In "Alle anderen" geht es um das Grundlegendste aller Themen, die Beziehung zwischen Mann und Frau. Ein Pärchen, Anfang 30, allein auf der Insel. Sie kennen sich noch nicht lange. Sie lieben sich. Sie sind voller Zweifel. Konflikte sind vorprogrammiert. Dieser Film richtet einen sehr privaten, fast obszönen Fokus auf ihre kleinen Dialoge und wurde in Berlin dafür doppelt ausgezeichnet - mit dem Silbernen Bären für die "Beste Darstellerin" Birgit Minichmayr und mit dem "Großen Preis der Jury". Die Filmkritik von Christine Koblitz.
"Wenn du wen nicht leiden kannst - wie mich - dann ist das nicht schlimm. Schlimm ist nur, wenn du es dem anderen nicht sagst." So lernt die kleine Rebecca zu Gitti zu sagen: "Ich hasse dich." Das Gegenteil ist viel schwieriger. Die berühmten drei kleinen Worte - "Ich liebe dich" - wollen Chris (Lars Edlinger) nicht über die Lippen. Auch sonst kann er über Gefühle nicht so offen reden wie seine Freundin Gitti (Birgit Minichmayr). Dafür bastelt er sich ein Alter Ego aus einer Ingwerwurzel. Schnappi ist ein geduldiger Partner für beide Seiten. Auf ihrer gemeinsamen Ebene sind sie kindisch verspielt. Doch glaubt Chris nach außen männlicher sein zu müssen. Das geht genauso schief wie Gittis Anpassungsversuch an das Bild der liebevollen, leicht unterwürfigen Frau. Beide plagen Zweifel, ob sie so dem anderen genügen. "Manchmal sehe ich auf der Straße eine andere Frau und denke mir, die passt doch viel besser zu dir." Sie wohnen im Haus von Chris' Eltern auf Sardinien, Heimvorteil für ihn. Doch er ist nicht nur zum Urlaub hier, sondern auch zum Arbeiten. Er kämpft damit, seine radikalen Entwürfe zu begraben und aus finanziellen Gründen den Innenarchitekt für Freunde seiner Eltern zu geben. Die Bestätigung, die sich Gitti wünscht, kann er ihr nicht geben. Er hat sie nicht einmal im Kopf. Sein Wunsch ist es, endlich dazu zu gehören, zu den großen, erfolgreichen Männern. Wie sehr, wird bei der Begegnung mit dem Nachbar-Paar deutlich. Der ehemalige Studienfreund Hans (Hans-Jochen Wagner) baut Sachen, die sehr "in" sind, ohne doof zu sein. Seine Freundin Sana (Nicole Marischka) ist erfolgreiche Modedesignerin und gibt das schöne Vorzeige-Frauchen. Sie ist schwanger. Wie schön. Aber auch da gärt es unter der Oberfläche, nur gehen sie anders damit um. Chris geht mit seinem Kumpel eine Nacht lang saufen, Gitti lässt sich ein neues Styling verpassen. Die Kluft zwischen ihnen wächst weiter. Wiederholt wird sie von ihm gedemütigt. Irgendwann ist es einmal zu viel. Welcher Frau gefällt es schon, wenn sie nur noch dazu benutzt wird um vor den Freunden anzugeben? Dass Gitti verletzt ist, psychisch und physisch, merkt Chris erst, als es schon fast zu spät ist. Unsensibler Kerl, könnte man jetzt denken. Doch ganz so einfach ist es auch nicht. Und so endet der Film mit der Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft für Gitti und Chris. Manchmal klingen die Worte der beiden Hauptdarsteller, als wären es nicht die ihren. Die Regisseurin und Drehbuchautorin Maren Ade ließ keinen Platz für Improvisation. Dafür wurde viel und intensiv geprobt. Letztlich ist es dem Mut von Birgit Minichmayr und Lars Edlinger, sich aufeinander einzulassen, zu verdanken, dass die beklemmende Enge einer Beziehung sichtbar wird. Hingehen, Anschauen, Nachdenken. (Text: Christine Koblitz; Fotos: © polyfilm)
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