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bouboule2Im Kinofilm "Bouboule" verpackt der Regisseur Bruno Deville gemeinsam mit dem Drehbuchautor Antoine Jaccoudin Autobiografisches in eine bewegende aber auch skurril-humorvolle Geschichte rund um den 12-jährigen Kevin, der 100 kg wiegt und von allen "Pummelchen" (Bouboule) gerufen wird. Von Andrea Schramek.

Jedes fünfte Kind in der Schweiz gilt als übergewichtig. Adipositas, Fettleibigkeit im Kindesalter, gilt heute als eines der auffälligsten Zivilisationssymptome - auch in der Schweiz. Dicke Kinder leiden doppelt. Ihre Gesundheit ist gefährdet und sie sind Zielscheibe von Spott und Ablehnung. Aus eigener Kindheitserfahrung weiß Regisseur und Drehbuchautor Bruno Deville von den Leiden eines intelligenten, sensiblen Buben, der zu dick ist und einen Körper hat, den er nicht leiden kann...

Der Vater ist abwesend. Die alleinerziehende Mutter ist mit Kevins beginnender Pubertät und der Sorge um seine Gesundheit überfordert. Der Hausarzt prognostiziert eine düstere Zukunft: Herzinfarkt und frühes Ableben. Kevin soll zur Wassergymnastik und seine Ernährung umstellen. Doch dieser will weder das eine noch das andere, denn Pommes Frites und Pudding haben für ihn die Zauberkraft, ihn in eine phantastische Traumwelt zu versetzen, wenn ihm weder seine Mutter noch seine mit dem Suizid liebäugelnde Freundin Alice Halt und Sicherheit geben können. Alles wird anders, als Kevin den rauen Security-Mann Patrick kennen lernt. Dieser wird mit seinen Geschichten vom Krieg an der Elfenbeinküste und seinem belgischen Schäferhund Rocco zum männlichen Vorbild für Kevin. Um ein richtiger Mann zu werden, vor dem man Respekt hat, auch wenn er übergewichtig ist, taucht Kevin in eine harte, fast klischeehafte Männerwelt ein: Brutalität, raue Sprüche, Bier und Schutzhunde-Ausbildung gehören zu dem privaten "Kommando-Training", das er bei Patrick und seinem korpulenten Chef absolviert.

Doch eines Tages muss Kevin erfahren, dass auch diese Männerfreundschaft auf Sand gebaut ist. Patrick muss vor der Polizei flüchten und das 2-Mann-Security-Unternehmen wird schlagartig aufgelöst. Hund Rocco soll verkauft, oder gar getötet werden. Als Patrick mit Rocco die Stadt verlassen möchte, läuft Kevin hinterher und er läuft um sein Leben, bis er zusammenbricht. In seiner Ohnmacht träumt Kevin von seinem Herzen, das wider Erwarten gesund ist, von Rocco und von Alice, die während seiner Herz-O.P. an seiner Seite ist. Als Kevin in der Klinik erwacht, ist sein Vater, der sich von nun an um ihn kümmern wird, am Krankenbett. Kevin hatte nur hyperventiliert. Sein Herz ist das eines Champions und gesund. Doch ohne Rocco will und kann Kevin nicht mehr sein. Der Hund, den er  schließlich aufnehmen und behalten darf, wird zum einzigen, stabilen Begleiter und "Therapeuten", der ihm Selbstbewusstsein gibt. Und dann ist da auch Alice, die ihn liebt, wie er ist.

Am Ende haben alle Figuren eine Transformation vollzogen. Der Vater übernimmt Verantwortung, die Mutter erkennt, dass sie Kevin nicht länger überbehüten darf und er ein männliches Rollenvorbild braucht, Rocco wird kastriert und so vom furchterregenden Schutzhund zum braven Familienbegleiter, Alice gibt ihre Selbstmord-Phantasien auf und Kevin, der inzwischen sogar etwas abgenommen hat, strahlt glückselig, als Alice seinen Körper, für den er sich bisher immer geschämt hatte, liebevoll berührt. Das Leben ist schön!

Eine wunderbare, einfühlsam erzählte Geschichte über Selbstliebe und Annahme, Freundschaft und Liebe und Mann-Sein, die von Kameramann Jean-François Hensgens in schöne und harte Traum- und Wirklichkeitsbilder gesetzt und von Matthieu Chedid musikalisch sehr stimmungsvoll begleitet werden. Die sorgfältig ausgewählten (und auch während der Dreharbeiten psychologisch betreuten) Kinder, allen voran David Thielemans als Kevin und Lisa Harder als Alice, Swann Arlaud als Patrick und Julie Ferrier als Mutter sorgen für Authentizität und Glaubwürdigkeit. Zu Recht wurden sowohl das Drehbuch von Bruno Deville und Antoine Jaccoud als auch der Spielfilm als solches für den Schweizer Filmpreis 2015 nominiert, der am 13. März 2015 in Genf vergeben wird. (Text: Andrea Schramek; Filmbilder: Solothurner Filmtage)

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Kurz-Info:

Bouboule
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Kinopremiere
50. Solothurner Filmtage (2015)

Regie Bruno Deville
Buch
Bruno Devillle, Antoine Jaccoud, Léo Maillard, Stéphane Malandrin
Kamera Jean-François Hensgens
Montage
Valentin Rotelli
Ton
Christophe Giovannoni, Paul Maernoudt
Musik
Matthieu Chedid
DarstellerInnen
Swann Arlaud, Julie Ferrier, David Thielemans, François Hadji-Lazaro, Lisa Harder, Amélie Peterli, Thémis Pauwels, Dodi Mbemba

Schweiz 2014
84 Minuten