Alles richtig gemacht. Waren die ersten Filme der Harry-Potter-Serie hauptsächlich eine bewegte Illustration der Bücher, ist "Harry Potter und der Halbblutprinz" ein gelungener, unterhaltsamer, mit zahlreichen liebevollen Details ausgeschmückter Film. Zum ersten Mal entfalten sich die angehenden Jungzauberer mit schauspielerischer Leichtigkeit in all ihren Boshaftigkeiten, Eifersüchteleien und Neckereien, wenn auch mitunter hart an der Grenze zur Outrage. Im Original absolut sehenswert, für Fans und Quereinsteiger.
Wer mit wem?
Schon in Harry Potter IV und V waren die Beziehungen zum anderen Geschlecht ein Thema. Diesmal steht das Gefühlsleben fast an erster Stelle. Jeder ist verliebt und seinerseits Subjekt der Verehrung von anderer Seite, mit unterschiedlicher Ernsthaftigkeit, versteht sich. Das ganz normale jugendliche Getue rund um die ersten Küsse wird wesentlich unterhaltsamer gezeigt, als in den "klassischen" Teenie Komödien. Die aufdringliche Lavender Brown (Harry Potter Neuling Jessie Cave) schnappt sich Ron. Sehr zum Missfallen von Hermione. Um Ron eifersüchtig zu machen, gewährt sie dem gut aussehenden, aber überheblichen Cormac MacLaggen (Freddie Stroma) ein Date. Harry kann sie gut verstehen. Geht es ihm doch mit Rons kleiner Schwester Ginny (Bonnie Wright) genauso. Die war zwar schon in Teil II schwer in Harry verliebt, tröstet sich aber zu Beginn des Films noch mit Dean Thomas (Alfred Enoch). Romilda Vane (Anna Shaffer) braut sogar einen Liebestrank um sich Harry gefügig zu machen. Getrunken wird er versehentlich von Ron.
Der Halbblutprinz - ein äußerst kreativer Zauberer mit dunklen Tendenzen
Die Wirkung der diversen Zaubertränke ist deutlich zu sehen. Bei deren Herstellung kann man gar nicht genug Vorsicht walten lassen. Mit Snape als Lehrer war dieses Fach für Harry die reinste Qual, doch unter Horace Slughorn wird er mit Hilfe des alten Buchs vom Halbblutprinzen zum Klassenbesten. Letzterer war schon zu Schulzeiten ein äußerst kreativer Zauberer mit dunklen Tendenzen. Nach seiner wahren Identität wird hier nicht geforscht, die dramatische Auflösung verschenkt.
Der Kampf zwischen Gut und Böse
Das düstere Plakat passt zwar nicht so ganz zu dem überwiegend heiteren Film, doch erinnert es an das Grundthema der ganzen Harry-Potter-Serie - den Kampf zwischen Gut und Böse. Seit dem Ende des letzten Films ist Lord Voldemort offiziell zurück. Auch die Muggels bekommen die Auswirkungen zu spüren. Die Bösen haben Spaß an Macht und Zerstörung. Gleich zu Beginn zischen drei Totesser durch London und reißen die Millenium Bridge aus ihrer Verankerung. In einer frei erfundenen Szene hänselt Beatrix Lestrange (Helena Bonham Carter) Harry Potter mit dem Mord an seinem Patenonkel Sirius Black und fackelt das Haus der Weasleys ab. Harry hat in mancher Hinsicht in den letzten Jahren genau gar nichts gelernt und folgt ihr in seinem hitzigen Zorn.
Dracos Mission
Draco Malfoy (Tom Fenton), der bisher hauptsächlich große Töne gespuckt hat, ist den Totessern beigetreten, was ihm unter seinen Freunden zusätzlichen Respekt einbringt. Er hat damit aber auch eine Aufgabe übernommen, die ihn an seine Grenzen treibt. Es ist eine der großen Leistungen dieses Films die Entwicklung von Draco nachvollziehbar zu zeigen.
Voldemorts Geheimnis
Dumbledore sucht nach Spuren aus Voldemorts Vergangenheit, als dieser noch Tom Riddle hieß. Dort liegt auch das Geheimnis der Unsterblichkeit des dunklen Lords. Den Snob Horace Slughorn, der so eifrig das Netzwerk zu seinen berühmten Schülern pflegt, hat Dumbledore mit Harrys Hilfe extra deshalb aus dem Ruhestand geholt. Horace Slughorn versucht seinen unrühmlichen Beitrag zur Geschichte zu verdrängen. Harry braucht eine ordentliche Portion Glück um diese Erinnerung als letztes Puzzlesteinchen einzusammeln.
Hermione: "Hey, sie will nur was von Dir, weil sie denkt, du wärest der Auserwählte."
Harry: "Aber ich bin der Auserwählte."
Richard Yates führte bereits zum zweiten Mal Regie. Er holt das Beste aus seinem Team heraus. Seit acht Jahren arbeiten die inzwischen erwachsenen Jungschauspieler miteinander und haben gemeinsam die Schulbank in den Leavesden-Studios gedrückt. Das schweißt zusammen. Sie stehen mit einer gewissen Coolness über der Aufgabe an einer geschichtsträchtigen Verfilmung mitzuwirken. Auch Harry Potter hat sich daran gewöhnt "der Auserwählte" zu sein und kann darüber scherzen.
Rupert Grint (Ron) hat viel Gelegenheit sein komödiantisches Talent unter Beweis zu stellen: wie er mehr zufällig als souverän die Bälle beim Quidditch abwehrt oder durch den Zaubertrank zum verliebten Dodel wird. Harry als braver Gefolgsmann von Dumbledore, lässt ein mulmiges Gefühl ob seines blinden Gehorsams aufkommen. Hermione sieht gut aus, hat ein wachsames Auge auf ihre Umgebung und ist nach wie vor eine kleine Streberin. Ginny ist hübsch und cool zugleich. An Ruhe und Selbstsicherheit ist sie den anderen um Jahre voraus. Neville Longbottom (Matthew Lewis) und Luna Lovegood (Evanna Lynch) wurden geschickt in zwei Szenen eingebaut, damit wir sie nicht ganz aus den Augen verlieren. Die Erwachsenen, seien es die Lehrer (Alan Rickman als Severus Snape, Dame Maggie Smith als Prof. McGonagall, Robbie Coltraine als Rubeus Hagrid) oder die Mitglieder des Orden des Phoenix (David Thewlis als Remus Lupin, Mark Williams als Arthur Weasley) werden bis auf wenige Ausnahmen (Jim Braodbent als Horace Slughorn) wieder zu kleinen Nebendarstellern degradiert.
Die Abteilung für Spezialeffekte (Tim Burke, Nick Dudman) hat zusammen mit den Ausstattern (Stuart Craig, Jany Temime) der Zauberwelt von J.K. Rowling noch manch schöne Facette hinzugefügt. Vom kleinen Drachen als Maronibrater bis zur bunten Welt in Wealsey's Wheezing Wizards-Laden. Die in Glasphiolen aufbewahrten Erinnerungen rinnen wie Tinte ins Pensieve und bilden dort im wahrsten Sinne des Wortes die Erinnerung. Die Quidditch-Dressen wurden neu adaptiert und händisch genäht. Da wurde im Produktionsbudget nicht geknausert. Lauter kleine Details, die man mit einem Mal schauen gar nicht alle erfassen kann.
Nicholas Hopper hat wieder die Filmmusik geliefert. Tadellos gemacht und tränendrüsenfrei eingesetzt. Im Moment der Trauer herrscht Stille. Und doch fehlt das markante, etwas verträumt-verspielte Motiv von John Williams aus den ersten Filmen.
Klar, einiges wurde gestrichen (die Gespräche mit Rufus Scrimgour, Grimmauld Place und Kreacher, die Geschichte der Gaunts, der ganze politische Aspekt der Destabilisierung eines Systems), aber manches ist pointierter (Hermiones Liebeskummer, Quidditch) und manches zweckdienlich erfunden (Bellatrix Lestranges Weihnachtsbesuch). Auf das ständige Herumtapsen unter dem Unsichtbarkeitsmantel wird weitgehend verzichtet. Alles in allem gut umgesetzt. Das gleiche Team dreht schon am letzten Band, "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes", der in zwei Teilen 2010 und 2011 in die Kinos kommen wird.
Text:
© 2009 Christine Koblitz
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Fotos:
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Film-Infos:
Harry Potter und der Halbblutprinz
Bewertung:@@@@@1/2
Deutschland; 153 Minuten
Kinostart: 15. Juli 2009 im Verleih von Warner Bros. Ent.
Regie: David Yates
Produzenten: David Heyman, David Barron
Nach dem Roman von J.K. Rowling
Drehbuch: Steve Kloves
Executive Producer: Lionel Wigram
Kamera: Bruno Delbonnel, A.F.C., A.S.C.
Produktionsdesign: Stuart Craig
Schnitt: Mark Day
Score: Nicholas Hooper
Kostümdesign: Jany Temime
Mit: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Jim Broadbent, Helena Bonham Carter, Jessie Cave, Robbie Coltrane, Warwick Davis, Michael Gambon, Alan Rickman, Maggie Smith, Timothy Spall, David Thewlis, Julie Walters, uva.