. Andrea Camilleri verwertet die Ermittlungsergebnisse zum Fall "Provenzano", zitiert aus anderen Werken über die Mafia und analysiert eine Auswahl einzelner pizzini ohne zu beschönigen oder zu verurteilen. Der sizilianische Krimiautor verhindert eine Identifikation des Lesers mit der faszinierenden Figur des Mafiabosses. Dieser bleibt ein Krimineller, der direkt für den Tod von 40 Menschen verantwortlich ist und indirekt einige mehr auf dem Gewissen hat. (Christine Koblitz)

Buch-Tipp:
Andrea Camilleri – M wie Mafia
Bewertung: @@@@
Verlag: Kindler bei Rowohlt (2009)
223 Seiten, 17,40 €

ISBN:
  978-3-463-40557-5