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cbj Random House Bertelsmann (2007)
Ab 11 Jahren
Gebundenes Buch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-570-13088-9
Heutzutage würde Marco Polo vermutlich als professioneller Globetrotter bezeichnet werden. Ein professioneller Globetrotter, dessen Erinnerungen nicht eigenhändig, sondern mit Hilfe eines anderen – gewissermaßen eines Ghostwriters – schriftlich fixiert wurden. Dies allerdings unter unwirtlichen Bedingungen, denn Marco Polo war in Genua im Gefängnis, wo er den aus Pisa stammenden Schriftsteller Rustichello kennen lernte. Rustichello schrieb nieder, was ihm Marco Polo über seine Reisen berichtete. "Die Rolle, die Rustichello spielte", so Florian Schaffenrath in der Abhandlung Reisen in den Fernen Osten: Die lateinische Fassung des Reiseberichtes von Marco Polo, "stand lange Zeit im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses der Marco-Polo-Forschung. War er nur eine Art Sekretär, der schrieb, was ihm der berühmte Marco Polo diktierte, oder ist er ein selbstbewusster Co-Autor, der zwar den Stoff von Marco Polo erhielt, diesen aber formte und gestaltete, um Literatur daraus zu machen?" Wie auch immer: Die Glaubwürdigkeit von Die Wunder der Welt des Abenteurers und letzten Endes auch Forschers wurden Zeit seines Lebens stark angezweifelt, und selbst am Sterbebett soll Marco Polo noch aufgefordert worden sein zuzugeben, dass dieser Reisebericht erfunden war. Mittlerweile weiß man es natürlich besser, denn Marco Polo war ja schließlich nicht der einzige, der derartige langjährige Reisen bis ins Reich der Mitte unternahm – Parallelen dazu finden sich u. a. auch in den Schriften von Ibn Battuta.
Das vorliegende Buch von Roland Mueller unternahm nun den Versuch auf Basis der bekannten Handschriften ein Jugendbuch zu formen. Mueller beginnt im Prolog mit der Verhaftung Marco Polos und dem Kennen lernen von Rustichello, um eben diesen – und uns als neugierige Leser - fortan von der abenteuerlichen Reise zu erzählen. Die Schnittstelle zwischen Erwachsenenbuch und Jugendbuch ist ein schmaler, wie man anhand dieses Romans in beeindruckender Manier feststellen kann, so wie eben auch der Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen (im besten Falle) ein fließender ist und so wie Marco Polo als 17-jähriger Jugendlicher erstmals auszog die Welt kennen zu lernen und als reife Persönlichkeit 20 Jahre später in seinen Geburtsort zurückkehrte. Roland Mueller lässt Marco Polo im Tagebuchstil erzählen und durchbricht diese Form mit erzählenden Dialogen. Einfach, knapp und präzise, ohne allzu viel Firlefanz und unnützem Schmuckwerk reisen wir mit dem Venezianer durch 275 Seiten. "Ich schwöre, niemals in meinem Leben werde ich diesen ständigen eiskalten Wind vergessen. Dabei war es gleich, ob man stehen blieb, um sich kurz auszuruhen, oder ob man marschierte. Es war, als ob jeder Lufthauch irgendwo hineinkroch, in jede Falte der Kleidung, an jede Stelle, die man nicht mit Stoff oder einem Fell verschlossen hatte. Wo die kalte Luft an die Haut kam, trocknete sie aus. Meine Hände fühlten sich wie Pergament an, ganz blass und voller Risse, die manchmal bluteten. Die Haut in meinem Gesicht blätterte ab wie Kalk von einer alten Mauer." Die Reiseroute – man kennt sie (zumindest aus den Geschichtsbüchern) – führte über exotische Stätten des Orients der Araber, Kirgisen, Tibeter und Mongolen durch eisige Kälte und sengender Hitze, über das Pamir-Gebirge in die Wüste Gobi, bis sie nach vier Jahren am Hofe des Kublai Khan anlangten. Roland Mueller beendet an diesem Punkt Die abenteuerliche Reise des Marco Polo. Fortsetzung erwünscht. (Manfred Horak)