Was ist der Unterschied zwischen einem Saxophon und einem Staubsauger? Oder einer Violine und einem Winkelschleifer? Für Freunde solcher Fragen zeigt das Architekturzentrum Wien im Museumsquartier eine Dokumentation über einen sehr wachen Denker des zwanzigsten Jahrhunderts: Bernhard Rudofsky.
Sinnlich bespielbar
Rudofsky, geboren 1905 in Mähren (und gestorben 1988 in New York), ging früh auf Reisen, was er nicht mit Urlaub verwechselt wissen wollte. Es ging ihm und seiner Frau Berta ein Leben lang in Süd- und Nordamerika, Japan und Europa viel mehr darum, örtliche Lebensgewohnheiten zu studieren und das Beste daraus zu einer gleichsam höheren Kulturstufe zu führen. Rudofsky ging dabei vom Ideal eines mündigen, sinnlich wie intellektuell begabten Individuums aus, das sich in einer dieser gemäßen Umgebung in großer Freiheit selbstbewusst entfalten sollte. Essen und Baden, sich Kleiden und Wohnen, waren ihm dafür gleichermaßen interessant. Er bewunderte japanische Sitten wie etwa das getrennte Reichen verschiedener Speisen schon 1938 und verabscheute den Brei aus Fleisch, Kartoffeln und Gemüse auf unseren Tellern.
Als legendär gilt seine Ausstellung "Are Clothes modern?", die er 1944 für das Museum of Modern Art in New York konzipierte. Er stellte darin ethnographische Artefakte, die meist Körperdeformierungen zeigen, aktuellen Modetrends gegenüber. Rudofsky wollte das Publikum bewusst gegen Mode und Werbung immunisieren. Seine besondere Polemik galt einengenden, geschlossenen Schuhen, womöglich noch mit Absätzen, mit denen noch heute keine Frau normal gehen kann. Er entwarf eine Reihe offener, flacher Sandalen als Alternative und begründete 1947 "Bernardos Sandals" mit, eine Schuhfirma, mit heutigem Sitz in Houston, Texas.
Lebensinstrument statt Lebensmaschine
Bekleidung gilt Architekten als erstes Haus des Menschen und natürlich befasste sich Bernhard Rudofsky als 1931 in Wien graduierter Architekt auch mit dem zweiten, mit Baukunst, besonders mit Wohngebäuden. Die Zeitstimmung sprach nicht unbedingt für ihn. Seit der Jahrhundertwende nahm die Bauindustrie einen enormen Aufschwung, Massentechnologien für ein Massenpublikum waren gefragt, was vielleicht Le Corbusier 1923 zur Aussage hinriss, "das Haus sei eine Wohnmaschine." Rudofsky konterte, das Haus sei "ein Lebensinstrument statt einer Lebensmaschine", sinnlich bespielbar. Rudofsky plante großzügige Atriumhäuser mit mittigem Innenhof und Swimmingpool, auch damals ein Programm für wenige Begüterte. Aber er war nicht primär elitär gesinnt. Eine weitere sagenumwobene Rudofsky-Ausstellung, "Architecture without Architects", zeigte "emanzipierte" Wohnformen aus aller Welt und tourte seit 1960 mit mehr als achtzig Stationen elf Jahre lang rund um die Welt.
Das Systematische des architektonischen Blicks ist in der von Monika Platzer und Wim de Wit gestaltete Schau im Architekturzentrum Wien gut nachzuvollziehen. Sie thematisiert durchaus für jeden einzelnen Besucher, wie er oder sie leben möchte, stellt Maximen Rudofskys zur Auseinandersetzung aus. Namhafte österreichische Architekten wie Roland Rainer, Raimund Abraham oder Hans Hollein zeigen Einflüsse Rudofskys. Oft Geschichtsvergessenen Architekturstudent/innen sei die stille Schau ans Herz gelegt. Interessierte begeben sich danach in die Bibliothek des Architekturzentrums Wien, in der die - im Buchhandel vergriffenen - Originalpublikationen Bernhard Rudofskys von "The Kimono Mind" über Japan, über "Architecture without Architects" bis "Sparta/Sybaris" (1988 im Wiener Museum für Angewandte Kunst) nachlesbar sind. (Monika Gentner)
Fotos:
Bernardo Sandals (© The Bernard Rudofsky Estate)
Casa Oro, 1935–37 (mit Luigi Cosenza) via Orazio, Neapel, Italien Wohnterrasse (Research Library, The Getty Research Institute, Los Angeles)
Indien, 1982 (© The Bernard Rudofsky Estate)
Ausstellungs-Tipp:
Architekturzentrum Wien, Museumsquartier
Lessons from Bernhard Rudofsky
8. 3. bis 28. 5. 2007
Täglich 10-19 Uhr, Eintritt € 5,-
Link-Tipp:
www.azw.at