Zwei Freunde, eine Wette und sehr viel Geld – in The Million Dollar Bet erzählt Regisseur Thomas Woschitz die Geschichte eines Wettlaufs, der nur vordergründig gegen die Zeit geht.
The Million Dollar Bet – Filmkritik
Die Freunde Jack und Hank wohnen in Las Vegas und haben ein Faible für Glücksspiel. Ihr Geld verdienen sie beim Poker in den örtlichen Kasinos. Ebenso schnell, wie beim Zocken Existenzen zu Bruch gehen können, wirft Thomas Woschitz die Zuschauerinnen und Zuschauer in das Geschehen. The Million Dollar Bet beruht auf wahren Begebenheiten, die Geschichte ist in einem Online-Blog nachzulesen und dient als Grundlage für diesen Film. Nach einer durchzechten Nacht kommt Hank auf die waghalsige Idee, er könne 70 Meilen (über 112 Kilometer) laufen, und das in 24 Stunden. Er ist sich seiner Sache so sicher, dass er Jack zu einer Wette herausfordert. Jack zögert zuerst, aber kurz darauf schlagen die beiden abmachend ein. Der dritte Mitbewohner, Tony, steigt nicht ein. Er und Hank haben eine Wette abgeschlossen, ob sie es schaffen, nicht gegeneinander zu wetten. Hank lässt sich nicht lange bitten, streift seinen Trainingsanzug über und startet in die ersten von 478 Runden um den Block. Er muss sich beeilen, denn neben dem beträchtlichen Wetteinsatz von einer Million Dollar droht auch Hurricane Janet Las Vegas zu treffen und seine Pläne zu durchkreuzen. Vor Hank, der von Douglas Smith authentisch verkörpert wird, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Erwachsenwerden und Männlichkeit
Die Männer-WG ist etwas heruntergekommen und nur spartanisch eingerichtet. Ein wenig Farbe spenden nur die leeren grünen Bierflaschen, die im kleinen Haus in einem Vorort von Las Vegas herumstehen. Jack, Hank und Tony leben in The Million Dollar Bet ein Leben frei von Verpflichtungen. Ihr Arbeitsplatz ist der Pokertisch; Kinder oder eine Partnerin hat keiner von ihnen. Hanks Schwester vermutet nicht zu Unrecht, ihr Bruder würde in Wahrheit vor dem Erwachsenwerden davonrennen. Im Laufe des Films stoßen Hanks Mutter und Stiefvater dazu. Die Mutter behandelt Hank und seine Mitbewohner wie Kinder, spricht aber einen wichtigen Punkt an: Gefährdet Jack mit seinem Einstieg in die Wette Hanks Gesundheit? Jack will davon nichts wissen, zeigt jedoch im Verlauf des Geschehens sichtlich mehr Besorgnis und Nervosität. Eine Entwicklung, die Schauspieler Justin Cornwell glaubwürdig auf die Leinwand bringt. Nachdem Jack seinem Freund einige Stunden nach Beginn des Laufs ernsthafte Bedenken um seine Gesundheit mitteilt, meint dieser nur, Jack wolle einen Rückzieher machen. Gute Kommunikation sieht anders aus.
Der American Dream?
Der Kühlschrank der Wett-WG ist chronisch leer, zum Essen fahren sie in ein Diner in der Nähe, das den ganzen Tag geöffnet hat. Über die 24 Stunden des Laufs kehren Jack, Tony und Hanks Schwester Janet mehrmals dorthin zurück. Die Bedienung bleibt jedoch die gesamte Zeit dieselbe. Die Kellnerin muss mehrere Schichten hintereinander arbeiten, um ihre Kinder zu versorgen und die Krankenversicherung stemmen zu können. Ein klarer Seitenhieb auf die Lebensrealität in den USA. Der gebürtige Österreicher Thomas Woschitz stellt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bedroht dar. Er gibt den Schattenseiten des Landes in The Million Dollar Bet bewusst Raum. Der herannahende Hurricane verstärkt die Bedrohlichkeit der Situation. Beim Verlassen des Diners treffen sie mehrfach auf einen Obdachlosen. Jack steckt ihm einen Schein zu, woraufhin der Mann eine Münze werfen will – "double or nothing" – also entweder den doppelten Betrag erhalten oder leer ausgehen. Wie der Mann auf der Straße von Las Vegas gelandet ist, bleibt offen. Klar ist aber, dass viele, die in Las Vegas das große Geld suchen, am Ende mit nichts dastehen.
Kleines Budget – Großes Kino
Thomas Woschitz bringt mit The Million Dollar Bet 88 Minuten Spannung auf die Bühne. Und das mit einem Budget, das bei anderen Produktionen gerade einmal für das Buffet reichen würde, wie der Regisseur scherzhaft vor der Vorstellung im Rahmen der Viennale erklärte. Ein Umstand, der nicht an der Qualität der Umsetzung des Films nagt. Die Mischung aus dem laufenden Countdown, dem riesigen Wetteinsatz und des nahenden Hurricanes lassen einen den gesamten Film über unter Strom stehen und bis zum Ende mitfiebern. Angereichert wird der Film mit einer guten Portion Gesellschaftskritik, wodurch das packende Erlebnis Tiefgang bekommt. //
Text: Niki Hofer
Fotos: Viennale
Die Filmkritik ist im Rahmen der Viennale 2024 entstanden.
Film-Infos:
The Million Dollar Bet
Regie: Thomas Woschitz
Co-Regie: Gabriele Kranzelbinder
Drehbuch: Thomas Woschitz und Andrea Piva
Kamera: Enzo Brandner
Schnitt: Barbara Seidler
Musik: Markus Taxacher
Weltvertrieb: KGP Filmproduktion
Österreich, USA 2024
88 min, OmdU
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