Hier ist es also nun, die Fortsetzung des so erfolgreichen E-Mail-Romans "Gut gegen Nordwind" von Daniel Glattauer. "Alle sieben Wellen" fordert wenig vom Leser, nur eines: Geduld. - Meint zumindest "RE:" im E-Mail-Schlagabtausch mit "AW:". Protokolliert wurde die Diskussion von Manfred Horak.
Jetzt
Betreff: Alle sieben Wellen
Hast Du den neuen Glattauer-Roman schon gelesen?
10 Sekunden später
RE:
Ja.
20 Sekunden später
AW:
Und, was sagst Du dazu?
15 Minuten später
RE:
Der gute Autor hat es sich meiner Meinung nach doch etwas sehr leicht gemacht. Literarisch betrachtet ist "Alle sieben Wellen" jedenfalls kein Schwergewicht. Kein Vergleich zu den Briefromanen "Hyperion" (Hölderlin) oder zu "Gefährliche Liebschaften" (Choderlos de Laclos).
4 Minuten später
AW:
Na geh, das ist doch ganz was anderes. Der E-Mail-Roman ist doch eine Sonderform des Briefromans. Und außerdem wurde gerade Glattauers erster E-Mail-Roman Gut gegen Nordwind aufgrund seiner literarischen Qualitäten hoch gelobt.
1 Stunde später
RE:
Ja, das mag ja sein. Lag und liegt sicherlich auch daran, dass Glattauer sich konsequent daran hielt und keinerlei Erläuterungen irgendwo davor, mittendrin oder danach einschob. Dennoch bleibe ich dabei: "Alle sieben Wellen" ist streckenweise fad und fast immer vorhersehbar. Nun, wenigstens blieb er auch da konsequent.
3 Minuten später
AW:
Du bist gemein. Schreib Du das mal. Ich habe mich sehr gut amüsiert und konnte gar nicht aufhören, war dann auch ziemlich schnell fertig.
12 Minuten später
RE:
Ich war auch schnell fertig. Schließlich habe ich wichtigeres zu tun als einen E-Mail-Roman zu lesen - z.B. E-Mails lesen und beantworten. Du glaubst ja gar nicht, wie viele ich pro Tag bekomme.
5 Minuten später
AW:
Was haben Deine E-Mails mit Literatur zu tun?
55 Sekunden später
RE:
Eben. Was hat "Alle sieben Wellen" mit Literatur zu tun?
7 Minuten später
AW:
Ich glaube, Du - oder besser: wir - verrennen uns da jetzt. Darum, bleiben wir doch lieber bei Daniel Glattauer: Ich finde, er zeichnet die Charaktere von Emmi Rothner und Leo Leike sehr gut nach, so fiktiv sie auch sein möchten und er formt aus der "Geschichte" - besser, aus dem E-Mail-Verkehr - eine alltagsphilosophische Abhandlung über das Leben mit all seinen Wichtigkeiten und Nichtigkeiten, Wunschvorstellungen und Wahnvorstellungen, Realitätsnähe und Realitätsferne, Liebe und Angst, Romantik und Besessenheit, Vertrauen und Misstrauen - na ja, die Liste könnte ich wohl sehr lange fortsetzen.
9 Minuten später
RE:
Na, wenn Du meinst. Für mich war es zum Teil unerträglich zu lesen - und ich habe mich oft über die beiden geärgert, und, zugegeben, manchmal musste ich auch lachen (ich will nicht übertreiben. Es war eher ein Lächeln).
20 Sekunden später
AW:
Das spricht doch für die Qualität des Romans!!!
10 Sekunden später
RE:
So gesehen, ja. Dennoch…
5 Sekunden später
AW:
Was: dennoch?
8 Minuten später
RE:
...dennoch hat es sich Glattauer leicht gemacht. Einen fiktiven E-Mail-Wechsel aufzusetzen und sich daran konsequent abzuarbeiten bis zum bitteren - oder in dem Fall - fröhlichen Ende ist mir persönlich zu lau. Wobei ich erwähnen muss, dass mir prinzipiell Romane mit vielen Dialogen nicht besonders gut gefallen. In Kriminalromanen wird ja dadurch oft die literarische Unfähigkeit des Autors oder der Autorin zugedeckt. Und erst in historischen Romanen! Ich konnte das noch nie leiden und auch noch nie nachvollziehen, wie man ernsthaft einer historischen Person Worte in den Mund legen kann, für die sie sich gar nicht mehr wehren kann. Einerseits. Andererseits bewegt sich Glattauer mit "Alle sieben Wellen" natürlich in einem anderen Genre und Briefromane mag ich doch einige. Mir fällt da z.B. ein relativ junger Roman ein (jung im Vergleich zu "Hyperion" und "Gefährliche Liebschaften"), den ich sehr schätze - und zwar "Das große Spektakel" von Inge Merkel. Die Autorin ist übrigens auch aus Österreich. Dieser Roman ist zwar letzten Endes kein Briefroman, Merkel bedient sich aber über weite Strecken dieses Stilmittels. Da ist meiner Meinung nach der literarische Anspruch ein ganz anderer. Viel höher anzusiedeln. Nun, jedenfalls: Glattauer wird mit "Alle sieben Wellen" sicher wieder erfolgreich sein - es ist ja schließlich auch ein Statement über die Zeit in der wir leben, also ein zeitgeistig ziemlich aktueller Roman, und ich bin froh, dass er sich entschieden hat einen E-Mail-Roman zu schreiben und nicht einen SMS-Roman... - Und übrigens: Da fällt mir ein, ich muss gehen.
(Protokolliert von Manfred Horak)
Buch-Tipp:
Daniel Glattauer - Alle sieben Wellen
Bewertungen:
RE: @@
AW: @@@@
Verlag: Deuticke (2009)