In der Doku "Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A song" begibt sich das Filmteam um Daniel Geller und Dayna Goldfine auf die Spurensuche nach einem der bedeutendsten Songs des 20. Jahrhunderts.
Hallelujah!
Zweifelsfrei gehört "Hallelujah" zu den bedeutendsten Musikstücken des 20. Jahrhunderts, sogleich die Geschichte weiter zurückreicht. In die Kinos kommt nun eine Hommage an das Phänomenale dieser Geschichte in Form eines Dokumentarfilms, der es zum Glück schafft, das Werk selbst nicht nach kommerzgetriebener Verwertungsstrategie zu missbrauchen. Stattdessen fällt ein Licht auf den schöpferischen Ursprung.
A Journey, A Song
Kurz vor seinem 80. Geburtstag gab Leonard Cohen sein Einverständnis zu der filmischen Aufarbeitung der Heldenreise seines Songs. Durch seinen Segen werden der Welt nun sehr intime Einblicke nie zuvor gesehener Archivmaterialien des Cohen Trust gewährt, die als Zeitzeugnisse allein schon nicht zu missachten sind. Rare Interviews und persönliche Aufnahmen werden zu einem kleinen, innigen Treffen mit einem niemals Verlorengegangenen, dessen Wesen dennoch fehlt. Nur jene, die sich von der Besonderheit solcher Dokumente berühren lassen, und den Anspruch auf hohe Filmkunst im dokumentarischen Bereich ablegen, werden durch "Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song" eine bewegende Begegnung erleben können.
Das Heilige und das Profane
"Hallelujah" handelt von der Geschichte einer Schöpfung, die ihr Eigenleben entwickelt hat und als gläsernes Herz in die Hände vieler gefallen ist. Niemand machte es sich zu eigen. Heilig wandelte es sich durch ehrfürchtige Wärme von Bob Dylan, John Cale, Jeff Buckley zu ewigem Sand, der durch die Finger so vieler fließen würde. Und obwohl dieser Song der Welt gehört, so ist er nicht von seinem Schöpfer zu trennen. Wenn die Figur des Poeten Leonard Cohen als das Heilige zu verstehen ist, so ist die filmische Umsetzung von "Hallelujah" als das Profane zu begreifen. Tatsächlich darf dieser Dokumentarfilm visuell uneindrucksvoll sein, denn es soll keine Ablenkung von der Essenz geben: Leonard Cohens Poesie, seine prophetische Stimme und die musikalischen Liebesspiele. Die Aufnahmen Cohens in Interviews oder in Interaktion mit dem Publikum vergewissern uns seiner Menschlichkeit, doch lässt sich eine Geschichte über die Suche nach Transzendenz überhaupt in Bilder übersetzen?
Abundant in Resonance
Viel wirksamer sind die eingefangenen Stimmen von zeitgenössischen Musikerinnen, die von den transformierenden Einflüssen Leonard Cohens als auch von "Hallelujah" berichten. Brandi Carlile beschreibt die unbändige Resonanz der Lyrics in ihrer achtsamen Darbietung. Die primitivste menschliche Sehnsucht wird zusammengeführt mit dem Konzept Spiritualität, mit dem so viele im Widerstreit stehen. "Hallelujah" als Schlichtung dessen durchdringt Menschen in und jenseits jeder Norm. Die Stimmen dieser Interpretinnen zu hören ist insofern ein wichtiges Zeugnis, als dass jede Version von "Hallelujah", die es in die Popkultur geschafft hat, von männlichen Interpreten stammt. Doch dieses Stück bricht jede Illusion von Binarität, Entzweiung und Getrenntheit.
Sieben Jahre schrieb Cohen an den Lyrics für Hallelujah
Aus Cohens Streben nach Transzendenz entstand aus diesem Stück eine Repräsentation der Entgrenzung und der Auflösung von Dualität. Sich selbst begriff er als Medium, dass die Poesie aus anderen Sphären zog. Dabei entmystifizierte er seinen Schaffensprozess mit Bescheidenheit: sieben Jahre schrieb Cohen an den Lyrics für Hallelujah und auch danach war der Prozess nicht abgeschlossen. Denn was er als sakralen Text aufgezeichnet hatte, trug er nicht auf der Bühne vor. In Live Performances erzählte "Hallelujah" von erotischem Liebesspiel, Intimtät und Sexualität. Die orgasmische Ekstase als einen transzendentalen Zustand zu begreifen liegt nicht fern. Spiritualität und Sexualität zu trennen ebenso wenig. Das Heilige und das Profane werden zusammengeführt.
Dies sind Botschaften, die zeitlos sind. Mit der nötigen Demut und Bescheidenheit erkennt dieser Dokumentarfilm an, dass die Monumentalgeschichte der Reise von Leonard Cohens "Hallelujah" nie in eine würdige Komprimierung zensiert werden könnte. Doch das Nahbare aller von "Hallelujah" Berührten in diesem Film, als auch die Close-Ups Cohens selbst hinterlassen Fingerabdrücke im Inneren. //
Text: Greta Kogler
Fotos: Photographer unknown / Courtesy Cohen Estate
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Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A song
Seit 18.11.2022 im Filmhaus & Filmcasino
Regie & Drehbuch: Daniel Geller, Dayna Goldfine
Produktion: Daniel Geller, Dayna Goldfine
Kamera: Daniel Geller, Tongestaltung: Bob Edwards, Scott R. Lewis, Filmmusik: John Lissauer
Schnitt: Dayna Goldfine, Bill Weber, Daniel Geller,
Mit: Mit: Leonard Cohen, Jeff Buckley, John Cale, Brandi Carlile, Eric Church, Judy Collins, Bob Dylan, Glen Hansard, Sharon Robinson, Rufus Wainwright u.v.a.
USA 2021,
116 min.