Undine; Polyfilm

In seinem zeitgemäßen Update der Undine-Legende lässt Regisseur Christian Petzold abermals Paula Beer und Franz Rogowski sich ineinander verlieben.

"Wenn du mich verlässt, dann stirbst du." Mit tränenunterlaufenen roten Augen und mit verzweifeltem Blick fixiert die junge Undine ihren Freund Johannes, der sie für eine andere Frau verlassen will. Ein Moment der Emotionen, gewiss, aber es steckt mehr hinter dieser salopp ausgesprochenen Drohung. Der junge Rotschopf, so versiert in seinem Beruf als Museumsführerin oder in der architektonischen Geschichte Berlins, das sich einst aus den Sümpfen des Umlands erhob, scheint in Konflikt mit sich selbst. Mit dem eigenen Schicksal.

Wasserfrauen, so sagt es die Legende, müssen die Liebe finden, um eine Seele zu erhalten. Bei Untreue reißen sie den Übeltäter in den Tod. In der Stadt, die Schauplatz dieser mystischen Fabel wird, obwohl sie selber keine eigenen Legenden besitzt, sucht Undine dieses Glück. Petzold schafft in seinem Film eine Figur, die auszubrechen versucht aus dem Korsett ihrer Tradition. Eine moderne Frau, sozusagen. Aber wie gewohnt, wird er auch ihr Steine in den Weg legen, da Märchen an entzauberten Orten wie der Großstadt anderen Konventionen folgen.

Liebe zwischen den Fluten

Dem Fluch scheint Undine zunächst zu entkommen, als sie kurz nach Johannes Verrat Christoph über den Weg läuft. Die explosive Stimmung zwischen den beiden vollzieht sich nicht nur auf der emotionalen Ebene. Ein Aquarium voller Fische explodiert wortwörtlich bei ihrer ersten Begegnung. Das Bad im auslaufenden Wasser, umrahmt von Unterwasserdeko, wird zum verbindenden Moment. Von da an sind Undine und Christoph unzertrennlich.

Als Berufstaucher teilt Christoph die Liebe zu dem tiefen Nass, er nimmt Undine sogar zu jenem Stausee mit, der auch hier höchst vertraut scheint. Und doch, die verschmähte Liebe von Christophs Vorgänger findet als nagendes Gefühl zurück in den Gefühlshaushalt Undines. Doch noch während sie versucht sich gegen diese Urgewalt zu stemmen geschieht ein Unglück. Die Wanderin zwischen den Welten muss nun eine Entscheidung fällen.

Verzauberte Welten

Regisseur Christian Petzold hat mit seinem Film eine märchenhafte, gefühlvolle Neuinterpretation eines alten Stoffes geschaffen. Die Idee dazu kam ihm während des Drehs von "Transit", ebenfalls mit dem Schauspielduo Paula Beer und Franz Rogowski. Deren tragischen Lovestory, die sie in dem Film nicht ausleben konnten, wollte er mit "Undine" ein Gegenstück setzen. Die Chemie der beiden Darsteller funktioniert auch noch zwei Jahre später. Den Zuschauer zieht es in den Bann dieser Romanze. In ihre ungehemmten Gefühle und die Tragik von Geheimnissen. Vor allem Beer sticht als mit ihrem Schicksal hadernde Undine hervor. Ihr Spiel mit einer Figur, die verzweifelt auszubrechen versucht aus ihrer Vorbestimmung und doch immer wieder scheitert, hat ihr auf der 70. Berlinale den Silbernen Bären als Beste Darstellerin eingebracht.

Ebenso gelingt es dem Film, diese mystischen Nichtorte Berlins mit ihrem großstädtischen Alltagstrott zu verknüpfen. Irgendwo, in ungeahnten Ecken wie dem Stadtmuseumscafé, findet man diese Fabelwelten, in denen die Zeit anders zu ticken scheint. Im Großstadtdschungel der Anonymität taucht Undine unter. Die Wasserfrau, so alt wie die Stadt selber, aber ebenso undurchdringbar wie deren Geschichte.

Universelle Botschaft

"Undine" ist aber auch ein Film von Emanzipation, dem Abstreifen alter Rollenmuster, der Ablehnung des alten Klageweibs. Dass dies nicht ganz gelingen wird, liegt auch in der Natur des Menschen. Diese Menschlichkeit will eine mythische Undine gemeinhin erlangen. Petzolds Figur hat sie bereits. Vielleicht mehr als manch andere. Und daran liegt dann auch der Weltschmerz begraben. Ob am Land oder unter Wasser. //

Text: Susanne Gottlieb
Fotos: Polyfilm Verleih

Undine FilmstillFilm-Info:
Undine

DE, FR 2019, 90 min

Regie: Christian Petzold

Mit: Paula Beer, Franz Rogowski, Maryam Zaree, Jacob Matschenz

Undine feierte am 23.02.2020 auf der 70. Berlinale Weltpremiere.

Kinostart in Österreich: 3. April 2020