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Diana Verlag (2006)
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Taschenbuch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-453-35135-6
Bei manchen Büchern beginnt die Faszination schon beim Cover. Was flüstert das kleine Mädchen dem Jungen auf der Schwarz-Weiß Fotografie am Titelbild von Schloss aus Glas ins Ohr? Wir werden es leider nie erfahren, doch dafür ist die Geschichte, die in diesem Buch erzählt wird, und auf einer wahren Begebenheit beruht, umso unglaublicher. Jeanette Walls Eltern ziehen mit Ihren drei Kindern in den USA in bester "Hobo"-Tradition von Ort zu Ort, zumeist ohne festes Einkommen und zumeist auch ohne festen Wohnsitz. So wohnt die Familie für kurze Zeit in Abbruchhäusern oder verlassenen Wohnwagen am Rande der Wüste und zieht dann weiter. Was die Eltern Ihren Kindern finanziell nicht bieten können, wird mit Fantasie und Kreativität ausgeglichen. So geht z.B. der Vater mit seinen drei Kindern, als zu Weihnachten wieder einmal kein Geld in der Kasse ist, der Reihe nach alleine in die nächtliche Wüste. Jedes Kind darf sich statt einem Geschenk einen Stern am Firmament aussuchen. Die 5-jährige Jeannette bekommt zu diesem Anlass die Venus. In dieser Art schaffen es die Eltern immer wieder, mit Einfallsreichtum die chronisch finanzielle Notlage auszugleichen, und Ihre Kinder trotzdem glücklich zu machen. Die Lage spitzt sich erst zu, als die Kinder Jeannette, Brian und Maureen älter werden und sich die Trunksucht des Vaters sowie das berufliche Phlegma der Mutter verfestigen. Finanziell am Boden, zieht die Familie zu den Eltern des Vaters in West Virginia, an einen Ort mit langen, strengen Wintern. Das Haus in dem die Familie ein Zuhause findet, ist baufällig und verfügt weder über fließendes Wasser noch Elektrizität. Langsam wird den Kindern klar, dass Sie über kurz oder lang Ihren eigenen Weg gehen müssen, um diesem Elend längerfristig zu entkommen.
Nach unprätentiösem Beginn möchte man die Lebensgeschichte von Jeannette Walls bald nicht mehr aus der Hand legen. Vor den Augen des Lesers entsteht eine Kindheits-Idylle, die anfangs oft wie ein schönes Märchen scheint, später aber durch die Schilderungen der wachsenden Armut der Familie auch Beklemmungen auslöst. Doch auch in den Momenten, als Walls älter wird und sehr stark unter den Einschränkungen durch Ihre Eltern leidet, findet Sie sich mit den Gegebenheiten ab und akzeptiert Ihre Eltern ohne Hass, so wie Sie sind. Wie Jeannette Walls dann mit eisernen Willen und Entschlossenheit einen Weg findet, dem Elend zu entfliehen, ringt einem Respekt ab. Sie macht Karriere in New York, während die Eltern immer noch als Obdachlose durchs Leben wandern. Die intensive Schilderung dieser Lebensgeschichte ist ein großartiges Buch, das ähnlich fasziniert, wie Frank Mc Courts 1996 erschienener Bestseller Die Asche meiner Mutter. Wie sagt man so schön: Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. (Robert Fischer)
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