@@@@@
Verleih: Filmladen (2006)
Auch wenn der Titel den Zuschauer zwingt zu erklären, dass man nicht von einem bekannten Menschen, sondern von einem Film spricht, so beschert er ihm einen unerwartet leuchtenden Wahrnehmungsrausch. Geschichte, Darstellung, Kamera und Schnitt verzaubern 84 Minuten lang die Leinwand ohne auch nur eine Sekunde irreal zu sein. Ein durch und durch Mut machendes Werk zeitgenössischer Kunst.
Zwei junge Männer treffen sich bei einer ungewöhnlich zustande gekommenen Jobsuche: der eine lügt und bekommt, was er braucht, der andere lässt sich beraten, und darf auch dabei sein. Eine unmögliche Freundschaft wird möglich. Jürgen Vogel spielt herzerfrischend einfach einen gnadenlosen Optimisten. Daniel Brühl taucht tief ein in die Welt eines verinnerlichten Könners. Beide dürfen ihre Traum-Autos entjungfern - realistisch und phantastisch zugleich. Die dritte im Bunde spielt Sabine Timoteo, die „Königin“ des Einen und die „Gefährtin im Geiste“ des Anderen, die sich ihre persönliche Freiheit von allen bewahrt. Und wenn sie es nur durch „1 Minuten Augen zu und nur Hören!“ erreicht.
Feindberührung
Karl, der ausgezeichnete Mathematiker, lässt sich leidenschaftslos in der Schwebebahn zum Feind bewegen, wie man in der Chefetage seiner Versicherung die eigenen Kunden bezeichnet. Um unverhofft auf den kaputten DAF-Fahrer Hans zu treffen, der fragt: „Bist du glücklich?“, worauf Karl sagt: „Er rechnet anders.“ Unvereinbare Welten prallen aufeinander wie Gehirnhälften, denen bestimmte Eigenschaften zuerkannt werden, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen. Und doch haben wir alle beide.
Kein Roadmovie
Als der Autor und Regisseur, Sebastian Schipper, vor ca. 10 Jahren Kollegen von seiner Drehbuchidee erzählt hat, sagte jeder gleich: „Ach, ein Roadmovie.“ Das hat den Regisseur dazu bewogen, den Film erstmal nicht zu machen, weil es für ihn eine zu altmodische Art war aus dem Alltag „auszubrechen“. Im jetzt vollendeten Film „Ein Freund von mir“, produziert von Maria Köpf und Tom Tykwer, hat Schipper es geschafft Charaktere und Handlungen zu erfinden, die innerhalb ihres alltäglichen Spielraums agieren, und es trotzdem schaffen wirklich frei zu sein. In jedem Augenblick, einfach so.
Lichte Sprachlosigkeit
Die Schönheit und Leichtigkeit des Spiels der Darsteller wird durch die Bilder und den Schnitt unterstützt bis geschaffen. Oliver Bockelberg lässt uns durch seinen Blick durch die Kamera den Zauber der Räume erleben, die sich mittlerweile der hoch industrialisierte Teil der Welt geschaffen hat. Allein die erste Einstellung am Straßenrand ist durchflutet. Bewegung findet statt, auch wenn nur die anderen fahren. Die Sprachlosigkeit an der Bahnstation lässt das Herz höher schlagen, auch wenn nichts passiert. Wenn der Chef den hochbegabten Angestellten in der Kantine freundschaftlich zur Rede stellt und damit einen Zusammenbruch provoziert, lässt der Blickwinkel und die Zeit es zu einem berührenden Moment werden. Ein Moment, der alle Peinlichkeit mitkalkuliert und dadurch zu menschlicher Größe verhilft.
Erfindungen
Hans sagt: „So was kannst du nicht im Museum sehen, so was kannst du nur fühlen.“ Karl sagt: „Du bist lustig, du siehst die Welt nicht wie sie ist. Ich hab nen Job, ich hab ein richtiges Leben.“ Gut, dass immer jeder weiß, wie es wirklich ist und trotzdem keiner Recht behält. Alles mischt sich immer wieder neu, wird auf den Anfang zurückgestellt. Man selbst steht mitten drin - am Rand. Es ist alles eine Frage der Erfindung. (Stephanie Lang)
Link-Tipp:
Interview mit Sebastian Schipper