In "Love After Love" erzählt Regisseur Russell Harbaugh eine konventionelle und innovative Familiengeschichte, die mit dem Verlust ihres Familienoberhauptes zu kämpfen hat.
Love After Love...
...führt in eine Familie ein, die ein recht nahes Verhältnis unter ihren Mitgliedern pflegt. Dort kann es schon vorkommen, dass das eine oder andere Mal über die derzeitigen oder bereits verflossenen Partner/innen der Eltern oder Söhne geurteilt wird. Auf der anderen Seite werden bei Familienessen auch Gedichte vorgetragen. Normalerweise übernimmt diesen Part das Familienoberhaupt, der Vater. Doch bereits am Anfang lässt seine schwache Stimme vermuten, dass er nicht mehr so stark und gesund ist, wie er es einmal war. Und wenige Filmminuten später ist er bettlägerig und muss aufgrund seiner Krebserkrankung gepflegt und gewaschen werden. Sein Tod stellt den Kern der Geschichte dar, beziehungsweise das, was darauf folgt. Seine Geliebten gehen auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Verlust um.
Von einer Frau zur nächsten
Einer der Söhne (Chris O’Dowd) nimmt sich den Filmtitel Love after Love als Motto und geht von einer Frau zur nächsten. Der zweite Sohn, Chris (James Adomian), versucht seine Trauer in Alkohol zu ertränken und nimmt sie als Muse für seine kreative Ader. Die verwitwete Ehefrau (Andie MacDowell) scheint besser damit zurechtzukommen, obwohl sie eine glückliche Ehe geführt haben. Andie MacDowell verzaubert mit ihrer herzenswarmen und galanten Art wie immer das Publikum und sieht dabei noch gleich aus wie vor 15 Jahren.
Dinge werden gezeigt und nicht erklärt
Soweit ist die Geschichte nicht wirklich neu, jedoch wird sie von Russell Harbaugh in seiner ersten Regiearbeit interessant umgesetzt. Er nimmt sich die Aussage vom russischen Formalisten Viktor Šklovskij zu Herzen, dass man die Dinge im Film zeigt und nicht erklären muss. Oft wird in einer Szene sichtbar, dass die Handlung fortgeschritten ist, obwohl davor nichts darauf hindeutet. Danach lässt er seine Figuren die neue Situation manchmal kommentieren, andere Male lässt er die Bilder für sich sprechen. Damit bekommt der Film eine dynamische Frische und das Publikum wird mehr in den Filmprozess miteinbezogen, da es sich in den Film hineindenken muss, um nichts zu verpassen.
Nur die Familie zählt
Mutig ist Russell Harbaugh auch bei der Perspektive, aus der er die Geschichte erzählt. Neben Andie MacDowells Figur fokussiert er einen verhältnismäßig unsympathischen Charakter: Nicholas, einen der beiden Söhne. Die Kamera folgt ihm bei seinen sexuellen Errungenschaften, mit denen er jede Beziehung zu Grunde gehen lässt. Später wendet er sich auch gegen seine Mutter, als ein neuer Mann an ihre Seite tritt und seinen Vater in seinen Augen verdrängen will. Obwohl - oder gerade weil - sie sich so nahe stehen. Ihre Beziehungen werden im Film öfter nebeneinandergestellt, in dem sie in gleichen Posen mit ihren Partner/innen gezeigt werden, um ihre Zusammengehörigkeit und Gemeinsamkeit zu unterstreichen. Die Partner/innen sind nur Mittel zum Zweck und bleiben den ganzen Film lang Nebenfiguren, denn nur die Familie zählt.
In Interaktion mit anderen Menschen
Durch den starken Fokus auf die menschlichen Beziehungen bleibt jedoch die Handlung etwas auf der Strecke. Die Hauptfiguren werden die meiste Zeit in Interaktion mit anderen Menschen gezeigt, bei diversen Familienfesten und anderen Zusammenkünften. Diesen weniger spannenden Inhalt versucht der Kameramann teilweise mit bewegten Bildern zu kompensieren. Dadurch wird auch das (Gefühls-)Chaos in den Gesprächen auf formaler Ebene transportiert. In den ruhigeren Szenen greift Harbaugh auf bewährte Einstellungsformate zurück, in denen die Hintergründe manchmal wie Gemälde bis ins kleinste Detail inszeniert wirken. Diese künstlerische Neigung kommt auch in der Wahl der Musik zum Vorschein. Anfangs noch experimentell mit unerwartetem Jazz, schwingt dann das musikalische Muster in Richtung Klaviermusik über, die die Handlung angenehm begleitet und die Gefühle der Figuren vermittelt. Insgesamt ist "Love after Love" eine angenehme Mischung zwischen Konvention und Innovation und setzt einen auf Emotionen aufbauenden Stoff gekonnt um. Die Schauspieler/innen überzeugen, trotzdem kann man sich nicht ganz in die Figuren hineinversetzen. Vielleicht auch deshalb, weil sie in ein spezielles, kulturelles Umfeld eingebettet sind und Andie MacDowells Figur der einzige Sympathieträger bleibt. //
Text: Nina Isele
Fotos: Kinostar Filmverleih
Film-Tipp:
Love after Love
Bewertung: @@@
Drama, USA, 92 min. (2019)
Regie: Russel Harbaugh
Mit: Andie MacDowell, Chris O'Dowd, Gareth Williams, James Adomia, Juliet Rylance, Dree Hemingway
Filmverleih: Kinostar
Kinostart: 1. August 2019