Mit 17 Jahren vollendete Raymond Radiguet im Jahr 1923 den Roman "Den Teufel im Leib", eine Amour fou zwischen einem 15-jährigen und einer verheirateten Frau. Neu übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel überzeugt dieser moderne Klassiker noch heute.
Es ist dies die Geschichte eines Ehebruchs, die bei Erstveröffentlichung einen handfesten Skandal auslöste, und, aus der Zeit gerissen bzw. in die Gegenwart transportiert, weiterhin den Maßstab für gediegene Literatur Stand hält. Der Autor wurde 1903 bei Paris geboren und brach im Alter von 15 Jahren die Schulausbildung ab, um fortan in Künstlerkreisen zu leben, als ob er bereits ahnte, dass ihm nur wenig Zeit bleibt als Schriftsteller zu reüssieren [Radiguet starb 1923 im Alter von nur 20 Jahren an Typhus; Anm.]. Zunächst erhielt er einigermaßen Aufmerksamkeit mit Gedichten, Zeitungsartikeln und Zeichnungen, mit "Den Teufel im Leib" gelang ihm schließlich ein Werk, das von der breiten Öffentlichkeit zunächst mit Buhrufen quittiert, von Autorenkollegen hingegen mit Lob überhäuft, und mittlerweile 2-mal verfilmt wurde – das erste Mal im Jahr 1947 (Regie C. Autant-Lara), das zweite Mal im Jahr 1986 (Regie M. Bellocchio). Warum war denn eigentlich "Den Teufel im Leib" ein Skandalbuch? Nun, Radiguet setzte sich in diesem, seinem ersten, Roman [sein zweiter und letzter mit dem Titel „Der Ball des Comte d’Orgel“ erschien postum 1924; Anm.] rücksichtslos über moralische Bedenken hinweg und schrieb über Ungebundenheit, wollüstige Unbekümmertheit, erhöhte Wachheit und Empfindsamkeit, sowie über völlige Offenheit gegenüber allem Ungewöhnlichen und Aufwühlenden. Sein 15-jähriger Held Francoise lernt im dritten Jahr des Ersten Weltkriegs die mit einem Soldaten verlobten (später heiraten sie) 18-jährige Marthe kennen, deren Lieblingsbeschäftigung das Malen ist, aber auch die für sie verbotene Literatur von Verlaine und Baudelaire zu lesen. Kurz vor ihrer Hochzeit kommt es zu einer weiteren Begegnung, bei der Francois Marthe in ein Restaurant einlädt und sie nachmittags bei ihren Einkäufen für den neuen Hausstand begleitet, wobei er ihre Wünsche und ihren Geschmack tyrannisch und raffiniert dirigiert. Marthe kauft schließlich nur, wozu Francois die Zustimmung gibt, von der Wäsche bis zum Schlafzimmer. Mit einem gewissen Sadismus rät er ihr hierbei zu einem Stil, der weder ihr noch ihrem künftigen Ehemann gefällt. Als Marthe ein Kind von Francois erwartet, zeigt er sich den psychischen Anforderungen jedoch nicht gewachsen und zu allem Überdruss stirbt Marthe nach der Geburt des Sohnes. Francois, der seine Geschichte selbst erzählt, beschreibt, ohne zu moralisieren, aber auch ohne die geringste Beschönigung den Egoismus der zwei Liebenden, ihr Glück, ihre Grausamkeit, ihr Versagen und ihre Schuld. Ein genialer Kunstgriff eines jung verstorbenen Autors, dessen Roman-Erstling unbedingt gelesen gehört. (Manfred Horak) Buch-Tipp: |
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