Nur wenige haben das Land bereist, das an der Südseite des Himalaya liegt und daher nicht ohne Grund heute noch zu den rätselhaftesten Ländern der Erde zählt. Einer der wenigen, der Bhutan bereiste und auch dokumentieren durfte ist Matthieu Ricard, der uns mit diesem ungemein reichhaltigen, detailverliebten und hochinformativen Buch die buddhistische Kultur und den spirituellen Alltag im Reich der Könige ein wenig näher bringt.
"Bhutan", so steht es am Beginn des sehr schön gestalteten Buches geschrieben, "könnte so werden wie jedes andere Land auf dem asiatischen Kontinent, keines dieser Länder könnte jedoch je werden wie Bhutan." Ausgesprochen hat dies ein hoher kanadischer Beamte, der Bhutan zur Aufnahme in die Vereinten Nationen verhalf. Eine Aussage, die auch als Warnung dienen sollte, Stichwort Globalisierung und X-Beliebigkeit. Aber davon ist Bhutan, das im Jahr 2006 übrigens den friedlichen Übergang zur Demokratie schaffte, zum Glück noch weit entfernt - nicht nur geographisch, sondern auch ideologisch. So strebt das Wirtschaftskonzept in Bhutan nicht nach der Forderung grenzenlosen Wachstums des Bruttosozialprodukts, sondern konzipiert sein eigenes Bruttonationalglück. Der Autor erzählt aus der relativen Gegenwartsperspektive den Alltag in Bhutan, gibt Einblicke in die Zeremonien und lässt viele Bilder einfach für sich sprechen. Ricard ging bei seinen Reisen durch Bhutan vielen Traditionen nach, und erhielt seltene Einblicke in die Welt der tanzenden Mönche, aber auch in die Gedankenwelt der Kunsthandwerker und der Weberinnen. Er durfte Künstler bei der Arbeit an Wandbildern im Tempel fotografieren, beobachtete bhutanische Bildhauer bei der Herstellung von Masken, die bei sakralen Tänzen getragen werden, Mönche, die Mandalas malen genauso wie Frauen bei der Weberei. "Bhutan" ist ein klug formulierter Wegweiser durch ein Land, das sich heute noch als Hort des Friedens bezeichnen darf - ein Buch, das mit hervorragenden Fotografien staunen lässt. Ein Buch, das man durchaus auch als Inspirationsquelle für die spirituelle Praxis hernehmen kann, z.B. das Kapitel "Dimensionen der Architektur". Die Bauten in Bhutan sind nämlich aufgrund der geografischen Isolation eine besondere Eigenart, sodass die bhutanischen Baumeister einen unverwechselbaren Baustil mit großer Innovationsfreude ohne den Blick auf die architektonische Einheitlichkeit zu verlieren entwickelten. Der 232 Seiten starke Band gibt wunderbare und rare - kurzum: unverzichtbare - Einblicke in ein für viele weiterhin weitgehend unbekanntes Land. Was in diesem Band fehlt sind jedoch Einblicke in die Küche, aber das könnte ja vielleicht im Folgeband mit dem möglichen Titel "Buddhistische Kultur und kulinarischer Alltag in Bhutan" abgehandelt werden. (Manfred Horak) Buch-Tipp: |
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