Jason Taylor, heimlicher Poet und Stotterer, ist 13. Er lebt in einem Kaff namens Black Swan Green mitten in England in der Zeit von Thatcher und dem Falkland-Krieg. "Heimlicher" Poet und Stotterer ist er deshalb, weil beides in der Hierarchie pubertierender männlicher Jugendlicher so ziemlich einem gesellschaftlichen Todesurteil gleichkommt.
Ihm "passieren" in der Folge 13 Monate – jene des Erwachsenwerdens, in denen sich seine Eltern trennen, er sich mit den Gehässigkeiten seiner Schulkollegen herumschlagen muss, er lernt, sich seinen Ängsten zu stellen und in denen er das Phänomen Mädchen entdeckt. Das Buch ist ein Entwicklungsroman mit einer ausgesprochen liebenswerten Hauptfigur, die lediglich versucht sich durch Anpassung unsichtbar zu machen und so in der tyrannischen Hackordnung seiner Mitschüler zu überleben. Jason Taylor überschreitet die Schwelle zwischen Kindheit und Adoleszenz aber schließlich dadurch, dass er das vermeintlich unpopuläre tut: Er verpfeift seine Peiniger und gewinnt dadurch, dass er sich wirkungsvoll wehrt, letztlich seine Würde und die Achtung der Altersgenossen zurück - und räumt dazu auch noch seinen ersten Kuss von einem weiblichen Wesen ab. Nebenbei entdeckt er, dass die nahe bei Black Swan Green campierenden Zigeuner doch nicht dem von den Ortsbewohnern gezeichneten Feindbild entsprechen und der Krieg doch keine so nette Angelegenheit ist - der Bruder eines Mitschülers kommt von dort nicht lebend zurück.
Der Roman war 2006 für den Booker Prize nominiert - zurecht. Der dreizehnte Monat unterscheidet sich von David Mitchells früheren Romanen wie der von Kritikern gefeierte Wolkenatlas zwar durch scheinbar "konventionelle" Erzählweise. Das schadet seinem vierten Roman aber keineswegs. Mitchell lässt sich auf die Sprache und Psyche 13jähriger Jungs ein – da mögen eigene Erfahrungen sicher geholfen haben – und ist dabei witzig, berührend, komisch, menschlich, glaubwürdig und originell. Jasons Sprachfehler tritt z.B. in Form des "Henkers" auf, der sein Sprechen sabotiert und mit Vorliebe die Buchstaben S und N blockiert. Weitere Elemente seines Innenlebens finden ihre Gestalt als "Wurm", der in feigen Momenten auftritt, oder als "Ungeborener Zwilling", der auch mal sauer oder gehässig sein darf. Letztlich geht es Mitchell auf einer höheren Ebene aber um das ambivalente Verhältnis von Männlichkeit und Gewalt - die vertrackten Männlichkeitscodes Heranwachsender spiegeln lediglich die gesellschaftlichen Hierarchien: die Parallele zwischen den Kriegsspielen der Jungs und dem tatsächlich stattfindenden Falklandkrieg ist kein Zufall, die Väter der Peiniger sind fallweise verkappte Rassisten, Jasons Vater fürchtet sich vor seinem Chef wie Jason sich vor seinen Mitschülern. So wie Jason aufhört das Spiel mitzuspielen, schlägt auch die anfängliche Kriegsbegeisterung in Ernüchterung um. "Der dreizehnte Monat" gibt auf privater wie gesellschaftlicher Ebene Hoffnung - dass es möglich ist, aufzustehen und die Spielregeln zu brechen. Detail am Rande: Im Roman taucht auch Eva Crommelnynck als Förderin von Jasons poetischen Ambitionen auf, die schon im "Wolkenatlas" eine tragende Rolle hatte. (Laura Rafetseder)
Buch-Tipp:
David Mitchell - Der dreizehnte Monat
Bewertung: @@@@@
Rowohlt (2007)
493 Seiten
ISBN 978-3-498-04504-3
Preis: 19,90 Euro